Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz hat Länder, Gemeinden und Opposition zu einem nationalen Kraftakt aufgerufen, um die Wirtschaftskrise und den Umbau zu einer klimafreundlichen Gesellschaft zu bewältigen. „Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch“, sagte er am Mittwoch im Bundestag in der Haushaltsdebatte.
Scholz bot auch der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion einen „Deutschland-Pakt“ an, um Probleme gemeinsam zu lösen. CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnete dagegen die Ampel-Regierung als eigentliches Problem Deutschlands und forderte, auf das Gebäudeenergiegesetz und die Kindergrundsicherung zu verzichten. Er bezeichnete Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen seiner gestrigen „Eisberg-Rede“ als zweiten Oppositionsführer. Die AfD forderte Scholz auf, den Weg zu Neuwahlen frei zu machen.
Kanzler Scholz, mit Augenklappe und immer noch gezeichnet von seinem Sturz beim Joggen, forderte in seiner Rede immer wieder einen Schulterschluss aller Kräfte in Deutschland. Niemand könne zufrieden sein, wenn es kein Wirtschaftswachstum gebe. „Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Also lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln“, sagte er etwa.
„Als Bundeskanzler kann ich einen solchen Aufbruch nicht verordnen.“ Nötig sei „die Bereitschaft aller, wirklich an einem Strang zu ziehen, und zwar in dieselbe Richtung: Bund, Länder, Städte und Gemeinden, Unternehmen und Behörden, Verbände und Gewerkschaften.“ Bürokratischer „Mehltau“ lähme die Wirtschaft, fügte Scholz mit Blick auf die langen Planungsverfahren hinzu.
Der zeitgleich vorgelegte „Deutschland-Pakt“ listet die einzelnen Reformen etwa in den Bereichen Entbürokratisierung, Investitionen und Fachkräfte auf. „Moderne Gesetze, schnellere Verfahren, weniger Bürokratie“ seien die Grundlage für einen Aufschwung, sagte Scholz. Er forderte die Länder auf, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz umzusetzen. Vor allem die kommunalen Ausländerämter gelten als ein Grund für die Verzögerung bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte.
Kein neues Konjunkturprogramm
Ein neues Konjunkturprogramm lehnte der Kanzler gleichzeitig ausdrücklich ab und verwies darauf, dass die Bundesregierung in zahlreichen Bereichen Rekordsummen für Investitionen anbiete. „Ich halte nichts von einem schuldenfinanzierten Strohfeuer namens Konjunkturprogramm, das die Inflationsbekämpfung der EZB konterkarieren würde“, betonte Scholz.
Den Ampel-internen Streit um einen Industriestrompreis sprach der Kanzler nicht direkt an, sondern erwähnte nur erneut, dass vor allem strukturelle Reformen nötig seien, also der Ausbau der Ökostrom-Produktion und der Stromnetze. Zu dem früheren Streit über eine nur eingeschränkte Planungsbeschleunigung im Straßenbau betonte Scholz: Die Deutschland-Geschwindigkeit müsse zum Maßstab „für alle großen Erneuerungsprojekte in unserem Land“ gemacht werden.
Der Bund investiere im nächsten Jahr aus dem Klima- und Transformationsfonds 58 Milliarden Euro etwa in die Wasserstoffwirtschaft, die Halbleiterindustrie, klimafreundliche Mobilität, digitale Infrastruktur und die Sanierung von Gebäuden, erläuterte Scholz.
Dazu kämen 54 Milliarden Euro für bessere Schienen, neue Brücken, schnelles Internet, Ladesäulen, sozialen Wohnungsbau und eine klimaneutrale Wirtschaft. Allein die Bahn erhalte in den kommenden vier Jahren 24 Milliarden Euro an zusätzlichem Investitionsspielraum. „Das ist das größte Investitionsprogramm in so kurzer Zeit seit der Dampflok.“
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Der Kanzler betonte, dass die Bundesregierung auch weiter große Industrieansiedlungen etwa im Chip- und Batteriesektor fördern werde. Er wies den Eindruck zurück, dass Staaten wie die USA Firmen mehr Subventionen anböten. „Gemessen an der Größe unseres Landes und unserer Wirtschaftsleistung können diese Investitionen, kann unser Klima- und Transformationsfonds es durchaus aufnehmen mit seinem amerikanischen Gegenstück.“
Scharfe Kritik aus der Opposition
Oppositionsführer Merz warf der Ampel-Regierung vor, die Bundeswehr trotz des 100-Milliarden-Sondervermögens nicht ausreichend zu finanzieren. Die Regierung habe die Dimension der Zeitenwende noch nicht ausreichend begriffen. Kanzler Scholz räumte ein, dass die Regierung ab 2028 mehr als 25 Milliarden Euro im Verteidigungsetat mehr aufbringen müsse als bisher. Grund ist das Auslaufen von Waffenkäufen durch das Sondervermögen.
Merz kritisierte, die Koalition rede zwar über Bürokratieabbau, aber das Gegenteil zu tun. Ziel sei ein „paternalistischer Staat“, der immer mehr Geld umverteile. Die noch amtierende Linken-Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali monierte, Scholz rede die sozialen Probleme des Landes klein.
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Anders als Merz störte sie sich an zu großen Rüstungsausgaben, nicht an zu kleinen. AfD-Co-Fraktionschef Tino Chrupalla wiederum attackierte vor allem die FDP scharf. Die Liberalen seien „überflüssig“, es werde die Partei „bald nicht mehr geben“. Der Ampel-Koalition warf er vor, sich in der Wahrnehmung von der Realität der Menschen abgekoppelt zu haben. Dies habe Züge „von den letzten Tagen der Volkskammer in der DDR.“
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