Welche freiwilligen Leistungen lohnen sich?

Rating Leistungsangebot

Gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet worden, für verschiedene Leistungen einen Direktbonus an ihre Mitglieder zu zahlen.


(Foto: Getty Images)

Düsseldorf Die bundesweit geöffneten gesetzlichen Krankenkassen haben in den vergangenen Monaten ihr außertarifliches Leistungsangebot zulasten der Versicherten empfindlich beschnitten. Dieser Befund ergibt sich bei einem Vergleich der Ergebnisse des GKV-Qualitätsrankings 2021 mit den Zahlen des Vorjahres.

Damals kam zum Beispiel die Hanseatische Krankenkasse (HEK) unter den bundesweit geöffneten Anbietern in der Disziplin Leistungsangebot auf ein Ergebnis von 90,1 Punkten – was die Note „Exzellent“ rechtfertigte. Die Techniker Krankenkasse (TK) verfehlte diese Topauszeichnung mit 89,4 Punkten nur denkbar knapp und erhielt ein „Sehr gut“, ebenso wie die DAK Gesundheit, die mit etwas Abstand bei 80,7 Punkten auf Platz drei landete.

In diesem Jahr bekommen die HEK und die TK rund vier Punkte weniger zusammen. Die HEK rutscht damit um einen Notenrang nach unten. Das Mittelfeld pendelt sich um die 60-Punkte-Marke ein. Vergleichsweise besser sieht es bei den regional geöffneten Kassen aus.

Hier bekommen mit der Bergischen Krankenkasse, der IKK Südwest, der Securvita Krankenkasse, der AOK Plus und der Mhplus BKK gleich fünf Anbieter ein „Sehr gut“. Im Vorjahr war das nur drei Kassen gelungen. Dafür fällt in dieser Gruppe das Leistungsangebot von sieben Versicherungen so mager aus, dass die Experten von DFSI Ratings in Köln, die das GKV-Qualitätsranking im Auftrag des Handelsblatts erstellt haben, nur ein „BBB“ und einmal sogar ein „BB“ vergeben konnten.

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Auf der Schulnotenskala entspricht das einem „Ausreichend“. „Dass das Leistungsangebot allgemein zurückgegangen ist, hängt mit einer Reihe von Faktoren zusammen“, erläutert Thomas Lemke, Geschäftsführer des Deutschen Finanz-Service Instituts (DFSI) die Niveauverschiebung. „Zum einen haben viele Anbieter die Liste ihrer außertariflichen Leistungen zusammengestrichen, um Kosten zu sparen. Denn die Beitragseinnahmen sind in der Pandemie zeitweise deutlich zurückgegangen.“

Kassen beschneiden ihr Bonusprogramm

Gleichzeitig sind die Kassen von der Politik gedrängt worden, ihre Rücklagen abzubauen und sie müssen kostspielige Projekte wie etwa die Pflegereform und die Anhebung der Gehälter im Gesundheitsbereich finanziell stemmen.

Ein zweiter Faktor für das gesunkene Leistungsniveau ist, dass viele Kassen ihre Bonusprogramme beschnitten haben. Ursächlich hängt das unter anderem mit dem Masernschutzgesetz zusammen, das im vergangenen Frühjahr in Kraft getreten ist.

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Durch das Gesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet worden, für verschiedene Leistungen wie etwa Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen einen Direktbonus an ihre Mitglieder zu zahlen. „Über diesen Umweg können Versicherte im Einzelfall sogar für ihre Corona-Schutzimpfungen eine zweckgebundene Prämie von bis zu 250 Euro kassieren, die sie dann für andere Gesundheitsleistungen einsetzen können“, gibt Lemke einen Tipp. „Aber auch Barprämien werden in Aussicht gestellt.“

Unzweifelhaft sind die meisten Kassen durch die Gesetzesänderung in Zugzwang geraten – vor allem diejenigen, die bislang gar kein Bonusprogramm im Angebot hatten. Dabei herrscht in der Branche weiterhin Verunsicherung darüber, welche Boni sie nun per Gesetz ihren Versicherten gewähren müssen und welche Angebote sie weiterhin freiwillig machen können.

Weil die Abgrenzung nicht klar geregelt ist, vermischen einige Kassen Bonusleistungen mit dem Gesundheitskonto – obwohl dessen Leistungen voraussetzungslos sein sollten. In anderen Fällen kassieren Anbieter freiwillige Zusatzleistungen ein und bezuschussen sie nur noch durch eine Bonusprämie.

Anbieter bauen Bonusprogramme um

„Im Ergebnis ist das Augenwischerei“, beschreibt Lemke die aktuelle Diskussion. Aber unklar ist zum Beispiel auch, ob Leistungen, die der Versicherte selbst zahlt wie etwa einen unplanmäßigen Gesundheitscheck, mit einem Bonus honoriert werden müssen.

„Viele Anbieter haben im Ergebnis die Struktur ihre Bonusprogramme umgebaut. Jetzt muss sich der Markt, der ursprünglich viel homogener war, erst wieder finden“, beobachtet der Krankenversicherungsexperte. In der Konsequenz haben Lemke und sein Team Boni, die zum tariflichen Standard geworden sind, nicht als außertarifliche Zusatzleistung gewertet.

„Damit konnten Kassen also nicht punkten“, so Lemke. „Dafür haben wir andere Bonifizierungen in unseren Prüfkatalog aufgenommen – zum Beispiel, ob bestimmte Messwerte wie etwa für den Cholesterinspiegel oder der Body-Mass-Index im Normbereich liegen. Erste Kassen fördern und belohnen auch den Einsatz von Fitness-Trackern. Doch insgesamt sieht das Angebot hier noch mau aus. Entsprechend wenige Punkte konnten wir vergeben.“

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Genau das ist ein wesentliches Ziel des GKV-Qualitätsrankings: Antworten auf die Frage zu liefern, welche konkreten Leistungen einzelne Kassen über den gesetzlichen Standard hinaus ihren Mitgliedern anbieten. Damit bekommen die ein Instrument an die Hand, mit dem sie abschätzen können, ob sich ein Kassenwechsel für sie nicht allein des günstigen Beitrags wegen lohnt, sondern auch, weil ein anderer Versicherer Leistungen außerhalb des Tarifs bietet, die für sie wichtig sind.

Grundsätzlich entscheidend ist dabei die individuelle Lebens- und Gesundheitssituation. Die zusätzliche Kostenübernahme bei Seh- und Hörhilfen wird umso wichtiger, je älter der Versicherte ist. Doch Vorsicht: Eine kostenlose Vorsorgeuntersuchung nutzt dem Versicherten wenig, wenn sie nur von einer Vertragsklinik oder -praxis zum Beispiel in Norddeutschland angeboten wird, und er oder sie wohnt in Freiburg.

Zusatzleistungen sind vielfältig

Solche möglichen Stolpersteine gilt es beim Wechsel zu einer vermeintlich attraktiven Kasse zu beachten. Um den Überblick zu bekommen, haben die DFSI-Experten zusammen mit dem Onlineportal Kassensuche.de die Leistungsprofile von 70 Kassen zusammengetragen, inhaltlich geordnet und ausgewertet.

„In dieser Hinsicht ist das GKV-Qualitätsrating weiterhin führend“, ist Lemke überzeugt. Im Ergebnis können Versicherte damit die Leistungen einer Kasse in Relation zum Beitragssatz zu setzen. Auf der anderen Seite steht Transparenz. Denn das Spektrum an Zusatzleistungen ist vielfältig und bunt gemischt.

Bonusprogramme sind nur ein Bereich aus diesem Universum. Mit dem DFSI-Qualitätsrating bekommen Versicherte Antwort auf die Frage, ob eine Kasse die Inanspruchnahme von Naturheilverfahren bezahlt. So lassen sich aus dem Feld der 70 untersuchten Anbieter diejenigen herauspicken, die entsprechende Leistungen außerhalb der Schulmedizin bezahlen.

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Für eher jüngere, gesunde Beitragszahler sind dagegen Wahltarife interessant. Damit bekommen sie ähnlich wie privat Krankenversicherte die Möglichkeit, durch einen Selbstbehalt oder eine Prämienzahlung bei Leistungsfreiheit Geld zu sparen bei ihren Versicherungsbeiträgen. Kassen mit hoher Punktzahl bieten in dieser Hinsicht besonders flexible und vielfältige Optionen an.

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Besonderes Augenmerk legt das Gros der Beitragszahler auf außertarifliche Leistungen im Bereich der Zahnmedizin. Die Standardleistungen in diesem Bereich sind wegen der hohen Kosten in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgefahren worden. Dennoch, das zeigt der Leistungsvergleich des GKV-Qualitätsratings, gewähren einzelne Kassen immer noch vergleichsweise hohe Zuschüsse im Bereich der Dentalversorgung oder sie übernehmen bestimmte Leistungen komplett – wenn auch mitunter nur über ausgesuchte Vertragsärzte, die in Einzelfällen auch im Ausland sitzen.

Zusatzleistungen für die Zahngesundheit

Die DFSI-Experten haben im Zuge der Leistungsbewertung ausgewertet, welche Kassen zum Beispiel die Kosten für eine professionelle Zahnreinigung im Jahr komplett oder zumindest zum Teil übernehmen oder welche Zuschüsse sie bei Zahnersatz zahlen oder bei anderen speziellen zahnärztlichen Behandlungen wie etwa eine Vollnarkose beim Entfernen von Weisheitszähnen übernehmen. Anbieter punkten in dieser Teildisziplin auch, wenn sie einen speziellen Beratungsservice zur zahnmedizinischen Versorgung für ihre Mitglieder anbieten.

Der aktuelle Vergleich zeigt auch, dass viele Kassen in der Pandemie nicht nur beim Service, sondern auch bei ihren Leistungsangeboten digital aufgeholt haben. „Das schreiben sich wirklich alle Kassen auf die Fahnen, dass in dieser Hinsicht Weiteres gemacht werden muss – und da passiert auch bereits eine Menge – aber mehr oder weniger erfolgreich und in jeweils ganz unterschiedlichem Tempo“, beobachtet Lemke.

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Dass Versicherte Krankschreibungen über Smartphone und App elektronisch an ihre Kasse übermitteln können, hat sich gerade während der Coronapandemie bewährt und fast schon zum Standard entwickelt. Doch bei anderen Themen sieht Lemke noch großes Aufholpotenzial.

„Bei den Gesundheitsförderungskursen ist das Angebot nahezu unübersehbar groß. Noch immer müssen sich dabei interessierte Versicherte durch ellenlange Listen arbeiten, um etwas für sie Passendes zu finden“, erzählt der Experte.

Einige Anbieter wie etwa die AOK Plus sind da bereits weiter. Sie bieten ihren Mitgliedern ein eigenes Buchungssystem an, mit dem sie sich wie auf einer Onlineplattform über Verfügbarkeiten informieren und für einen Kurs ohne Medienbruch anmelden können.“

Digitales Tracking: Stand der Anträge mitverfolgen

Eine andere digitale Anwendung: digitales Tracking. Bei Kassen, die digital vorn sind, können Versicherte, die zum Beispiel einen Antrag auf Lohnfortzahlung gestellt haben, die laufende Bearbeitung wie bei einer Sendungsverfolgung elektronisch abrufen.

Sie sehen also, wo ihr Antrag gerade liegt und wann sie in etwa mit einem Bescheid oder Geld rechnen können. „Die digitale, Eier legende Wollmilchsau gibt es es unter den Krankenkassen derzeit dennoch noch nicht. Aber einzelne Kassen verfolgen interessante Ansätze, die sie weiter vorantreiben, während andere deutlich zurückhängen. Dies zeigt sich dann auch in den Ergebnissen“, so Lemke.

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Das Qualitätsrating schafft auch hier ein differenziertes Bild, das auf der einen Seite den Versicherten hilft, sich zurechtzufinden. Andererseits ist es ein Ansporn für andere Kassen, die hier noch nicht so viel tun – und damit eine konstruktive Verbesserung des Wettbewerbs.“

Unter dem Blickwinkel mehr Wettbewerb steht auch das Thema Leistungstransparenz. Ihm wollen Lemke und sein Team zukünftig mehr Aufmerksamkeit beimessen. Der Grund: „Auch erste große Kassen gehen dazu über, Transparenzberichte zu veröffentlichen und damit für sie kritische Daten der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Damit übernehmen sie eine Vorreiterrolle in dem Bereich“, sagt der DFSI-Geschäftsführer. „Das wollen wir in unserem Ranking honorieren. Auch die Versicherten sollten diesen Aspekt stärker als bisher im Blick haben.“ Die Techniker Krankenkasse (TK) hat zum Beispiel erst vor wenigen Wochen ihren allerersten Transparenzbericht veröffentlicht.

TK-Vorsitzender: Erfahrungen der Versicherten sei nicht transparent genug

„Die Versicherten benötigen nachvollziehbare Informationen zum Leistungsgeschehen und Service der Krankenkassen“, erklärte dazu der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas. „Aktuell sind die tatsächlichen Erfahrungen der Versicherten mit ihren Krankenkassen nicht ausreichend transparent.“

Ziel der Transparenzberichte ist es, Auskunft zu geben über das Leistungsgeschehen, die Servicequalität, das Engagement für Patientensicherheit und nicht zuletzt eine Statistik der Widerspruchsverfahren zu erstellen.

Dabei setzt etwa die TK auf Kennzahlen und Benchmark-Systeme wie zum Beispiel die Weiterempfehlungsquote vonseiten der Kundinnen und Kunden (Net Promoter Score). Zudem gibt sie in ihrem Bericht Informationen zu ihren Services wie etwa der Unterstützung von Patientinnen und Patienten bei Behandlungsfehlern und weiteren Beratungsangeboten.

„Um Krankenkassen seriös vergleichen zu können, sind einheitliche, objektive Kriterien für alle Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer unerlässlich“, so Baas. „Umso wichtiger ist es, dass der Prozess schnell startet, um hier für einheitliche Standards zu sorgen. Die TK wird sich daran aktiv beteiligen.“

Im Idealfall gibt der Bericht einen detaillierten Einblick in die Zahl der Streitverfahren, die eine Kasse mit ihren Mitgliedern über Leistungen beziehungsweise über deren Kostenübernahme führt. „Wir planen dazu im kommenden Jahr einen eigenen Vergleich zu diesem Thema, indem wir die Berichte von den Kassen abfragen und systematisch auswerten“, gibt Lemke einen Ausblick.

Untersuchung: Was passiert, wenn Kassen Anträge ablehnen?

So will er analysieren, wie hoch die Zahl der Widersprüche, die eine Kasse bei Leistungsablehnung bekommen hat, ist, wie viele dieser Widersprüche im Widerspruchsausschuss gelandet sind und welche Anzahl dann dort positiv beschieden oder endgültig abgelehnt worden ist. Schließlich will er dann ermitteln, was davon bei Sozialgerichten gelandet ist.

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Im Ergebnis geht es darum, zu erkennen, ob einzelne Kassen bei der Bewilligung von Leistungsanträgen eher großzügig sind oder tendenziell solche Anträge erst einmal ablehnen, um vielleicht ein Geschäftsmodell daraus zu machen, weil sie davon ausgehen, dass die Mehrheit der Versicherten auf einen Widerspruch verzichtet und erst recht den Gang vor das Sozialgericht scheut“, beschreibt der Versicherungsexperte seinen Ansatz.

„Interessant ist dann, welche Zahl an Verfahren dort zugunsten des Versicherten entschieden werden.“ Dabei hat er vor allem die Markthygiene im Auge. „Als wir mit mit der Bewertung der Finanzstärke gestartet sind, haben wir 14 Krankenkassen untersucht. Mittlerweile sind wir bei rund 50 Kassen angelangt, deren Bilanzen wir im Rahmen des Qualitätsrankings untersuchen. Damit haben wir also auch einen Impuls am Markt gesetzt“, ist Lemke stolz.

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