Telekom-Chef droht mit höheren Investitionen in den USA – zulasten von Deutschland

Hamburg Die Deutsche Telekom hat trotz schwieriger Marktbedingungen solide Geschäftszahlen für das jüngste Quartal präsentiert. Während Wettbewerber wie Vodafone unter einer schwelenden Krise leiden, gab sich Telekom-Chef Timotheus Höttges gewohnt selbstbewusst und erneuerte seine politischen Appelle. „Unsere Kunden halten uns die Treue“, sagte Höttges am Donnerstag, das Kerngeschäft sei stabil.

Die Telekom profitierte dabei auch im vergangenen Quartal vor allem von den Erfolgen der US-Tochter T-Mobile, die mehr als zwei Drittel des Konzerngewinns erwirtschaftet. Höttges betonte trotz des Ungleichgewichts die „transatlantische Zusammenarbeit“ im Konzern, deren Grundlage ihm zunehmend Sorgen bereite. Wenn sich die Rahmenbedingungen in Europa nicht besserten, so Höttges, sehe er sich dazu gezwungen, „unsere Chancen noch stärker in den USA zu suchen“. Am Donnerstag drohte er mehrfach indirekt damit, die Infrastrukturinvestitionen in Deutschland herunterzufahren.

Die Zahlen für das abgelaufene Quartal, die Höttges und Finanzvorstand Christian Illek vorlegten, waren durchwachsen. So hat die Telekom im vergangenen Quartal mehr Kunden gewonnen und den operativen Gewinn nach Leasingkosten und Abschreibungen gesteigert. Das sogenannte Ebitda AL wuchs um 1,5 Prozent auf zehn Milliarden Euro. Die Anzahl der Mobilfunk-Vertragskunden stieg in Deutschland um 4,2 Prozent auf knapp 24,4 Millionen und in den USA gar um 7,1 Prozent auf 95 Millionen.

Die Werte für Vertragskunden sind besonders wichtig, da sie kontinuierliche wie hohe Einnahmen versprechen. Die Gesamtzahl der größtenteils abgeschriebenen und deshalb rentablen Festnetzanschlüsse in Deutschland sank jedoch leicht um 17.000 auf 17,33 Millionen.

Die Telekom wachse beständig, betonte Chef Höttges – „außer beim Konzernumsatz“. Dieser ist im abgelaufenen Quartal um 2,4 Prozent auf 27,2 Milliarden Euro zurückgegangen. Verantwortlich dafür sei das Leasing-Geschäft mit Mobiltelefonen in den USA, das absichtlich weiter zurückgefahren wurde, hieß es. Bei den besonders relevanten Serviceumsätzen verzeichnete T-Mobile zwar ein Wachstum in Höhe von 2,8 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr halbierte sich die Aufwärtsdynamik hier jedoch.

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Der bereinigte Überschuss brach gar um fast 23 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro ein, was Finanzchef Illek vor allem mit Sondereinflüssen im Vergleichszeitraum des Vorjahrs erklärte. Bewertungs- sowie Zinseffekte hätten 2022 zu außerordentlich positiven Werten geführt, die Optionen auf den Erwerb von weiteren T-Mobile US-Aktien seien damals zum Beispiel höher bewertet worden.

Die Telekom hat ihren Anteil an der US-Tochter seitdem aufgestockt und hält mittlerweile 51,3 Prozent Aktien. Die kontinuierliche Zunahme ist jedoch vor allem auf das Aktienrückkaufprogramm von T-Mobile zurückzuführen: Da es immer weniger Aktien gibt, erhöht sich der Anteil der Telekom automatisch.

Mit Blick auf die erfolgreiche Geschäftsentwicklung in den USA hatte Höttges immer wieder die relativ strikte, kundenfreundliche Regulierung der Telekommunikationsmärkte in Europa kritisiert. Diese stelle ein – potenziell wachsendes – Investitionshemmnis dar, sagte Höttges auch am Donnerstag.

Der CEO bezog sich dabei auf die aus seiner Sicht „absurde“ Debatte um die Einführung einer sogenannten Diensteanbieterverpflichtung, die kleineren Anbietern wie Freenet günstige und zuverlässige Zugänge zu den Netzen von Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland bieten würde. „Wir regulieren an den Problemen vorbei“, sagte Höttges. Die eigenen Endkundenpreise wolle er in Deutschland vorerst nicht anheben, sagte der Telekom-Chef.

Auch den jüngst verkündeten Roaming-Deal zwischen Vodafone und 1&1 kritisierte er. Das sei „nicht gut für den deutschen Mobilfunkmarkt“. Intern habe man diesbezüglich bereits „ein Wargaming aufgesetzt“, um die negativen Effekte auf das eigene Geschäft besser abschätzen zu können. 1&1, das derzeit ein eigenes 5G-Netz aufbaut, werde „von der Politik gepampert“, klagte Höttges.

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Der bereits sehr hohe Schuldenstand der Telekom ist im vergangenen Quartal weiter gestiegen. Die Nettoverbindlichkeiten des Konzerns legten von April bis Juni um mehr als drei Milliarden Euro auf nun fast 137 Milliarden zu.

Im vergangenen Jahr hatte die Telekom die Mehrheit ihres Funkturmgeschäfts an US-Investoren verkauft und damit im Februar 10,7 Milliarden Euro eingenommen. Die Summe floß weitestgehend in den Schuldenabbau. Dem gegenüber stehen mittlerweile zusätzliche Aufwendungen in Höhe von 7,6 Milliarden Euro für das Aktienrückkaufprogramm bei T-Mobile US. Weitere 5,5 Milliarden Euro wurden in der ersten Jahreshälfte für Dividendenzahlungen und Leasingkosten ausgegeben.

Sinkende Investitionen, gesättigter US-Markt

Die Gesamtinvestitionen (Cash Capex) gingen unterdessen sowohl im Vergleich zum Vorjahr als auch zum Vorquartal stark zurück, trotz des teuren Glasfaserausbaus in Deutschland. So wendete die Telekom in den vergangenen drei Monaten konzernweit rund 4,6 Milliarden Euro auf, 9,3 Prozent weniger als 2022. Geringeren Investitionen für den bereits weit fortgeschrittenen 5G-Mobilfunkausbau in den USA (minus 25 Prozent) stehen hier steigenden Personal- und Tiefbaukosten in der Heimat gegenüber (insgesamt plus 27,1 Prozent). In Deutschland zählt die Telekom nun 833.000 Kunden, die einen echten Glasfaseranschluss gebucht haben. Das sind gut 60.000 mehr als im Vorquartal.

Konzernchef Höttges zeigte sich optimistisch – auch wenn sich die Geschäftsbedingungen zuletzt in Deutschland wie in den USA eingetrübt hatten. „Trotz komplexer Marktumfelder“ gehe er von einer positiven Entwicklung aus. Telekommunikationskonzerne leiden in beiden Ländern unter steigenden Zinsen sowie der anhaltend hohen Inflation.

Der US-Markt gilt zudem als weitgehend gesättigt. Der neue Anbieter Dish, der seit Kurzem mit Amazon zusammenarbeitet, könnte zusätzlich die Preise drücken. Trotz dieser Risiken erhöhte die Telekom ihre Gewinnprognose (Ebitda AL) für das laufende Jahr leicht auf 41 Milliarden Euro.

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Kritikern von Höttges US-Strategie, die eine zunehmende Abhängigkeit von T-Mobile beklagen, stellte sich der Telekom-Chef am Donnerstag trotzig entgegen. „Erfolg schafft bekanntlich Neider, sie streuen Zweifel“, sagte er abweichend vom Redemanuskript. Medien würden der Telekom „ein Amerikaproblem andichten“.

Der Manager räumte zwar ein, dass seine Strategie Risiken berge, sprach aber von „einem Luxusproblem“. „Ich sage deshalb aus voller Überzeugung: Ich würde in den USA alles genauso wieder so machen.“

Vor allem aufgrund von Sorgen um die Zukunft des US-Geschäfts war der Kurs der T-Aktie Anfang Juni um mehr als neun Prozent eingebrochen und setzte die Abwärtsbewegung seitdem weiter fort. Am Donnerstagvormittag verbilligten sich die Papiere abermals.

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