Russland nutzt den Niger-Putsch für mehr Einflussnahme in der Sahel-Zone

Putsch in Niger

Die Menschen in der Hauptstadt Niamey laufen mit russischen Flaggen durch die Straßen.

(Foto: dpa)

Riga „Lang lebe Russland“, ruft ein junger Mann in die Kamera, andere in der Menge wiederholen seinen Ruf. Aufnahmen aus Niamey, der Hauptstadt von Niger, zeigen, wie Demonstrierende im Regierungsviertel Russland-Flaggen schwenken.

In Niger hatten am Mittwoch Offiziere der Präsidentengarde den demokratisch gewählten Staatschef Mohamed Bazoum in seinem Palast festgesetzt und für entmachtet erklärt. Am Freitag ernannte sich dann der Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, selbst zum Präsidenten des Nationalen Rats und damit zum neuen Machthaber des Landes.

Schon am Donnerstag waren Hunderte Menschen durch Niamey marschiert, hatten russische Flaggen geschwenkt und Parolen pro Wagner skandiert, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AP. Schnell hatten daraufhin Gerüchte die Runde gemacht, denen zufolge Russland für den Putsch verantwortlich sei – denn die russische Söldnergruppe Wagner ist in den Nachbarstaaten Burkina Faso und Mali aktiv. Belege für die Behauptungen gibt es nicht.

Klar ist aber: Mit dem Putsch in Niger droht der letzte Stabilitätsanker in der Sahelzone wegzufallen, für die EU ist das eine Niederlage. Russland dürfte nun versuchen, seinen Einfluss in der Sahelzone auszuweiten. Die Wagner-Truppen sind dort ohnehin schon stark vertreten.

Der Politikanalyst und Wagnergruppen-Experte John Lechner sieht allerdings derzeit keine Beweise dafür, dass Russland oder Wagner-Söldner direkt in den Putsch involviert gewesen wären, wie er der US-Zeitung Washington Post sagte. Es sei aber unvermeidbar, dass sowohl pro- als auch antirussische Kräfte versuchen werden, die Situation für ihre eigenen Zwecke zu nutzen, so Lechner. Russland versucht insbesondere seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine, afrikanische Staaten vermehrt an sich zu binden. Davon will Moskau auch wirtschaftlich profitieren.

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Einer Studie des Africa Centre for Strategic Studies zufolge ist der Einfluss Russlands vor allem in jenen Ländern groß, in denen die Wagner-Miliz agiert. Dazu gehören Mali, Simbabwe, Sudan und die Zentralafrikanische Republik. Vor einigen Wochen hatte Russlands Präsident Putin zugegeben, dass Moskau die Aktivitäten der Miliz in der Vergangenheit finanzierte.

Auch Russland verurteilt Putsch

Samuel Ramani, Politikanalyst und Russlandexperte an der Universität Oxford, urteilt, dass Russland den Putsch eher ausnutze, anstatt ihn angezettelt zu haben. „Lokale Dynamiken wie die Verteilung von Ressourcen an das Militär“ sowie „Spannungen“ zwischen Bazoum und dem Militär bei der Terrorismusbekämpfung seien die Ursache für den Putsch, so Ramani.

Westliche Regierungen hatten den Putsch verurteilt. Die EU drohte den neuen Machthabern am Freitag damit, ihre Hilfszahlungen zu beenden. Präsident Bazoum war 2021 demokratisch gewählt worden. In einer Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell heißt es: Man unterstütze die laufenden Bemühungen, eine sofortige Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zu ermöglichen und fordere, dass die Sicherheit und Bewegungsfreiheit von Präsident Mohamed Bazoum bedingungslos gewährleistet werde. Dabei stehe man weiter an der Seite des nigrischen Volkes.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell

Die Europäische Union drohte damit, die Hilfszahlungen an Niger einzustellen.

(Foto: Reuters)

Für die EU ist die Lage in Niger unter anderem deshalb bedeutend, weil das Land eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten ist. Die Zuwanderer wollen die Küsten des Mittelmeeres erreichen und von dort aus nach Europa übersetzen. Deshalb hatten die EU und Niger bereits im vergangenen Sommer vereinbart, beim Thema Menschenschmuggel enger zusammenzuarbeiten.

Aber auch die Regierung in Moskau rief die Putschisten auf, Bazoum wieder freizulassen. „Es ist nötig, die verfassungsmäßige Ordnung im Niger wiederherzustellen“, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag im russischen Fernsehen. „Wir sind der Auffassung, dass der Putsch verfassungswidrig ist und wir beziehen dazu immer eine prinzipienfeste und klare Position.“ Ob die Aussage Lawrows der tatsächlichen Position Russlands entspricht, muss sich noch zeigen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich auch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in der Sache zu Wort meldete. Prigoschin nannte die Ereignisse den „Kampf des Volkes gegen die Kolonialisten“. Gemeint ist Frankreich als ehemalige Kolonialmacht, denn das Land verliert in der Region aktuell massiv an außenpolitischem Einfluss. Eintausend Wagner-Soldaten wären in der Lage, die Ordnung wieder herzustellen, sagte Prigoschin weiter in einer Videobotschaft, die auf Telegram veröffentlicht wurde.

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Prigoschin hatte am Donnerstag für Schlagzeilen gesorgt, als Fotos auftauchten, die den Söldner-Anführer in St. Petersburg mit Vertretern afrikanischer Staaten zeigten, während zeitgleich in der Stadt Putins Russland-Afrika-Gipfel stattfand. Nach einer abgebrochenen Meuterei Ende Juni hatte Putin Prigoschin eigentlich ins Exil nach Belarus geschickt. Sein Auftauchen in Petersburg spricht allerdings dafür, dass Prigoschin weiterhin im Austausch mit dem Kreml steht und eine Reihe von Freiheiten genießt.

Für die rund 100 deutschen Bundeswehr-Soldaten, die in Niger stationiert sind, bestehe aktuell keine akute Gefahr, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius. Die Sicherung des Stützpunktes vor Ort sei aber „lagegerecht“ angepasst worden.

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