Warum der Gesetzesentwurf selbst Befürworter ärgert

Berlin Die Bundesregierung will am Mittwoch die geplante Cannabis-Legalisierung auf den Weg bringen. Am Vormittag soll der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Bundeskabinett beschlossen werden. 

Demnach sollen der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis und der Eigenanbau von maximal drei Pflanzen straffrei werden. Außerdem will die Bundesregierung den Anbau und die Abgabe der Droge in speziellen Vereinen ermöglichen. Die Einrichtungen und Vereinsmitglieder müssen sich auf strenge Regeln einstellen. Die Pläne müssen nun noch im Bundestag verabschiedet werden und sollen dann 2024 in Kraft treten. 

In einem zweiten Schritt soll auch der Verkauf in Cannabis-Fachgeschäften erprobt werden, allerdings nur in einigen Modellregionen und mit wissenschaftlicher Begleitung. Darauf hatte sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt. Einem flächendeckenden Verkauf in Fachgeschäften, wie er ursprünglich geplant war und insbesondere von deutschen Herstellern erhofft wurde, standen europarechtliche Bedenken entgegen. 

Finn Hänsel, CEO des Berliner Cannabis-Unternehmens Sanity Group, nennt die zeitliche Aufteilung „eine Enttäuschung für die Branche“. So hätten beispielsweise die Pilotprojekte zeitgleich mit den Cannabis-Clubs starten können, so, wie es derzeit in der Schweiz bei den Pilotprojekten vorgemacht werde, sagte er dem Handelsblatt.

Scharfe Kritik an der Cannabis-Legalisierung aus den Bundesländern

Kritische Stimmen gibt es auch in den Teilen der Ampelkoalition, die das Vorhaben maßgeblich vorangebracht haben. „Mit den vom Bundeskabinett beschlossenen Plänen macht die Ampelkoalition bedeutende Fortschritte bei der Cannabis-Legalisierung“, sagte die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke, dem Handelsblatt. „Die Pläne dürften in ihrer jetzigen Form aber zu einem echten Bürokratiemonster werden.“ 

Karl Lauterbach

Der Bundesgesundheitsminister hatte ursprünglich liberalere Pläne für die Legalisierung.

(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Die Abstandsregeln für Cannabis-Clubs würden nur schwer kontrollierbar sein. „Auch die Obergrenze für den Eigenbedarf lehne ich ab“, sagte sie. „Dass für unter 21-jährige Erwachsene geringere Abgabemengen in Cannabis-Clubs gelten als für ältere und der THC-Wert auf zehn Prozent gedeckelt ist, macht den Schwarzmarkt für diese Altersgruppe attraktiver und ist deswegen auch nicht ideal.“

>> Lesen Sie mehr: Das soll sich beim Konsum, Kauf und Besitz von Cannabis ändern

Erklärtes Ziel der Cannabis-Legalisierung sei schließlich, den Schwarzmarkt auszutrocknen. „Das wird mit den vorliegenden Plänen nicht im Ansatz vollständig gelingen“, kritisierte Lütke.

Hintergrund ist, dass Cannabis-Clubs maximal 500 Mitglieder aufnehmen dürfen und bestimmte Abstände zu Schulen und Kitas einhalten müssen. Zudem ist die Abgabemenge auf 50 Gramm pro Monat beschränkt, unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm. Das Gesetz sieht bei der Freigabe ein Mindestalter von 18 Jahren vor.

Joint

Die Bundesregierung erhofft sich unter anderem, durch eine Legalisierung den Schwarzmarkt einzudämmen.

(Foto: dpa)

Noch deutlichere Kritik kam am Mittwoch aus den Bundesländern. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf, die „Notbremse“ zu ziehen und die Legalisierung zu stoppen.

Selbst in der SPD gibt es großen Unmut. Hamburgs Innensenator Andy Grote sagte am Mittwoch: „Wenn wir irgendetwas jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz.“ Vor wenigen Tagen hatte der Deutsche Richterbund bereits Alarm geschlagen. Die Justiz werde „durch die Gesetzespläne nicht entlastet, sondern eher zusätzlich belastet“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn. 

Cannabis-Legalisierung: Gesetzespläne würden Justiz zusätzlich belasten

„Das sehr kleinteilige Gesetz würde zu einem hohen behördlichen Kontrollaufwand, zu zahlreichen neuen Streitfragen und zu vielen Verfahren vor den Gerichten führen“, sagte Rebehn. Zudem würde der Schwarzmarkt nicht zurückgedrängt. Da der Eigenanbau und die Abgabe in den speziellen Vereinen einige Hürden hätten, „dürfte auch die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt im Sog des Cannabisgesetzes wachsen“.

Das Bundesgesundheitsministerium rechnet durch die geplante Cannabis-Legalisierung dagegen mit einer Kostenentlastung bei Strafverfolgungsbehörden, Gerichten und Gefängnissen von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Die Regierung argumentiert, dass die bisherige Cannabis-Kontrollpolitik gescheitert sei. Lauterbach hat zudem angekündigt, die Legalisierung mit einer Präventionskampagne zu flankieren, um über Risiken des Cannabiskonsums aufzuklären.

Ob eine Präventionskampagne allerdings ausreicht, ist zumindest aus Sicht von Medizinerverbänden fraglich. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde verweist beispielsweise darauf, dass die Hirnreifung erst mit etwa Mitte 20 abgeschlossen sei und ein früherer Cannabiskonsum etwa das Risiko für Psychosen erhöhen könne. 

Aus psychiatrischer und neurobiologischer Sicht sollte die Altersgrenze für den Zugang nach Ansicht des Verbands daher nicht unter 21 Jahren liegen. Auch Verbände der Kinder- und Jugendmedizin lehnen den Gesetzentwurf in einer Stellungnahme „entschieden“ ab. Ähnlich argumentiert die Bundesärztekammer.

Hersteller hoffen auf weniger Bürokratie bei der Verschreibung von Cannabis

Die Hersteller setzen hingegen große Hoffnungen darauf, dass medizinisches Cannabis künftig nicht mehr als Betäubungsmittel, sondern wie ein normales Rezept verschrieben werden muss. Von den gesetzlichen Krankenkassen wurden im vergangenen Jahr Verordnungen in Höhe von fast 200 Millionen Euro erstattet. Hinzu kommt ein großer Anteil an Selbstzahlern sowie Privatpatienten. Die Hersteller erwarten nun, dass sich der Markt durch die Legalisierungspläne im kommenden Jahr verdoppeln oder sogar verdreifachen könnte.

„Dies wird nicht nur für Patienten deutliche Erleichterungen bringen“, sagte Sanity-Group-CEO Hänsel. „Wir erwarten dadurch auch einen starken Effekt auf den medizinischen Markt – durch den geringeren bürokratischen Aufwand bei der Verschreibung und damit auch die höhere Relevanz von Telemedizin wird es zu deutlichen Vereinfachungen gegenüber heute kommen.“

Mehr: Regeln für Gras auf Rezept sollen lockerer werden

source site-14