Lavin Punjabi will Berliner Start-up zum globalen Durchbruch verhelfen

Bangkok Mit ihren neuen Kolleginnen und Kollegen aus Indien hat Pia Frey schon bei ihrem ersten Arbeitsbesuch in Mumbai Gemeinsamkeiten gefunden: „Ich habe mit mindestens 20 Leuten dort gesprochen, die schon einmal im Berghain waren“, sagt die 34-jährige Unternehmerin aus Berlin mit Blick auf den bekanntesten Club in der deutschen Hauptstadt.

Die Gründerin war im Juli nach Indien gereist, um die neuen Eigentümer ihres Umfrage-Start-ups Opinary näher kennenzulernen. Der indisch-amerikanische Werbetechnologieanbieter Affinity hat Freys sieben Jahre alte Firma vor wenigen Wochen für eine einstellige Millionensumme übernommen. Der erste Eindruck: Obwohl die Käufer vom Firmensitz in Berlin-Kreuzberg 6000 Kilometer entfernt sind, passe man kulturell durchaus zusammen, findet Frey.

Opinary bietet ein im deutschsprachigen Raum weit verbreitetes Tool, mit dem Nutzerinnen und Nutzer unkompliziert ihre Meinung zu unterschiedlichsten Themen kundtun können. Optisch erinnert es an einen Tacho: Wer eine Frage mit Ja beantwortet, zieht die Nadel nach links, wer sie mit Nein beantwortet, nach rechts – oder positioniert sie dazwischen, wenn das Thema nicht eindeutig bewertet wird.

Mehrere große Medienhäuser, darunter der „Spiegel“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und auch das Handelsblatt binden die Umfragen auf ihren Internetseiten ein. Umsätze werden über Werbung generiert, die den Nutzern nach der Abstimmung angezeigt wird. Laut Opinary ist diese Werbung besonders effektiv.

„Menschen lieben es, ihre Meinungen mitzuteilen“

Affinity will dem Konzept der Berliner, das bisher erst bei einzelnen englischsprachigen Medien zum Einsatz kommt, nun zum globalen Durchbruch verhelfen. Unternehmenschef Lavin Punjabi erhofft sich davon einen Wachstumsschub für seine Firma. Der 1983 geborene indische Unternehmer wuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf, absolvierte ein Managementstudium in Mumbai und gründete Affinity vor mehr als anderthalb Jahrzehnten. Er experimentierte mit einer Reihe von Geschäftsmodellen im Online-Marketing und konzentrierte sich zuletzt auf Werbeformate, die Nutzer als möglichst wenig störend, bestenfalls sogar als unterhaltsam empfinden. 

Das Konzept der Berliner sieht Punjabi als ideale Ergänzung seines Portfolios. „Menschen lieben es, ihre Meinungen mitzuteilen“, sagt er. Der Unternehmenschef rechnet damit, dass sich mit dem Modell die Nutzerinteraktion auf Medienportalen auch in neuen Märkten erhöhen lässt.

In den USA geht Affinity mit dem Opinary-Geschäftsmodell bereits auf Kundensuche. In zwei bis drei Wochen will Punjabi das Abstimmungstool dann auf den indischen Markt bringen. Anschließend seien weitere Länder an der Reihe. In Asien hat Affinity unter anderem bereits Büros in Malaysia und Indonesien.

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Opinary-Managerin Frey, die das Start-up zusammen mit ihrem Bruder Cornelius Frey und dem früheren McKinsey-Berater Max Meran gegründet hatte, nennt den Wunsch nach einer Internationalisierung des Unternehmens als Hauptgrund für den Verkauf. „Wir haben gesehen, dass es großes Potenzial für Wachstum gibt, und haben uns dafür nach einem starken Partner umgesehen“, sagt Frey 

Ein Investmentbanker stellte den Kontakt zwischen Opinary und Affinity her. Die ersten Gespräche zur Übernahme führte Punjabi Anfang des Jahres an einem Freitag kurz vor Mitternacht – wegen der unterschiedlichen Zeitzone. Zur finalen Unterschrift kam es dann Mitte Juli. Den Kaufpreis erhielten die bisherigen Opinary-Gesellschafter, zu denen auch der Berliner Wagniskapitalgeber Project A Ventures gehört, zur Hälfte direkt überwiesen und zur anderen Hälfte in Form von Anteilsscheinen an Affinity.

Affinity plant Börsengang

Dessen Chef Punjabi will Affinity in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren an die Börse bringen – entweder in den USA, wo das Unternehmen offiziell seinen Firmensitz registriert hat, oder in Indien, wo der Werbetechnologieanbieter den Großteil seiner rund 400 Mitarbeiter beschäftigt. Für Indien spreche, dass die Bewertung von Unternehmen seiner Branche am dortigen Kapitalmarkt deutlich attraktiver sei als an anderen Börsenplätzen, sagt Punjabi.

Potenzielle Investoren will der Unternehmer mit dem Wachstum der vergangenen Jahre überzeugen. Seit 2020 habe Affinity den jährlichen Umsatz von unter 15 Millionen Dollar auf in diesem Jahr erwartete über 80 Millionen Dollar steigern können. Mit der Integration von Opinary will Punjabi im kommenden Jahr die 100-Millionen-Dollar-Marke knacken.

Punjabi plant dabei weitere Investitionen in das Geschäft der Berliner, die künftig auch für Werbetechnologie von Affinity Abnehmer in Europa finden sollen. Er wolle „ein paar Millionen Dollar“ in den Berliner Standort stecken. Die Mitarbeiterzahl von Opinary soll von derzeit 30 auf mehr als 50 aufgestockt werden. Im kommenden Jahr seien zudem weitere Zukäufe geplant.

Gründerin Frey und ihre Managementkollegen wollen dem Unternehmen weiter erhalten bleiben. „Für uns war immer klar, dass wir weitermachen wollen, wenn wir noch gebraucht werden“, sagt Frey. „Jetzt haben wir das Gefühl, dass das spannendste Kapitel von Opinary gerade erst beginnt. Da wären wir ganz schön dumm, wenn wir das nicht weiter begleiten wollten.“

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