Ist VW noch in Russland aktiv? Dieser Social-Media-Post erweckt jedenfalls den Eindruck

Düsseldorf Eigentlich war das Kapitel Russland für Volkswagen schon beendet. Nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs hatte sich der größte deutsche Autokonzern schrittweise aus dem russischen Markt zurückgezogen. Mit dem Verkauf seines Werks in Kaluga und der dazugehörenden Tochtergesellschaften für 125 Millionen Euro kappte VW Mitte Mai die letzten Verbindungen in das Land des Kremlchefs Wladimir Putin.

Umso erstaunlicher liest sich ein aktuelles Posting auf den Social-Media-Profilen von Volkswagen in Russland. Von einer „Fortsetzung der Aktivitäten der Volkswagen Group Rus“ unter neuem Namen ist da die Rede. Auch die örtlichen VW-Händler seien „weiterhin für Sie im Einsatz“, heißt es. Was genau steckt dahinter?

„Der Volkswagen-Konzern ist nicht mehr in Russland aktiv und kehrt auch nicht dorthin zurück“, stellt ein Sprecher auf Anfrage klar. Man prüfe derzeit das Posting und was darüber hinaus kommuniziert wurde. Daraus leite man „möglichen Handlungsbedarf“ ab – auch juristischen.

Nicht nur in Wolfsburg sorgt die bizarre Mitteilung aus den sozialen Netzwerken für Verwirrung. Auch Volkswagens offizieller Importeur in der Ukraine, die Porsche Ukraine LLC, soll sich irritiert gezeigt haben, als Berichte zur angeblichen Rückkehr des Konzerns auf den russischen Markt in lokalen Medien auftauchten, heißt es aus Konzernkreisen.

Der neue Eigentümer des Russlandgeschäfts von VW – die Finanzgesellschaft Art Finance, hinter der die russische Händlergruppe Avilon steht – hatte mit dem Kauf des russischen VW-Geschäfts eine neue Struktur unter dem Namen AGR Group Automotive aufgesetzt. Diese koordiniert den Kundendienst für die Konzernmarken Audi, Skoda und Volkswagen in Russland und kümmert sich um Wartung, Garantiefälle und Reparaturen von russischen VW-Fahrzeugen.

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Beliefert wird AGR dafür mit Originalersatzteilen aus VWs zentralem Teilelager im nordhessischen Kassel, allerdings nur in einem begrenzten Rahmen und soweit die Bauteile nicht unter die Sanktionsregeln fallen. So sind beispielsweise Elektronikteile wie Kamera- und Radarsysteme sowie Motorsteuergeräte tabu. Zudem gilt eine Wertgrenze von 300 Euro.

Die neue Gesellschaft darf aber keine neuen Volkswagen, Skodas oder Audis in Russland verkaufen. Allerdings lässt sich nur schwerlich nachprüfen, ob dies im Einzelfall nicht über Umwege doch geschieht. Die russische Nachrichtenseite „news.ru“ zitiert AGR mit der Aussage, dass in Einzelfällen Neuwagen gekauft werden könnten, wenn diese beim Händler verfügbar seien. Eine Bestellung sei jedoch nicht möglich.

AGR reagierte auf eine schriftliche Anfrage des Handelsblatts zu der Thematik nicht.

Grauimporte aus China versorgen russischen Automarkt mit westlichen Marken

Dass VW-Fahrzeuge oder andere Neuwagen westlicher Fabrikate nach Russland gelangen und dort auch zugelassen werden, wird in der Regel über sogenannte Grau- oder Parallelimporte ermöglicht, die in Russland seit Beginn des Kriegs in der Ukraine deutlich zugenommen haben. Dabei werden die fraglichen Fahrzeuge über Händler aus Drittstaaten, die keine Sanktionen verhängt haben, nach Russland eingeführt und weiterverkauft. Als eine wesentliche Quelle von Parallelimporten nach Russland gilt China, aber auch Händler in anderen Nachbarländern stehen in Einzelfällen im Verdacht, Grauimporte nach Russland zu organisieren.

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VW betont, sein Händlernetz auf das Sanktionsregime und die Problematik aufmerksam gemacht zu haben. Offiziell gebe es momentan „keine Indizien für Verstöße“, wie ein Sprecher erklärt. Das heißt jedoch nicht, dass es kein Problem mit dem Schattenhandel gibt. In Peking etwa pflegt der Autohersteller sogar eine sogenannte „Blacklist“, in der auffällige chinesische Großhändler verzeichnet sind. Solche Händler dürften in der Vergangenheit schon einmal einen Export in andere Länder versucht haben.

Kaluga: Werden in dem ehemaligen VW-Werk bald chinesische Autos gebaut?

Unklar bleibt indes, wie genau es im ehemaligen VW-Werk in Kaluga bei Moskau weitergehen wird. Russlands Handels- und Industrieminister Denis Manturow wurde diese Woche in mehreren russischen Medien mit der Aussage zitiert, dass die Autoproduktion in der Fabrik noch in diesem Jahr anlaufen könnte. Russische Autoportale spekulieren unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen, dass der chinesische Autobauer Chery seine ausschließlich in Russland vermarktete Limousine Omoda S5 in dem Werk fertigen lassen könnte.

VW-Produktion in Russland

Bis Kriegsausbruch produzierte der Konzern die Modelle Polo, Tiguan und Rapid in Kaluga bei Moskau.

(Foto: dpa)

Zuletzt hatte der VW-Konzern an dem Standort mit etwa 4000 Mitarbeitern die Modelle Polo, Tiguan und Skoda Rapid gebaut. Im Jahr vor dem Kriegsausbruch liefen hier knapp 120.000 Fahrzeuge vom Band.

Seit dem Krieg dominieren einheimische und chinesische Hersteller den russischen Automarkt. So sind laut chinesischen Zollstatistiken, die die „Berliner Zeitung“ ausgewertet hat, Autoexporte aus China nach Russland im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 500 Prozent gestiegen – auf 4,6 Milliarden US-Dollar.

Von Januar bis Juli 2023 sind in Russland insgesamt knapp 500.000 Autos verkauft worden, fast ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum, aber noch deutlich weniger als vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

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