Warum Tesla wieder auf Deutschlands größter Automesse vertreten ist

Düsseldorf, New York Bei Elektroautos ist Tesla längst ein Branchenriese. Die Präsentationsfläche des US-Herstellers auf der Branchenmesse IAA Mobility, die kommende Woche in München startet, fällt allerdings klein aus. In der Halle A2 hat Tesla einen kleinen Stand gemietet, dazu kommt eine Ausstellungsfläche von 200 Quadratmetern am Königsplatz in der Innenstadt. Die eigentliche Nachricht ist aber, dass Tesla überhaupt kommt.

Über Jahre hat sich die Elektroautomarke von Elon Musk von den meisten europäischen Automessen ferngehalten. Auf der IAA war Tesla zuletzt 2013 – damals noch in Frankfurt –, um in Deutschland die Oberklasse-Limousine Model S bekannter zu machen.

Tesla bestätigt zwar die Teilnahme an der diesjährigen IAA, verrät aber nicht, warum das Unternehmen nach München kommt. Die meisten Hersteller nutzen die Messen, um ihre Modelle der kommenden Jahre zu zeigen. Doch Tesla hat hier kaum etwas zu bieten. Spektakuläre Neuheiten wie der Tesla Cybertruck oder der Roadster sind längst präsentiert, ein neuer Kleinwagen ist noch in der frühen Phase.

Eine aufgefrischte Version des Massenmodells Model 3 steht zwar kurz vor dem Start. Doch in München wird es nicht zu sehen sein, sagen dem Unternehmen nahestehende Kreise dem Handelsblatt. Das sogenannte „Project Highland“ solle dort höchstens als Bild gezeigt werden. Das echte Fahrzeug soll zu einem späteren Zeitpunkt in China enthüllt werden.

Warum kommt Tesla dann überhaupt nach München? Vor allem, um Aufmerksamkeit zu bekommen, glaubt Jan Burgard, Chef der Branchenberatung Berylls: „Tesla ändert seine Strategie und das muss man anerkennen. Sie machen es geschickt – man redet darüber.“

Insider und Experten sehen drei Gründe für den Auftritt von Tesla auf der diesjährigen IAA.

1. Grund: Automessen wie die IAA gewinnen an Bedeutung zurück

Als Tesla noch wenige Zehntausend Fahrzeuge weltweit verkaufte, war die Marke regelmäßig auf Messen vertreten. Damals ging es für das junge Start-up darum, das Model S bekannter zu machen. Doch 2015 änderte Tesla-Chef Musk die Strategie. Die Teilnahme an der Detroit Motor Show wurde im letzten Moment abgesagt – ein Affront für die Amerikaner.

Nur 2017 kam Tesla in den Staaten noch einmal zurück auf eine Automesse. Damals zeigte der Hersteller in Los Angeles sein Model 3 – das erste Auto für den Massenmarkt.

Wichtiger waren über Jahre eigene Events – abgehalten in den Gigafactorys im kalifornischen Fremont und in Austin, Texas. Wie einst Apple-Chef Steve Jobs enthüllte Konzernchef Elon Musk den Tesla-Anhängern auf diesen Veranstaltungen die neuesten Modelle und Technologien. Weltweit konnten sich Millionen online zuschalten.

IAA in München

Die Messe will wieder mehr Hersteller zurück in die Hallen holen.

(Foto: imago images/Arnulf Hettrich)

Damit war Musk in der Autobranche ein Vorreiter, viele Autokonzerne setzen mittlerweile selbst auf eigene Events. Die Automessen weltweit kämpften in den vergangenen Jahren mit ihrem Bedeutungsverlust. Die Coronapandemie hat diesen Trend nur beschleunigt.

Selbst bei früheren Pflichtveranstaltungen sind nicht mehr alle großen Hersteller präsent: Beim Pariser Autosalon im Oktober 2022 fehlten die meisten deutschen Automarken. Allein Mercedes zeigte seine Autos auf einem kleinen Stand in der Innenstadt, fernab des Messegeländes.

Auf der diesjährigen IAA ist aus dem großen Stellantis-Konzern allein Opel vertreten. Marken wie Peugeot, Citroën, Fiat, Jeep oder Alfa Romeo kommen nicht nach München.

Trotz dieser Absagen könnte die Messe aber wieder an Relevanz gewinnen. „Nach meiner Beobachtung erlebt die IAA mit dem Aufkommen der Elektroautos eine Renaissance“, sagt Berylls-Chef Burgard. Viele neue Marken aus China wollen dem europäischen Publikum ihre Neuheiten näher bringen.

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„Der Elektroautomarkt mit seinen vielen neuen Playern wird in den nächsten Jahren aufgeteilt und die Menschen wollen wissen: Wer bietet was an?“, sagt Burgard. Daher müsse auch Tesla präsent sein, denn Musk will den neuen Herausforderern das Feld nicht allein überlassen.

Dass Tesla gleich an zwei Standorten ausstellt, hat vor allem Kostengründe: Die IAA-Veranstalter wollen die Aussteller – anders als bei der vergangenen Ausgabe – verstärkt zurück in die Messehallen holen. Unternehmen, die nur auf den Bühnen in der Stadt ausstellen wollen, müssen je nach Lage das bis zu 2,5-Fache pro Quadratmeter zahlen. Rabatte gibt es nur für diejenigen, die auch einen Stand auf dem Messegelände haben. 36.000 Euro zahlt Tesla darum für seine Präsenz auf dem Königsplatz.

2. Grund: Die Konkurrenz wird härter – vor allem aus China

China ist weltweit der einzige Markt, in dem Tesla bislang immer an Messen teilgenommen hat. Der größte Automarkt der Welt ist für Tesla zu wichtig, die politische Gemengelage zu sensibel, um die Veranstaltungen zu ignorieren.

In Shanghai, wo das Unternehmen auch seine chinesische Gigafactory betreibt, kommt der US-Hersteller darum regelmäßig zur Autoshow, die alle zwei Jahre stattfindet. Selbst der Protest einer Kundin im Jahr 2021, der weltweit für negative Schlagzeilen sorgt, hat das Unternehmen nicht abgeschreckt.

Das aufgefrischte Model 3 wird Tesla wohl nicht in München, sondern im September in Shanghai zeigen. Berichten aus China zufolge soll die dortige Gigafactory bereits im August mit der Testproduktion des Autos begonnen haben. Die Auslieferungen könnten demnach bereits im September beginnen.

Tesla in China

Tesla-Schauraum in Shanghai: Kunden interessieren sich für Model 3 und Model X.

(Foto: Reuters)

„Zuletzt gab es intensive Tempoerhöhungen bei Tesla und Zulieferern“, berichtet Jens Büchler, Professor für Unternehmensführung und Innovation an der Fachhochschule Dortmund. Ersten Fotos zufolge hat Tesla Front und Heck von Model 3 überarbeitet und mit neu gestalteten LED-Leuchten ausgestattet. Auch der Innenraum bekommt eine neue Beleuchtung.

Darüber hinaus könnte das Model 3 Highland ohne Schalt- und Blinkerhebel auskommen, was zuletzt unter Tesla-Fans kontrovers diskutiert wurde. Gesteuert wird dann über berührungsempfindliche Lenkradtasten. Für selbstfahrende Systeme könnte auch eine modifizierte Variante der neuen Hardware-Ausrüstung 4.0 mit erweiterten Sensoren eingebaut werden, die bereits im Cybertruck zum Einsatz kommt.

Tesla hat bisher noch keine konkreten Details zum Model 3 Highland bestätigt. Klar ist für Beobachter jedoch, dass eine Überarbeitung dringend nötig ist. Seit der Premiere im Jahr 2017 wurde das Massenmodell nur einmal optisch überarbeitet: 2021 strich Tesla einige Chromteile.

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„Während die Fahrzeug-Software dank Over-the-air-Updates stets auf dem neuesten Stand ist, ist die Tesla-Produktpalette wirklich etwas in die Jahre gekommen“, sagt Christian Koenig. Der Autoexperte hat für Porsche in Nordamerika gearbeitet und führt in Atlanta eine Beratung für Elektromobilität. „Man darf gespannt sein auf die Facelifts.“

3. Grund: Der Musk-Effekt allein reicht nicht mehr

Dass Tesla sich so lange von Messen fernhielt, passte lange in die Strategie von Tesla-Chef Elon Musk. Der Elektroautohersteller gibt kein Geld für Marketing aus. Selbst Mitarbeiter bekommen keine kostenlosen Fahrzeuge. Auf Twitter, das mittlerweile X heißt, teilte Musk noch 2019 mit, dass er „Werbung hasse“. „Wir nutzen das Geld, um das Produkt besser zu machen.“

Solange Tesla in der Nische unterwegs war, konnte man sich diese Haltung erlauben. Der Musk-Effekt reichte, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Mit seinen breitspurigen Ansagen beherrschte der Milliardär auch ohne Werbung die Schlagzeilen. Allein auf X folgen dem Tesla-Chef 155 Millionen Follower.

Und auch seine anderen Firmen setzte Musk für geschicktes Marketing ein: Wenn Astronauten vor einem Raketenstart von SpaceX mit dem Model X vorfuhren, war das für die Marke wertvoller als ein TV-Werbespot. Doch mit den steigenden Absatzzahlen ändert sich auch das Selbstverständnis: „Tesla wird langsam ein gewöhnliches Unternehmen“, sagt Matthias Schmidt, Gründer des Marktforschers Schmidt Automotive.

Tesla in Deutschland

Auf dem Parkplatz des deutschen Tesla-Werks in Grünheide bei Berlin: Dort läuft ausschließlich das Model Y vom Band.

(Foto: Bloomberg/Getty Images)

Musk will Tesla in den kommenden Jahren zum Spitzenreiter machen: Jährlich sollen die Verkaufszahlen um 50 Prozent steigen, 2030 soll Tesla 20 Millionen Fahrzeuge absetzen – etwa doppelt so viele wie der heutige Marktführer Toyota. Aktuell kommt Tesla auf zwei Millionen verkaufte Autos. Die Marke muss darum auch neue Zielgruppen erreichen, nicht nur auf Automessen.

Schon im Mai 2023 hatte Musk angekündigt, „etwas mehr Werbung auszuprobieren“. Die Asien-Sparte hat zuletzt den ersten Spot mit einer Kundin aus Singapur produziert. Zudem schaltete der Konzern gezielte Onlineanzeigen via Google Ads.

Doch auch bei der neuen Marketingstrategie wird Tesla andere Wege gehen als die Konkurrenz, glaubt Branchenexperte Burgard. „Tesla wird mehr Werbung schalten, aber es wird uns kaum auffallen“, sagt er. Statt Bandenwerbung beim Fußball oder TV-Spots werde es eine digitale Offensive geben. „Ich erwarte hocheffizientes digitales Marketing, das beim Kunden genau zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Werbung ansetzt“, sagt Burgard.

Die nötigen Daten für hochindividuelle Werbung hat Musk bereits. Mit der Übernahme von Twitter und der KI-Kompetenz seines neuen Start-ups X.AI könnte Musk mögliche Autokunden gezielter ansprechen. „Wenn es jemanden gibt, der Marketing-Technologie beherrschen sollte, dann er“, sagt Burgard.

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