Ist Kolumbiens Präsident noch ein zuverlässiger Partner?

Gustavo Petro

Der kolumbianische Präsident hatte sich unter anderem ein neues Konzept für die Friedensverhandlungen mit den vielen bewaffneten Gruppen im Land vorgenommen.

(Foto: Reuters)

Mexiko-Stadt Eigentlich hat Kolumbiens Präsident Gustavo Petro schon bald einen Grund zum Feiern, schließlich steht sein erster Jahrestag im Amt an. Stattdessen gerät er durch die Verhaftung seines ältesten Sohnes am Wochenende weiter unter Druck. Die kolumbianische Justiz wirft Nicolás Petro Geldwäsche und illegale Bereicherung vor. Auch dessen Ex-Frau Day Vásquez wurde festgenommen.

Beobachter warnen vor den Konsequenzen für den Präsidenten. Unter ihnen ist Sergio Guzmán, Direktor der Beratungsfirma „Colombia Risk Analysis“. „Der Skandal schadet seiner Legitimität und seinem Kampf gegen den Einfluss des Drogenhandels in der Politik“, sagt er. Es werde Petro jetzt noch schwerer fallen, seine Projekte durchzusetzen.

Der Skandal kommt für Petro zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Gerade erst hatte die EU bis Ende 2027 mehr als 45 Milliarden Euro an Investitionen in Partnerländer in Lateinamerika und der Karibik angekündigt, darunter auch Gelder für den Bau einer Metrolinie in Kolumbien.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte erklärt, es brauche Partner, „denen wir vertrauen können“. Die EU wolle mit Ländern Handel treiben, „die gemeinsame Werte und Prioritäten teilen und sich kurz- und langfristig als zuverlässig erweisen“.

Konkret beschuldigt die Justiz in Kolumbien Nicolás Petro, im Rahmen des Wahlkampfs 2022 eine Milliarde Pesos (230.000 Euro) für die Kampagne seines Vaters angenommen zu haben, unter anderem von Unternehmern aus dem Dunstkreis des Drogenhandels und des Zigarettenschmuggels.

Nicolás Petro war wichtiger Helfer im Wahlkampf

Diese Treffen mit den Geschäftsleuten fanden angeblich jedoch hinter dem Rücken des Vaters statt. Zudem floss das erhaltene Geld nicht auf offizielle Konten oder in den Wahlkampf. Vielmehr habe der 37-jährige Sohn die Gelder für sich selbst behalten.

Nicolás Petro war wichtiger Helfer seines Vaters während der Präsidentschaftswahlkämpfe 2018 und 2022. Dazwischen kandidierte er 2019 als Gouverneur im nördlichen Departement Atlántico. Er wurde damals Zweiter, was ihm aber das Recht zugestand, ins regionale Parlament als Abgeordneter einzuziehen.

„Als Person und Vater schmerzt mich so viel Selbstzerstörung und dass einer meiner Söhne ins Gefängnis muss“, kommentierte der erste linke Staatschef Kolumbiens die Festnahme auf Twitter.

Als Präsident versichere er, dass die Staatsanwaltschaft von seiner Seite alle Garantien habe, um das Verfahren dem Gesetz entsprechend zu führen.

Die Festnahme seines Sohnes ist ein weiterer schwerer Schlag für Gustavo Petro und seinen „Pacto Historico“, zumal Ende Oktober die Gouverneurswahlen anstehen. Petro trat sein Amt nach einer desaströsen Präsidentschaft seines rechten Vorgängers Iván Duque mit viel Hoffnung, großer Zustimmung und dem Versprechen an, Kolumbien gerechter zu machen.

>> Lesen Sie hier: Warum Südamerika dem Kanzler so wichtig ist

Im Zentrum seiner Politik sollten etwa ein neues Konzept für Friedensverhandlungen mit den vielen bewaffneten Gruppen im Land und die Armutsbekämpfung stehen. Auch der grüne Umbau der Wirtschaft sollte ein Schwerpunkt sein. Für dieses Vorhaben sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dem Land im März Unterstützung beim Kohleausstieg und beim Aufbau einer Wasserstoffindustrie zu.

Doch Petro hat Probleme, seine großen Wahlversprechen umzusetzen. Die versprochenen Reformvorhaben kommen nicht vom Fleck. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für das laufende Jahr eine Inflation von 10,9 Prozent. Petros Umfragewerte sinken rapide.

Petros Regierung kämpfte mir Abhörskandalen und Rücktritten

Dem 63-Jährigen ist es bislang nicht gelungen, die vielen paramilitärischen Gruppierungen zu entwaffnen. Ein ausgehandelter Waffenstillstand mit der linken Guerillagruppe „Nationales Befreiungsheer“ (ELN) soll zwar im August in Kraft treten. Aber die Gespräche mit der mächtigen Verbrecherbande „Clan del Golfo“ scheiterten vorerst daran, dass sie nicht zu Zugeständnissen bereit ist. Zudem steigt die Kokainproduktion weiter an.

Petros linke Koalition hat im Kongress weder die Steuer- noch die Arbeitsgesetzgebung entscheidend voranbringen können. Zudem wurde seine Regierung von Abhörskandalen und dem Rücktritt engster Mitarbeiter erschüttert. Petro baute sein Kabinett bereits einmal umfassend um. Die Opposition boykottiert all seine Projekte und wendet sich in eine ultrarechte Richtung.

Nicolás Petro

Seine Festnahme bringt seinen Vater in Bedrängnis.

(Foto: via REUTERS)

Auch die Bevölkerung sympathisiert Umfragen zufolge mit einem harten Vorgehen gegen Drogenbanden und linke Guerilla. Politiker loben offen das autoritäre Modell von El Salvadors Präsident Nayib Bukele, der Mitglieder der Jugendbanden zu Zehntausenden unter Missachtung von Demokratie und Rechtsstaat ins Gefängnis werfen ließ.

Petro muss sich derweil gleich auf einen nächsten möglichen Skandal in seiner Partei vorbereiten: Die Justiz ermittelt auch gegen Juan Fernando Petro, den Bruder des Präsidenten, wegen ähnlicher Vorwürfe der Geldwäsche und Vorteilsnahme.

Mehr: Warum Europa in Lateinamerika immer schlechtere Chancen hat

source site-12