Kann Künstliche Intelligenz menschliche Emotionen verstehen?

Düsseldorf Das Date mit „Pepper“ läuft anders als geplant. Der humanoide Roboter ist leicht ablenkbar, wendet sich ab, sobald etwas in seiner Umgebung passiert, und kann Funkstille nicht ertragen. So beginnt Bestsellerautorin Kenza Ait Si Abbou ihr Buch „Menschenversteher – wie Emotionale Künstliche Intelligenz unseren Alltag erobert“.

Sie beschreibt das Fotoshooting für das Buchcover, auf dem sie und „Pepper“ neugierig in die Kamera blicken. Es war schwieriger als erwartet, berichtet sie, mit Peppers „Eigensinn“ hatten sie und ihr Team nicht gerechnet.

Trotzdem habe sich die Autorin am Ende des Shootings nur ungern von ihm verabschiedet. „Pepper“ sei Teil des Teams geworden. Ait Si Abbou thematisiert in ihrem Buch eine bestimmte Seite der Künstlichen Intelligenz (KI): die emotionale. Die Fähigkeit von Maschinen, menschliche Gefühle zu verstehen.

Dass die wirtschaftliche Bedeutung emotionaler Künstlicher Intelligenz zunimmt, zeigen Zahlen. Das Marktvolumen von Technologien zur Emotionserkennung durch KI steigt laut Angaben des Marktforschers Markets and Markets von 23,5 Milliarden US-Dollar 2022 auf 42,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2027. 2015 lag das Marktvolumen weltweit noch bei lediglich etwa fünf Milliarden US-Dollar.

Denn schon heute gibt es KI, die biometrische Daten wie Gesichtszüge oder Stimmen erfasst und automatisiert Rückschlüsse auf die Emotion dieser Person zieht. Anhand von Mimik, Gestik und Hirnströmen können hochauflösende Kameras und Sensoren Gefühle ablesen, zum Beispiel die Gemütsverfassung von Kunden bei einer Reklamation. In der Medizin etwa sollen künftig bei der Früherkennung von Parkinson Diagnoseinstrumente zum Einsatz kommen, die Gesichtsausdrücke lesen.

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Ait Si Abbou, die bereits 2020 durch ihren Bestseller „Keine Panik, ist nur Technik“ auf sich aufmerksam machte, geht in ihrem Buch weit über die Beschreibung dieser Beispiele hinaus. Sie wägt ab, was passiert, wenn Roboter immer menschlicher werden, hinterfragt, inwiefern Maschinen die Fähigkeit zur Selbstreflexion entwickeln – und ob sie Emotionen nicht nur reproduzieren, sondern sie selbst bewusst wahrnehmen.

Kenza Ait Si Abbou: Menschenversteher.
Droemer Verlag,
München 2023,
256 Seiten,
20 Euro

Um Glück zu empfinden, sich „über einen Sonnenaufgang“ oder „eine frisch erblühte Rose“ zu freuen, müssten Maschinen fühlen können, sich dieses Fühlen bewusst machen und darüber reflektieren können, schreibt sie. „Sie müssten also ein Bewusstsein ihrer selbst haben, die Fähigkeit zum Ich.“ Diese Fähigkeit mache den Menschen aus. Und davon seien Maschinen weit entfernt. Ait Si Abbou ist überhaupt skeptisch, ob Roboter diesen Punkt jemals erreichen werden.

Dennoch kämen Maschinen diesen Fähigkeiten sehr nahe. Sie lernten derzeit, Emotionen zu messen und Empathie nachzuahmen, und seien dabei besser als gemeinhin vermutet. Dies sei aber nicht beunruhigend, im Gegenteil: Je besser Maschinen den Menschen kennen, desto besser können sie ihn unterstützen. Die Interaktion im Alltag werde so angenehmer.

Kombination aus zwei Welten: Einblick in ihre Biografie

Hier gewährt sie Einblicke in ihre persönliche Geschichte. Die Autorin wuchs in Marokko auf, studierte Elektrotechnik und Telekommunikation in Spanien und Berlin, arbeitete als KI-Expertin zunächst bei der Deutschen Telekom und ist jetzt bei IBM Deutschland.

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Sie sei fasziniert von beiden Welten, den zutiefst menschlichen Eigenschaften und den technologischen Fähigkeiten von Maschinen. Diese beiden Elemente vereine sie auch in sich selbst. Auf der einen Seite „das analytische, logische, strukturierte Denken, das ich mit einem Roboter verbinde“, schreibt sie. Auf der anderen Seite „das hoch emotionale afrikanische Kind, das in Marokko aufgewachsen ist und dann noch ein paar Jahre in Spanien gelebt hat“.

Sie widmet sich dem Thema Künstlicher Intelligenz optimistisch und technologieoffen. Technisch komplexe Zusammenhänge beschreibt sie anhand ihrer eigenen Erfahrungen als Robotikexpertin, Partnerin, Mutter und Führungskraft. Sie fragt kritisch nach, welche Rolle der Mensch im Verhältnis mit Maschinen einnimmt und wie das Zusammenleben und -arbeiten gelingen kann.

Maschinen nähmen Menschen nicht wie häufig befürchtet die Jobs weg, sie würden die Arbeitswelt lediglich verändern, schreibt sie. Vielfach würden sie den Arbeitsalltag sogar vereinfachen. Während Roboter die Routineaufgaben übernähmen, hätten Menschen mehr Zeit, sich ihren eigenen – menschlichen – Stärken zuzuwenden, nämlich ihrer Fantasie, Neugier, Empathie und ihrem Innovationsgeist.

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