So sehr trifft die Immobilienkrise den Konzern

Frankfurt, Düsseldorf Ein Aufbruchssignal sieht anders aus. Die anhaltende Immobilienkrise hinterlässt bei Deutschlands größtem Wohnungskonzern Vonovia abermals tiefere Spuren: Der Bochumer Dax-Konzern muss den eigenen Immobilienbestand im zweiten Quartal um weitere 2,7 Milliarden Euro auf 88,2 Milliarden Euro abwerten. Unter dem Strich schrieb Vonovia von April bis Juni einen Verlust von rund zwei Milliarden Euro nach einem Gewinn von 1,8 Milliarden Euro vor Jahresfrist.

Deutschlands größtem Wohnimmobilienkonzern machen damit wie auch der gesamten Branche eine hohe Inflation, teure Baukosten sowie steigende Zinsen massiv zu schaffen. Seit Monaten sinken die Preise für Häuser und Wohnungen – auch wenn der Preisrutsch zuletzt etwas nachgelassen hat. Umso gespannter blickte die Branche auf die Vonovia-Zahlen, die allerdings keine Entwarnung boten.

Die Entwicklung der Immobilienwerte von Vonovia sei auch im zweiten Quartal rückläufig gewesen, räumte Konzernchef Rolf Buch in Bochum ein. Allerdings habe sich der Trend gegenüber dem Vorquartal abgeschwächt. Vonovia hatte bereits im ersten Quartal eine außerplanmäßige Neubewertung des Portfolios vorgenommen. Der Abwärtstrend bei den großen deutschen Immobilienfirmen hält damit weiter an.

Entsprechend enttäuscht reagierten die Investoren. Die Vonovia-Aktie fiel an der Börse um bis zu vier Prozent. Analysten betrachteten die Zahlen mit gemischten Gefühlen. „Die operative Performance ist klar positiv zu bewerten“, schrieb Karsten Oblinger, Immobilienanalyst der DZ Bank, in einer kurzen Einschätzung. Allerdings habe die erneute milliardenschwere Abwertung über den Erwartungen gelegen.

JP-Morgan-Analyst Neil Green machte zwar Fortschritte aus. So habe man sich frisches Geld zu recht guten Konditionen gesichert und weitere Wertanpassungen vorgenommen. Green sieht allerdings keine größeren Impulse für steigende Kurse.

Vonovia-Chef bleibt optimistisch

Doch Konzernchef Rolf Buch bleibt mit Blick auf den Markt optimistisch. „Es ist eine starke Leistung, dass wir uns in diesem herausfordernden Marktumfeld so gut entwickelt haben“, sagte Buch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen. „Wir sind auch für die weitere Jahresentwicklung positiv gestimmt.“

Für Mieter beinhaltet das jedoch eine schlechte Nachricht. Denn stabilisierend wirkt laut Buch vor allem das Kerngeschäft aus der Vermietung von Wohnungen, das rund 90 Prozent des operativen Gewinns ausmacht. Im Vergleich zum Vorjahresquartal steigt der operative Gewinn aus der Vermietung um 10,3 Prozent.

Der für die Branche wichtige Group FFO (Funds from Operations) – die für die operative Ertragskraft maßgebliche Kennzahl – bleibt nahezu konstant bei 502,2 Millionen Euro. Bei einem Leerstand von unverändert 2,2 Prozent herrsche faktisch Vollvermietung, so Vonovia.

Schwieriger lief es im zweiten Quartal bei den Immobilienverkäufen, nach zwei großen Transaktionen in den ersten drei Monaten. Von April bis Ende Juni sind keine neuen Verkäufe dazugekommen, das Unternehmen kündigte lediglich an, ein neues Portfolio im Norden für ein Joint Venture geschnürt zu haben, für das man nun einen Partner sucht.

Vonovia braucht das Geld aus den Transaktionen, um die Schuldenlast zu senken. Der für die Branche entscheidende Loan to Value (LTV), also der Verschuldungsgrad im Verhältnis zum Wert der Immobilien, steigt weiter leicht von 46,6 Prozent im ersten Quartal auf 46,8 Prozent und liegt nach wie vor über dem selbst gesteckten Zielkorridor von 40 bis 45 Prozent.

Immobilienbranche fürchtet tiefe Krise

Zuletzt waren von den Immobilienfirmen unterschiedliche Signale ausgegangen. Während das zweitgrößte private Wohnungsunternehmen LEG Immobilien Ende Juni wegen Sondereffekten seine Jahresprognose angehoben hatte, überraschten mehrere andere Firmen mit schlechten Nachrichten. So gab der Augsburger Immobilieninvestor Patrizia vor wenigen Tagen die Hoffnung auf eine Erholung des Markts und mehr Transaktionen in der Branche noch in diesem Jahr auf. Der Immobilienfinanzierer Hypoport korrigierte ebenfalls jüngst seine Umsatz- und Gewinnprognosen für das laufende Jahr nach unten.

Große Unterschiede bei der Preisentwicklung von Immobilien

Die Preise für Wohnimmobilien dürften nach Einschätzung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in diesem Jahr nur noch moderat sinken. Er rechnet in einem mittleren Szenario mit einem Rückgang um sechs Prozent, wie aus einer kürzlich in Berlin veröffentlichten Prognose hervorgeht.

Stuttgart

Besonders im Südwesten Deutschlands sei eine stabile bis positive Entwicklung der Immobilienpreise zu erwarten.

(Foto: dpa)

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Wohnimmobilien in Deutschland verbilligen sich seit Monaten, als Auslöser gelten stark gestiegene Zinsen für Finanzierungen und die dadurch gesunkene Nachfrage. Im ersten Quartal fielen die Preise für Häuser und Wohnungen laut Statistischem Bundesamt um 6,8 Prozent zum Vorjahresquartal – es war der stärkste Rückgang seit 23 Jahren. Von 2010 bis 2022 waren die Preise für Wohnimmobilien nach BVR-Angaben im Durchschnitt der deutschen Kreise und Städte um 80 Prozent gestiegen, während die Einkommen nur um 30 Prozent anwuchsen.

Vonovia bis 2024 „faktisch durchfinanziert“

Auch viele Aktien von Immobilienfirmen haben in den vergangenen Monaten deutlich an Wert verloren. Dahinter steckt die Sorge von Investoren, dass die Firmen ihr Portfolio weiter abwerten und notfalls neues Geld über eine Kapitalerhöhung einsammeln müssen.

Deutsche-Bank-Analyst Thomas Rothäusler schrieb aber jüngst in einer Analyse, Wohnimmobilienunternehmen würden den Abwärtszyklus bei den Preisen wahrscheinlich überstehen, ohne neues Kapital aufnehmen zu müssen. Das bestätigte auch Vonovia-Chef Buch am Freitag: „Die Frage nach der Kapitalerhöhung ist obsolet.“ Vonovia sei bis Ende 2024 faktisch durchfinanziert und sehe eine gute Entwicklung.

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