Wie Aldi Lidl in den USA weiter abhängt

New York In Deutschland sind die Discounter Lidl und Aldi etwa gleichstarke Rivalen. In den USA hingegen hat der eine den anderen klar abgehängt: Während Aldi Süd mit Tausenden Läden vertreten ist, kommt Lidl in den Vereinigten Staaten auf gerade einmal 172 Filialen. Und eine Übernahme baut diese Dominanz weiter aus.

In der vergangenen Woche hat Aldi Süd die US-Kette Southeastern Grocers gekauft. Damit soll das Netz des Discounters um weitere 400 Märkte auf dann 2800 Filialen anwachsen. Aktuell firmieren die übernommenen Läden im amerikanischen Südosten noch unter den Marken Winn-Dixie und Harveys. Einige könnten allerdings zum Aldi umgebaut werden. In den Bundesstaaten Florida und Georgia ist der deutsche Discounter damit noch präsenter.

Bei Konkurrent Lidl herrscht dagegen Krisenstimmung im US-Geschäft. Zuletzt mussten elf Filialen geschlossen werden. Dazu kommen permanente Führungswechsel: Joel Rampoldt, der ab September die Führung übernehmen soll, ist mittlerweile der fünfte Landeschef, seit Lidl vor sechs Jahren in die USA kam.

„Aldi hat von Anfang an alles richtig gemacht und Lidl von Anfang an viel falsch“, sagt Berater David Marcotte von Kantar Consulting. Der Discounter aus Mülheim an der Ruhr hat die USA bereits früh als Markt entdeckt: Schon 1976 eröffnete Aldi Süd die erste Filiale – ausgerechnet im einwohnerarmen Bundesstaat Iowa.

Die Standortwahl war für viele damals überraschend. „Niemand, der in den USA expandieren will, geht nach Iowa. Und doch war es genau richtig“, erinnert sich Branchenexperte Marcotte. Denn in Iowa konnte Aldi ohne viel Konkurrenz das eigene Geschäftsmodell für die US-Kundschaft optimieren.

Discounter in den USA: Was macht Aldi besser als Lidl?

Das Modell des deutschen Discounters aus dem Ruhrgebiet war den meisten Amerikanern damals unbekannt. Dominiert wurde das US-Geschäft von Riesenmärkten wie von Walmart. Billiganbieter wie Dollar Store boten meist eine sehr breite Produktpalette an – von der Gartenausrüstung bis zu den Cornflakes.

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Über Jahre konnte Aldi seine Produkte an die amerikanischen Einkaufsgewohnheiten anpassen und seine Läden so gestalten, dass die Leute dort gerne einkaufen. In einem US-Aldi haben Kunden beispielsweise deutlich mehr Möglichkeiten, ihre Wege durch den Markt abzukürzen und werden nicht durch die gesamten Regalreihen geschickt.

Es wurde für den deutschen Discounter eine Erfolgsgeschichte unter dem Radar der Konkurrenz. Aldi sei stets organisch, vorsichtig und vor allem ohne großes Aufsehen gewachsen, sagt Branchenexperte Marcotte. „Die Konkurrenten haben erst vor 15 Jahren bemerkt, dass Aldi überhaupt da ist.“ Bis heute wüssten viele US-Einzelhändler nicht, wie sie mit Aldi umgehen sollen.

Während Aldi wächst, sind die Aussichten von Lidl aus Sicht des Experten schlecht. „Ich würde mich nicht wundern, wenn Lidl in fünf Jahren nicht mehr auf dem US-Markt ist“, sagt Marcotte. Denn bislang konzentriert sich der Händler aus Neckarsulm in Württemberg auf die kaufkräftige Ostküste der USA. Doch dort ist die Konkurrenz groß und sind die Immobilienpreise hoch.

Lidl sei auch an den eigenen Versprechen gescheitert. Bei der Expansion habe man den US-Kunden vollmundig eine „völlig neue Supermarkterfahrung“ angekündigt. Die Kunden seien dann aber enttäuscht gewesen, als sie die Filialen besuchten, berichtet der Berater. Schon die Backwaren am Eingang seien für die meisten US-Amerikaner ein zu ungewohntes Einkaufserlebnis gewesen.

Lidl-Neueröffnung in New York 2022

Der Discunter konzentriert sich auf die kaufkräftige Ostküste der USA.

(Foto: ddp)

Bei der Wahl der Niederlassungen habe Lidl ebenfalls keine gute Hand gehabt: Die Läden seien zu groß und lägen mitunter auch in Industriegebieten.

Das funktioniere zwar in Europa, aber nicht in den USA. „Impuls-Shopping ist bei Amerikanern wichtig“, erklärt Marcotte. „Wenn sie am Highway kein Schild sehen, finden sie Lidl gar nicht.“

Discounter werden in den USA immer beliebter

Und der Erfolg kommt auch trotz Führungs- und Strategiewechseln nicht. Um magere 0,7 Prozent konnten die Besucherzahlen von Januar bis Juli zulegen, zeigen Daten des Marktforschungsunternehmens Placer.ai. Beim deutschen Konkurrenten ist die Zahl der Besucher dagegen um sechs Prozent gewachsen.

Dabei sind die Amerikaner heute offener denn je gegenüber Discountern. Als Aldi Süd in die USA kam, war das Konzept der deutschen Discounter für Amerikaner völlig neu: Sie waren Service, schöne Läden, eine riesige Auswahl und vor allem ihre bekannten Marken gewöhnt. Mit Hausmarken konnten sie wenig anfangen.

Heute sieht das anders aus: Eigenmarken gewinnen in Zeiten hoher Inflation immer mehr Marktanteile.

„Unsere Daten zeigen, dass die Verbraucher sich dieses Jahr verstärkt Ketten mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis zuwenden“, sagt R. J. Hottovy, Research-Chef bei Pacer.ai.

Auch Aldi Nord ist mit Trader Joe’s gut in den USA positioniert

Die neue Vorliebe der Amerikaner für Eigenmarken komme nicht nur Aldi Süd, sondern auch Aldi Nord zugute, meint Hottovy.

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Mit den Supermärkten von Trader Joe’s ist auch das Geschwisterunternehmen auf dem US-Markt präsent. Aldi Nord hatte den Edel-Discounter mit Kultstatus bereits 1979 übernommen.

80 Prozent der Trader-Joe’s-Produkte seien Eigenmarken, die günstiger sind als die vergleichbare Markenware. „Damit scheint Trader Joe’s im aktuellen inflationären Umfeld gut positioniert“, meint der Marktforscher. Tatsächlich sei die Handelskette einer der großen Gewinner unter den US-Discountern und konnte den Marktanteil sowohl bei Geringverdienern als auch Besserverdienern steigern.

Trader Joe’s in New York

Auch Aldi Nord profitiert vom US-Geschäft.

(Foto: PR)

Während Aldi Nord und Aldi Süd weiter expandieren, muss sich Lidl erst einmal neu sortieren. Berater Marcotte hat allerdings wenig Hoffnung auf einen erfolgreichen Neuanfang „Wenn sie sich nicht von der Atlantikküste wegbewegen, sehe ich wenig Chancen.“

Lidl selbst sieht aber wenig Anlass zur Expansion in den Westen: „Wir arbeiten weiterhin mit viel Engagement am langfristigen Erfolg des Unternehmens in den USA und der Expansion entlang der US-Ostküste“, teilte Lidl auf Anfrage mit. Der Lidl-US-Chef Rampoldt sei „mit seiner umfassenden und langjährigen Expertise für den Handel und für Wachstumsstrategien eine hervorragende Ergänzung für Lidl in den USA“. Zu den Details der US-Strategie äußerte sich das Unternehmen nicht.

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