Rabatt-App Neotaste will Restaurants neue Gäste bringen

Düsseldorf Zwei Hauptgerichte essen, aber nur eins zahlen – damit sind Gutscheinbücher für regionale Restaurants seit Jahrzehnten erfolgreich. Das Prinzip hat das Start-up Neotaste digitalisiert: Seine interaktive App soll Gastronomen Neukunden bringen und gleichzeitig Nutzern hohe Rabatte ermöglichen. Ohne sperriges Couponheft.

Mehr als 1300 Restaurants in 13 Städten von München bis Hamburg nehmen bereits daran teil. Mehr als 400.000 Deals zum Kennenlernen von Restaurants oder Cafés hat Neotaste seit dem Start im September 2021 vermittelt.

Nun hat das Osnabrücker Start-up eine Finanzierung von 5,9 Millionen Euro abgeschlossen. Angeführt wird die Runde von Burda Principal Investments (BPI), dem Investmentarm von Hubert Burda Media. Beteiligt sind auch frühere Investoren wie die Flaschenpost-Co-Gründer Niklas Plath und Christopher Huesmann und Userlane-Gründer Kajetan Uhlig.

Mit dem Kapital will Neotaste weitere Städte ab einer Größe von 100.000 Einwohnern erschließen – davon gibt es bundesweit 80. Zudem soll die Interaktion in der App ausgebaut werden, etwa mit direkten Reservierungen. „In den nächsten Monaten kommt Berlin hinzu mit 400 bis 500 Restaurants“, kündigt CEO Hendrik Sander gegenüber dem Handelsblatt an. Der 31-Jährige hatte Neotaste mitten in der Pandemie mit seinem gleichaltrigen Schulfreund Tobias Düser gegründet. Digitalaffine Nachbarländer schaue man sich ebenfalls an.

Nutzer der App können zwischen einem Abo für 4,99 Euro oder 2,99 Euro pro Monat wählen, bei jährlicher Zahlung. Damit ist das Jahresabo etwa neun Euro günstiger als der Kauf des gedruckten Bestsellers „Schlemmerblock“, der inzwischen auch online bundesweit nutzbar ist.

Am beliebtesten bei Neotaste ist der Deal „zwei Hauptspeisen zum Preis von einer“. Am Ende wird das günstigere oder preisgleiche Gericht von der Rechnung gestrichen. Meist rechne sich die App bereits nach zwei Mahlzeiten, sagt Sander.

Neotaste-App bringt jüngere Neukunden

Für Gastronomen ist die Nutzung von Neotaste gratis. Sie können jederzeit aussteigen und ihre Rabattangebote flexibel aussteuern, beschreibt Sander die Vorteile zu gedruckten Gutscheinbüchern. Diese gelten für ein ganzes Kalenderjahr. Gastwirte können selbst festlegen, nach wie vielen Tagen ein Gast denselben Rabatt erneut nutzen darf. Nur zehn Prozent der Restaurants, Cafés oder Bars würden bestimmte Zeiträume ausschließen – wie etwa gut ausgelastete Abende am Wochenende.

Tobias Düser und Hendrik Sander (v.l.)

Die Gründer von Neotaste wollen Gastronomen neue Kunden bringen und Gäste mit Rabatten in Restaurants locken.

(Foto: Neotaste)

La Cantina Da Pasquale aus Köln nutzt Neotaste seit einigen Monaten, obwohl das italienische Lokal gut gebucht ist. Restaurantleiterin Antonella Schockhoven hat bisher positive Erfahrungen gemacht: „Jeden Tag bringt uns Neotaste neue Gäste, die unser Lokal noch nicht kannten.“ Diese seien deutlich jünger als die Nutzer gedruckter Coupons. Allerdings seien Neotaste-Nutzer eher Sparfüchse, die auch mal auf die Getränke verzichten. „Trotzdem lohnt sich die App für uns“, meint die Gastronomin.

Auch Filialen bekannter Gastroketten wie Hans im Glück, Peter Pane, L’Osteria oder Sausalitos nutzen Neotaste, um eine höhere Auslastung zu erreichen. Neue Gäste sind für die Gastrobranche wichtiger denn je. Die Umsätze der rund 137.000 Gaststätten in Deutschland lagen zwischen Januar und Mai 2023 real um 14 Prozent niedriger als 2019, ermittelte der Branchenverband Dehoga. 2021 setzte die Gastrobranche rund 39 Milliarden Euro um.

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„Gastronomen befassen sich meist wenig mit Marketing. Und in Zeiten von Inflation und Arbeitskräftemangel fehlt ihnen mehr denn je die Zeit dafür“, sagt Neotaste-Gründer Sander.

„Begrüßenswert ist jedes Instrument, das den sehr vielen, auch kleineren Gastronomiebetrieben zu mehr Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit verhilft“, bekräftigt Branchenexperte Axel Weber, Chef der Beratung Soda Group. Als smartes Kennenlerntool zur Kundenbindung könne Neotaste eine entscheidende Rolle spielen: „Alles, was dem Umsatz dient, gehört gemacht.“

„Rabattierungen sind Fluch und Segen zugleich“

Grundsätzlich seien Rabattierungen für Gastronomen aber Fluch und Segen, gibt Weber zu bedenken: „Sie sorgen meist für kurzfristige Umsatzzuwächse, erziehen die Kunden aber häufig zu kompromisslosen Schnäppchenjägern.“ Die Gastrobranche lebe ohnehin von niedrigen Margen im meist einstelligen Bereich. Irgendeiner müsse am Ende die Zeche für Rabatte zahlen. Deshalb sollten Wirte den finanziellen Nutzen genau durchrechnen.

Im Schnitt machen etwa 40 Prozent der von Neotaste angesprochenen Restaurants mit. Am Startpunkt Hannover überzeugte Sander noch selbst 50 Gastwirte, inzwischen erledigt das ein Vertriebsteam mit 16 Mitarbeitenden.

Sander gründete bereits während seines Wirtschaftsstudiums. Seine Firma Cannybusiness, die Handyzubehör im Internet vertrieb, machte siebenstellige Umsätze, bevor er sie verkaufte. In seiner Freizeit trainiert Sander, Beachhandballer des Jahres 2021, das Frauennationalteam.

Das Neotaste-Team besteht derzeit aus 30 Leuten und will weiter wachsen. „Es gibt viel Raum zur Expansion“, meint Julian von Eckartsberg, Managing Director von Investor BPI, der auch an Vinted und The Female Company beteiligt ist. Neotaste sei eine faire und vielversprechende Plattform, die für Gastronomen und Gäste Mehrwert schaffe.

Auch Groupon oder The Fork von Tripadvisor bieten vergünstigte Gerichte an. In Deutschland vermittelte das Düsseldorfer Start-up Table4You rabattierte Restplätze in der gehobenen Gastronomie, inzwischen arbeitet die Marke als reines Online-Reservierungstool. In Großbritannien ist Tastecard mit mehr als zwei Millionen Nutzern seit Jahren erfolgreich.

Die Neotaste-App will Orientierung in der Gastrowelt geben – auch durch bisher rund 200.000 verifizierte Bewertungen ihrer Nutzer. Zudem sind die Profile der teilnehmenden Restaurants und Cafés und die aktuellen Speisekarten abrufbar. In Zukunft soll eine Reservierung in der App möglich sein. Neotaste will so Schritt für Schritt zu einer digitalen Rundum-Plattform für die Gastronomie werden.

„Leider ist es bislang noch nicht gelungen, eine digitale Landschaft zu bauen, die wie ein Betriebssystem funktioniert und einer ganzen Branche fair und langfristig dient, ohne immer weitere Operatoren integrieren zu müssen“, meint Branchenexperte Weber.

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