Wissing plant neue Behörde für Mobilitätsdaten

Verkehr in Dortmund

Der Bund will Verkehrsdaten leichter zugänglich machen.

(Foto: IMAGO/Jochen Tack)

Berlin Die Ampelkoalition will Verkehrsdaten mit einem neuen Gesetz leichter zugänglich machen. Das „Mobilitätsdatengesetz“ soll Verkehrsunternehmen und Mobilitätsanbieter „für eine nahtlose Mobilität“ verpflichten, „Echtzeitdaten zu fairen Bedingungen bereitzustellen“.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) plant, Informationen über Fahrpläne, Verspätungen, die Ortung von Taxis und Mietwagen oder Sharing-Autos zu sammeln und zu veröffentlichen. Auch für den Zustand des Straßennetzes, die Ampelschaltung oder Baustellen, Staus und die Auslastung von Bussen oder Parkplätzen gilt: Alle Daten sollen zur Verfügung stehen, um optimal mit dem schnellsten oder günstigsten Anbieter von A nach B zu gelangen.

Die Idee sorgt schon seit Jahren für massiven Widerstand in der Verkehrsbranche, fürchten doch vor allem die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs, mit der Datenhoheit auch Marktanteile zu verlieren.

Aber auch private Anbieter haben Bedenken. Zwar hatte die Vorgängerregierung bereits in mehreren Gesetzen Mobilitätsanbieter verpflichtet, Daten zu teilen. Auch wurde auf Geheiß der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Datenraum Mobilität geschaffen, in dem Unternehmen Daten handeln können. Doch große Effekte blieben bislang aus.

Und allen voran die Autobauer sperren sich gegen jede Regulierung. Sie haben eigene Pläne.

Die Datenaufsicht soll als „Ultima Ratio“ Bußgelder verhängen

Nachdem die Beamten von Minister Wissing mehrere Monate mit den Beteiligten diskutiert haben, liegen nun Eckpunkte für das Gesetz vor. Demnach soll es in Zukunft auch Sanktionen geben, wenn Unternehmen ihre Daten nicht teilen. Eine zentrale „Datenaufsicht“ soll Verstöße „als Ultima Ratio auch mit der Verhängung von Bußgeldern sanktionieren“, heißt es. Ein zusätzlicher „Datenkoordinator“ soll dafür sorgen, dass ein Datenmarkt und mit den Daten neue Geschäftsmodelle entstehen.

Volker Wissing (FDP)

Das Verkehrsministerium hat nun erstmals Eckpunkte für das geplante Gesetz präsentiert.

(Foto: dpa)

Für Verbraucherschützer ist das keine Lösung. „Beim Thema Digitalisierung besteht die Fortschrittsbewegung in Deutschland in der Gründung immer neuer Behörden oder Institutionen“, kritisierte Marion Jungbluth, Mobilitätsexpertin beim Verbraucherzentrale-Bundesverband, gegenüber dem Handelsblatt. Sie verwies darauf, dass es bereits eine Institution wie den Mobilitätsdatenraum gebe, die standardisieren und Governance-Regeln überwachen soll.

Auch die Unternehmensvereinigung „Deutsches Verkehrsforum“ übt Kritik. „Die neuen Institutionen dürfen nicht zu bürokratischen Bremsen für Digitalisierung und Innovation werden“, mahnte Geschäftsführer Florian Eck. Der „Datenkoordinator“ könne allenfalls ein Netzwerk von Bund, Ländern und Kommunen sowie Unternehmen sein. Die Datenaufsicht solle vornehmlich die Qualität sichern. „Blinde Strafen verhindern Datenpooling“, sagte Eck.

Vor allem die Verkehrsunternehmen lehnen es ab, Daten weitergeben zu müssen. Sie sorgen sich, dass private Unternehmen mit ihrer Wertschöpfung Gewinne machen, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. „Es geht um die Frage, wer zukünftig Zugang zu den Kundinnen und Kunden hat“, schreibt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen in einer Stellungnahme zu den Eckpunkten.

Private Anbieter begrüßen neue Behörden

Dabei verweisen sie auch auf die Folgen des Deutschlandtickets. Angesichts der dadurch sinkenden Einnahmen und steigenden Kosten müsse es einen finanziellen Ausgleich geben. Ansonsten sei die Pflicht, Daten abzugeben oder zu erheben, „wirtschaftlich weder für die Verkehrsunternehmen noch für die Aufgabenträger tragbar“. Entsprechend lehnt der Verband auch Sanktionen ab.

Straßenbahnen in Rostock

Die Verkehrsunternehmen wehren sich gegen die Pläne des Bundes.

(Foto: dpa)

Neue Mobilitätsanbieter vertreten eine andere Meinung. So hofft Trainline, eine digitale Plattform für Bahn- und Bustickets, dass das neue Gesetz gleiche Wettbewerbsbedingungen für Datenlieferanten und -empfänger schafft. „Derzeit berufen sich die Dateninhaber auf Geschäftsgeheimnisse als Vorwand“, sagte Alexander Ernert von Trainline.

Die Firma fordert, dass Datenanbieter einer Behörde nachweisen sollten, warum bestimmte Daten als Geschäftsgeheimnis eingestuft werden sollten. „Folgt die Behörde dieser Auffassung nicht, sollten diese Daten unverzüglich an Drittanbieter weitergegeben werden.“ Allerdings solle es für jeden eine „faire Vertriebsprovision“ geben.

Der Mobilitätsanbieter Moia setzt auf den „Datenkoordinator“, um Qualitätsstandards festzulegen und die Datenqualität zu überprüfen. Es solle „unbedingt ein regelmäßiger Austausch mit der Industrie etabliert werden, um die Erfahrungen der Unternehmen frühzeitig in mögliche Anpassungsprozesse einfließen zu lassen“, sagte Moia-Chef Sascha Meyer.

Allerdings sind auch private Anbieter wie Moia zurückhaltend mit ihren Daten. Echtzeit-Daten etwa will Meyer nur dann verpflichtend teilen, wenn aggregierte oder historische Daten für die Anwendung nicht ausreichend sind. So sei etwa für die Verkehrsplanung nicht entscheidend, wie viele Moia-Fahrzeuge gerade mit welcher Auslastung fahren, sagte er.

Mehr: Warum Hamburg die Mobilitätswende besser schafft als Berlin.

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