Wie das Espresso-Imperium China erobern will

Paris Das Timing für Lavazzas Chinastart hätte schlechter kaum sein können: „Wir wollten den ersten Laden in Shanghai am 14. Februar 2020 eröffnen“, erzählt Verwaltungsratschef Giuseppe Lavazza. Kurz darauf wurde China wegen Corona abgeschottet, zwei Jahre lang konnte praktisch niemand dorthin reisen.

Im vergangenen Jahr öffnete sich das Land wieder – und die Expansion der italienischen Kaffee-Dynastie konnte starten. „Bis Ende 2022 hatten wir dort 80 Filialen eröffnet, mittlerweile sind es 100“, sagt der 57-Jährige. Bis Ende dieses Jahres sollen es 200 werden, bis 2026 will Lavazza sogar auf stolze 1000 Läden kommen. „Das Tolle daran ist, dass wir sie nicht eröffnen, weil wir sie eröffnen müssen – sondern weil sie funktionieren.“

1895 als kleine Rösterei in Turin gegründet, ist das Unternehmen noch immer in Familienbesitz und heute in vierter Generation eines der größten Kaffeeimperien der Welt. Lavazza spielt längst in einer Liga mit der JAB Holding der Reimanns (Jacobs), mit dem Nestlé-Konzern (Nespresso) und der US-Kette Starbucks. Das Unternehmen ist heute in 140 Ländern aktiv und beschäftigt rund 5500 Mitarbeiter – und experimentiert längst mit Technologien wie Blockchain und Künstlicher Intelligenz (KI).

Italien ist zwar immer noch das wichtigste Land, macht aber nur noch etwas mehr als ein Viertel des Umsatzes aus. Einer der größten Wachstumstreiber ist China. „Es handelt sich um eine besondere Art des Konsums, man geht dort auch in den Coffeeshop, um eine Erfahrung zu machen, Bilder für Instagram“, sagt Lavazza. Er fand mit Yum China einen starken Partner, der an der New Yorker Börse notiert ist und 400.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Gemeinsam gründeten sie ein Joint Venture, an dem Lavazza 35 Prozent der Anteile hält. Yum, einer der größten Gastronomie-Player weltweit, ist in China auch Eigentümer der amerikanischen Fast-Food-Ketten Pizza Hut und KFC. „Sie haben in den vergangenen Jahren versucht, ein eigenes Kaffee-Angebot mit einer von ihnen erfundenen Marke zu entwickeln, aber waren damit nicht erfolgreich – daher kamen sie zu uns“, erklärt Lavazza, der in der firmeneigenen Lounge auf dem Gelände der French Open empfängt – seit Jahren sponsern die Italiener das Tennisturnier.

Preissteigerungen im Jahr 2022 drückten auf die Marge

Rückblickend ist Lavazza stark durch die Pandemie gekommen. 2021 entpuppte sich trotz Lockdowns und Barschließungen als neues Rekordjahr. Bei Lavazza ging man davon aus, dass der Einzelhandel im Jahr 2021 wieder schrumpfen würde – stattdessen ist er weiter gewachsen. „Die Nachfrage hat sich stark erholt, die Kosten waren noch die gleichen wie 2020.“ Das vergangene Jahr war ungleich schwieriger: „Es kam zu einer ersten starken Inflationswelle bei Transportkosten, der Verfügbarkeit von Rohstoffen, verschiedenen Materialien, Halbleitern und Chips.“

Giuseppe Lavazza

Der Verwaltungsratschef führt die Dynastie in vierter Generation.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wie viele andere Unternehmen auch kämpfte Lavazza mit schrumpfenden Margen. Der Umsatz stieg zwar an, auf 2,7 Milliarden Euro, ein Plus von 400 Millionen Euro im Vorjahresvergleich. Doch der Gewinn vor Steuern (Ebitda) sank um drei Millionen auf nun 309 Millionen Euro.

Die Perspektiven aber sind gut: Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Straits Research soll der globale Kaffeemarkt bis 2030 pro Jahr um knapp fünf Prozent wachsen und dann ein Volumen von mehr als 182 Milliarden Dollar haben. 2021 lag dieser Wert noch bei rund 120 Milliarden.

Das liegt auch an neuen Käuferschichten: „Das Kaffeetrinken in Cafés, Büros und anderen gastronomischen Betrieben wird unter Millennials zunehmend zum Symbol für Mode und zur Gelegenheit zum Sozialisieren“, schreiben die Analysten von Mordor Intelligence in ihrem jüngsten Report über den europäischen Kaffeemarkt. Sie erwarten, dass der „steigende Kaffeekonsum unter Millennials das Wachstum des Kaffeemarktes weiter ankurbelt“.

In Deutschland Marktführer bei Espressobohnen

Für das laufende Jahr gibt sich Lavazza trotzdem zurückhaltend: „Wegen der unklaren Lage und der Geldpolitik der Zentralbanken könnte auch 2023 in einigen Fällen zu niedrigeren Ergebnissen führen.“ Im aktuellen Geschäftsbericht listet das Unternehmen weitere Risiken auf: steigende Preise für den Rohstoff Kaffee, für Verpackungen, Energie, Erdgas, Logistik und Mieten.

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Doch das langfristige Ziel verliert Lavazza trotzdem nicht aus den Augen: Bis 2026 will er die Schwelle von vier Milliarden Euro Umsatz brechen. Mit der Übernahme von Maxicoffee in Frankreich, die noch im Laufe des Jahres abgeschlossen sein soll, geht er große Schritte in diese Richtung.

Neben China wächst derzeit Osteuropa besonders stark, vor allem Polen, aber auch Bulgarien, Rumänien, die baltischen Republiken, selbst Griechenland. „Wir wollen wachsen und uns entwickeln, neue Allianzen schließen wie in China, uns neue Märkte erschließen.“

Auch das Deutschlandgeschäft läuft stark. 1989 öffneten die Lavazzas hier eine Niederlassung, die zweite im Ausland nach Frankreich, 1990 folgten die USA und Großbritannien. „Während in Frankreich und vor allem auch in den USA die ersten Jahre sehr schwierig waren, hat sich der deutsche Markt von Anfang an gerechnet“, blickt Lavazza zurück. Besonders stark ist die Präsenz im Einzelhandel, ein Großteil des Umsatzes läuft über den Heimkonsum für Kaffeeautomaten.

„Die Deutschen haben eine besondere Vorliebe für Italien, für unsere Lebensmittel, aber auch für die Erfahrungen, die sie bei uns im Urlaub machen“, sagt Lavazza. Er verkaufe nicht einfach nur eine Tasse Kaffee, sondern „eine Welt, in der Erinnerungen aufleben“.

Mittlerweile ist Lavazza die Nummer eins bei Espressobohnen, hat in Deutschland einen Marktanteil von 23,1 Prozent. Der Umsatz lag 2022 bei mehr als 300 Millionen Euro, ein Plus von 21,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Deutschland war für uns eines der stärksten Länder.“

Künstliche Intelligenz könnte Kosten für die Lieferkette reduzieren

Neben der Expansion beschäftigt sich Lavazza auch intensiv mit Künstlicher Intelligenz (KI). „Ich sehe sie in erster Linie als Katalysator“, sagt er. Sie werde Geschäftsprozesse revolutionieren, die Logistik, Automatisierung von Anlagen, Prognosen auf allen Ebenen, Planung und Bestandsmanagement. „KI wird auch die Art und Weise revolutionieren, wie wir miteinander arbeiten.“

Kaffeebohnen

Lavazza ist die Nummer eins bei Espressobohnen in Deutschland, hat einen Marktanteil von 23,1 Prozent.

(Foto: imago/Future Image)

Vor Kurzem wurde das Board mit frischen Köpfen besetzt. Neu bei den unabhängigen Mitgliedern ist Silvia Candiani, CEO von Microsoft Italia. „Wir haben eine sehr enge Beziehung zu Microsoft, sie sind ein Partner, der uns bei wichtigen Projekten der Stiftung unterstützt, etwa in Kolumbien“, sagt Lavazza.

KI könnte künftig auch bei den Kaffeeproduzenten neue Möglichkeiten bieten. „Wir schaffen derzeit schon mit der Blockchain ein neues Tool, um unsere Rohstoffe vom Herkunftsland bis zum Verkauf im Supermarkt transparent nachverfolgen zu können.“

Die KI könnte dabei helfen, die Daten noch intelligenter zu nutzen, die Qualität weiter zu erhöhen und die Kosten für die Lieferkette zu reduzieren. Auch die Kundenbeziehung könnte sich laut Lavazza verändern: aus einer Kombination von KI und der Konnektivität des Internets der Dinge, „die schon heute in einigen Geräten wie unseren Kaffeemaschinen angewandt wird“.

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