„Recht auf Bargeld“ in der Verfassung? Österreichs Kanzler plant Vorstoß

Karl Nehammer

Der Kanzler will das Recht, mit Banknoten und Münzen zu bezahlen, in der Verfassung verankern.

(Foto: Reuters)

Wien Österreichs konservative Regierungspartei, die ÖVP, steht unter Druck. Würde heute gewählt, erzielte sie laut Umfragen bloß rund 23 Prozent der Stimmen, die rechtspopulistische FPÖ käme dagegen auf ungefähr 28 Prozent. Das sind schlechte Vorzeichen für die Wahlen, die voraussichtlich im Herbst 2024 stattfinden werden.

Bundeskanzler Karl Nehammer zieht es daher seit Kurzem zu populären Themen: Meist handelt es sich um Angelegenheiten, die zwar viele Leute betreffen, aber gleichzeitig auch kein zeitnahes konkretes Resultat erwarten lassen.

In Nehammers jüngstem Vorstoß geht es ums Bargeld: Der Kanzler will das Recht, mit Banknoten und Münzen zu bezahlen, in der Verfassung verankern. „Immer mehr Menschen haben Sorgen, dass das Bargeld als Zahlungsmittel in Österreich eingeschränkt werden könnte“, sagte er am Freitag. Doch die Menschen hätten ein Recht auf Bargeld.

Vorerst wird das Bargeld in Österreich weiterhin präsent sein. Denn in dem Land hängen immer noch so viele Menschen an Scheinen und Münzen wie in fast keinem anderen europäischen Land. Dies zeigt ein Bericht der Europäischen Zentralbank (EZB), wonach nur die Verbraucher in Malta Bargeld häufiger nutzen als die Österreicher. Nehammer sagte: „67 Prozent aller Zahlungen unter 20 Euro werden in bar geleistet.“ Auch in Deutschland hängen die Verbraucher am Bargeld. Dem EZB-Ranking zufolge befindet sich Deutschland auf Platz fünf der Bargeld-Länder.

In Österreich kramen in den Lebensmittelläden nach wie vor viele Käufer ihre Münzen zusammen. Außerhalb Wiens kommt man ohne Bargeld nicht weit. In Läden und dörflichen Gaststätten werden Kredit- und Debitkarten häufig nicht akzeptiert. Die Gebühren der Banken seien zu hoch, beklagen sich Gastwirte und Ladenbesitzer.

Kartenzahlung häufig nicht möglich

Selbst in Wien sind viele Restaurants jüngst dazu übergegangen, Kartenzahlung nur ab einer gewissen Summe zu akzeptieren. Die Inflation war in Österreich im Juni mit acht Prozent nach wie vor hoch.

Bargeld-Automat in Österreich

Wie gut die Bevölkerung mit Notengeld versorgt wird, hängt ohnehin in erster Linie davon ab, wie lange die Banken noch bereit sind, ein engmaschiges Geldautomatennetz zu unterhalten.

(Foto: imago images/Manngold)

Viele Laden- und Restaurantbesitzer müssen sparen. Die Gebühren, die sie den Kartenfirmen überweisen müssen, sind für sie in einem solchen Umfeld ein verzichtbarer Ausgabeposten.

Bereits im vergangenen September hatte unter anderem die Österreichische Nationalbank (ÖNB) die Plattform „Euro-Bargeld 360“ ins Leben gerufen. Das Ziel dieser Initiative ist es, „attraktive Rahmenbedingungen für den Erhalt des Bargeldes“ zu schaffen.

Damals riet etwa der ehemalige ÖNB-Chef Ewald Nowotny dazu, nicht nur einen Vorrat an Kerzen, Zündhölzern und Mineralwasser zu halten, sondern auch eine „signifikante Menge an Bargeld“. In jenem Herbst stand Europa unter dem Bann höherer Energiepreise. Experten verwiesen warnend auf die Gefahr eines Blackouts.

Ob sich Nehammer mit dem Thema Bargeld aber jetzt noch profilieren kann, scheint fraglich. Von der FPÖ wird es nämlich bereits seit Langem thematisiert. Deren Vertreter kritisierten daher Nehammers Vorstoß.

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Parteichef Herbert Kickl fragte den Kanzler in einer Mitteilung: „Ist Ihnen Ihr Ideen-Diebstahl von der „bösen und extremen FPÖ“ eigentlich nicht peinlich?“ Die FPÖ hatte bereits vor zwei Wochen die Petition für die „Festung Bargeld“ gestartet.

Bargeldgipfel nicht zu erwarten

In Österreich will aber niemand das Bargeld abschaffen. Nicht einmal die EU denkt daran. Sie möchte lediglich Bargeldobergrenzen einführen, Parlament und Rat sind sich jedoch nicht einig, ob das Limit bei 7000 oder 10.000 Euro liegen soll. Bis zu den Europawahlen im Juni 2024 ist ein Entscheid dazu geplant.

Nehammer gibt derweil den Macher und Kümmerer. Im September will er einen runden Tisch zum Bargeld einberufen. Teilnehmen sollen Minister, Vertreter der Finanzbranche und der ÖNB.  

Der Kanzler hatte in diesem Jahr bereits einen Autogipfel zum geplanten Ende des Verbrennungsmotors in der EU und einen Lebensmittelgipfel zur hohen Inflation veranstaltet. Konkrete Resultate brachten die Anlässe nicht.

Solche sind auch vom Bargeldgipfel nicht zu erwarten. Wie gut die Bevölkerung mit Notengeld versorgt wird, hängt ohnehin in erster Linie davon ab, wie lange die Banken noch bereit sind, ein engmaschiges Geldautomatennetz zu unterhalten.

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