Prompt ist eine steuerpolitische Grundsatzdebatte entbrannt. Die CDU, die traditionell eher durch Rufe nach Entlastungen auffällt, sieht sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, sie wolle die Spitzenverdiener mit einem höheren Steuersatz zur Kasse bitten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warnte Merz vor einer „Strangulierung unserer wirtschaftlichen Entwicklung“ durch Steuererhöhungen. Selbst in seiner Partei sorgte Merz für Irritation. Die Junge Union übte Kritik am CDU-Vorsitzenden.
Das liegt zum einen daran, dass die CDU bei ihren Vorschlägen bisher vage geblieben ist. Zum anderen ist das Steuersystem kompliziert, und die Frage, wie sich Änderungen auswirken, ist nicht einfach zu beantworten. Das Handelsblatt ordnet die Debatte ein.
Das will die CDU: Weg mit dem Mittelstandsbauch
Merz geht es vor allem um eine Entlastung der Mittelschicht. „Schon Leute, die nur ein bisschen mehr verdienen als der Durchschnitt, erfahren eine enorme Belastung durch Abgaben und Steuern“, sagte er der „FAS“. Der CDU-Chef zielt damit auf den sogenannten Mittelstandsbauch: Für Menschen mit mittlerem Einkommen steigt die Steuerbelastung relativ stark an, bis dann ab einem zu versteuernden Einkommen von knapp 63.000 Euro der Spitzensteuersatz von 42 Prozent gilt.
Die CDU will den steilen Anstieg der Steuersätze abflachen. Das bedeutet, dass der nächsthöhere Steuersatz erst bei einem höheren Einkommen greifen würde. Zudem soll der Spitzensteuersatz später fällig werden. Wenn er erst bei 80.000, 90.000 oder 100.000 Euro erhoben würde, käme es zu einer Entlastung für die breite Mitte dieses Landes, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.
Allerdings profitieren auch Spitzenverdiener von einer Senkung der Steuersätze bei mittleren Einkommen. Hintergrund: Niemand muss den Spitzensteuersatz von 42 Prozent auf sein gesamtes Einkommen zahlen, sondern nur auf den Verdienst oberhalb der Grenze von knapp 63.000 Euro. Für das Einkommen darunter werden nur die geringeren Steuersätze fällig.
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Da die CDU aber ihre Entlastung auf die Mittelschicht konzentrieren will, zeigt sie sich offen dafür, den Spitzensteuersatz etwas anzuheben.
Linnemann kann sich zudem eine Erhöhung des sogenannten Reichensteuersatzes vorstellen. Dieser gilt ab einem Einkommen von knapp 278.000 Euro und beträgt 45 Prozent. Der CDU-General brachte eine Anhebung auf 46 oder 47 Prozent ins Spiel.
Das bedeuten die Pläne für den einzelnen Steuerzahler
Was die Pläne für den einzelnen Steuerzahler bedeuten, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Die ist aber offen. Die CDU führt die Diskussion im Zusammenhang mit ihrem Grundsatzprogramm. Detaillierte Zahlen werden sich darin nicht finden. Wie aus dem Konrad-Adenauer-Haus zu hören ist, geht es der Parteiführung um eine breite Entlastung. Die Steuersätze sollen so verschoben werden, dass die große Mehrheit der Bürger unterm Strich weniger zahlen muss. Das soll auch für Besserverdiener gelten.
Als Vorlage dient der CDU-Führung offenbar ein Konzept des Steuerzahlerbunds. Danach würden selbst Bezieher von mehreren Hunderttausend Euro Einkommen noch entlastet. Wirklich mehr Steuern müssten nur Millionäre zahlen, wie Berechnungen des Finanzwissenschaftlers Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg für das Handelsblatt zeigen.
Eine Person mit einem Einkommen von 3500 Euro monatlich hätte 996 Euro mehr im Jahr zur Verfügung. Ein Single mit 8000 Euro monatlichem Bruttoeinkommen hätte etwa 2535 Euro mehr im Jahr in der Tasche, ein Alleinverdiener-Ehepartner mit einem Einkommen von 15.000 Euro sogar 4597 Euro.
Die Entlastungen wären also gewaltig, die Steuerausfälle allerdings auch. Deshalb sieht man das Konzept im Adenauer-Haus auch nur als Orientierung und nicht als Vorlage, die man eins zu eins übernehmen will.
Warum Lindner dagegen ist
Finanzminister Lindner nimmt die Union beim Wort: Er unterstellt, dass Merz die Abflachung des Mittelstandsbauchs komplett durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes gegenfinanzieren will. Da die Entlastung der breiten Mitte beim Fiskus zu großen Einnahmeausfällen führen würde, müsste der Spitzensteuersatz entsprechend stark steigen. „Die Rechnung von Herrn Merz geht nicht auf“, sagte der FDP-Chef im ARD-„Sommerinterview“.
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Der neue Spitzensteuersatz würde dann laut Lindner bei 80.000 Euro Einkommen beginnen, müsste aber 57 Prozent betragen. Eine solch drastische Anhebung des Spitzensteuersatzes möchte die CDU nicht.
„Unser Ziel als CDU ist klar: Wir wollen Unternehmen und die Mittelschicht massiv entlasten. Das hat Priorität“, sagte CDU-Fraktionsvize Jens Spahn dem Handelsblatt. „Wir brauchen in Deutschland einen Pakt für Leistung.“ Dazu gehörten auch „eine gedeckelte Gesamtsteuerbelastung von Unternehmen bei 25 Prozent und ein abgeflachter Mittelstandsbauch für viele Millionen Steuerzahler“.
Lindner nutzt die Zahl von 57 Prozent Spitzensteuersatz dennoch, um auf die fehlende Finanzierung der Pläne hinzuweisen. Tatsächlich wird sich eine Entlastung der großen Mitte nicht mit einer kosmetischen Erhöhung des Spitzensteuersatzes gegenfinanzieren lassen, wie Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), erklärt: „Generell bringt eine moderate Erhöhung des Spitzensteuersatzes nur relativ wenig Aufkommen, während eine spürbare Entlastung in den unteren und mittleren Gruppen den Staat viel Aufkommen kostet.“
Eine vollständige Abflachung des Einkommensteuertarifs bei gleichzeitiger Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent würde immer noch das Steuer‧aufkommen um 35 Milliarden Euro senken. „Dies würde also ein großes Loch im Haushalt hinterlassen und wäre mit der Schuldenbremse nicht vereinbar“, sagte Hüther
Das steckt politisch hinter den Plänen
Mit ihren neuen Steuervorschlägen nimmt die CDU eine Kurskorrektur in der Steuerpolitik vor und sucht damit insbesondere den Anschluss an die Grünen. Über ein Jahrzehnt lang war jedwede Steuererhöhung für die CDU tabu.
Damit war jede kleinere Steuerreform politisch unmöglich, weil SPD wie Grüne immer darauf pochten, im Gegenzug den Spitzensteuersatz anzuheben, um zumindest eine kleine Gegenfinanzierung zu erreichen und nicht einzig Gutverdiener zu entlasten. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert lobte denn auch die neuen Vorschläge der CDU.
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Anders sieht es bei der FDP aus. Die Liberalen nehmen die CDU-Pläne dankbar an, um sich von der CDU abzugrenzen. So sagt FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer dem Handelsblatt: „Die FDP ist nun die einzige Partei, die sich gegen Steuererhöhungen stellt.“
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