Ist jetzt die Zeit für Konsolidierung am Stahlmarkt?

Düsseldorf Um den Stahlkonzern US Steel bahnt sich ein Bietergefecht an. Am Montagabend hat die Industrieholding Esmark ein rund 7,8 Milliarden Dollar schweres Angebot für das Unternehmen vorgelegt. Dieses liegt deutlich über der Offerte des größeren US-Steel-Konkurrenten Cleveland-Cliffs, der am Sonntag knapp 7,3 Milliarden Dollar geboten hatte.

US Steel hatte am Sonntag angekündigt, sich nach mehreren Übernahmeangeboten Gedanken über seine strategische Zukunft zu machen. Konzernchef David Burritt sprach von mehreren unverlangten Offerten zum Kauf des gesamten Unternehmens und von Teilen dessen. Die Aktien waren daraufhin am Montag um mehr als 40 Prozent gestiegen. Am Dienstag gaben die Papiere dann wieder leicht nach.

Zwar sind die Aussichten für eine solche Großfusion laut Experten aus mehreren Gründen nicht vielversprechend. Doch der Moment ist günstig für Zusammenschlüsse am globalen Markt – auch in Europa.

„Wahrscheinlich ist eine erfolgreiche Übernahme nicht, denn der US-Stahlmarkt ist mit fünf großen Playern bereits sehr konsolidiert“, sagte ein Analyst, der namentlich nicht genannt werden will, dem Handelsblatt. Den Markt beherrschen die Unternehmen US Steel, Cleveland-Cliffs, Arcelor-Mittal, Nucor und Steel Dynamics.

Vor allem Cleveland-Cliffs hatte in den vergangenen Jahren mehrere Zukäufe getätigt und ist zu einem Stahlriesen in Nordamerika aufgestiegen. So wurde im Jahr 2020 zuerst AK Steel übernommen und anschließend auch das US-Geschäft des europäischen Herstellers Arcelor-Mittal, wodurch das ehemalige Eisenerzunternehmen den Einstieg in die Stahlproduktion für die Autoindustrie geschafft hat.

„Anti-Trust-Behörde würde Veto aussprechen“

Wäre eine Übernahme durch Cleveland-Cliffs erfolgreich, so würde das fusionierte Unternehmen fast die gesamte Kapazität an der Eisenerzpellet-Produktion in den USA und auch große Anteile bei der Zulieferung für die Autoindustrie besitzen. Mit einem Marktanteil von 44 Prozent ist Cleveland-Cliffs dort bereits jetzt der größte Hersteller von Eisenerzpellets sowie der größte Flachstahlhersteller.

Bei einer derartigen Monopolstellung müssten die Kartellwächter einschreiten, erklärt der Analyst: „Die Anti-Trust-Behörde würde hier ein Veto aussprechen.“ Auch Nicole Voigt, Partnerin bei der Boston Consulting Group (BCG), betont die kartellrechtlichen Hürden eines solchen Deals.

Auf dem US-Stahlmarkt wird gerade überlegt, wie man mit den integrierten Stahl-Assets umgeht.“ Der Druck zur Dekarbonisierung sei dort zwar noch nicht so hoch wie in Europa, die Industrie dort stehe aber massiv unter Druck. „Dies liegt vor allem an modernen Elektrostahlwerken, die immer besseren Flachstahl herstellen und somit traditionelle Absatzmärkte der integrierten Werke angreifen“, erklärt sie. Integrierte Stahlwerke sind Hütten, die noch über die Hochofenroute Stahl produzieren – und dabei nicht nur erhebliche Mengen Energie benötigen, sondern auch große Mengen CO2 ausstoßen.

Stahlproduktion bei US Steel

Der amerikanische Stahlmarkt ist durch protektionistische Maßnahmen vergleichsweise abgeschottet.

(Foto: USS)

Auch für die Kunden dürfte eine weitere Konsolidierung schwierig werden: „Durch die protektionistischen Tendenzen und Mechanismen genießen Stahlkonzerne am US-Markt bereits jetzt große Freiheiten“, erklärt der Analyst. Im Zuge der Regelungen, die der damalige US-Präsident Donald Trump auf den Weg gebracht hatte, gibt es seit 2018 Importzölle auf verschiedene Stahl- und Aluminiumprodukte.

Die US-Stahlhersteller seien so vergleichsweise vom restlichen globalen Markt abgekoppelt – das zeige sich an den hohen Preisen dort. Ein weiterer Konsolidierungsprozess würde dies nur verstärken.

Doch gegenwärtig ist die Situation für Konsolidierungen weltweit gesehen durchaus günstig. „Der Großteil der Stahlunternehmen in den USA und in Europa hat in den vergangenen Jahren gut verdient und seine Bilanzen gestärkt“ so der Analyst. Zudem seien die Bewertungen gegenwärtig vergleichsweise niedrig. Mittelfristig könne dies durchaus dazu führen, dass mehr Unternehmen sich nach Zukäufen umsehen

Auch europäische Kooperationen mit US Steel hält der Analyst für möglich: „Nordamerika ist ein interessanter Markt. Man hat geringe Energiekosten und einen gut aufgestellten lokalen Stahlmarkt.“

Ankeraktionäre erschweren Übernahmen in Deutschland

Die Konsolidierungen in Europa hätten bereits viel früher stattgefunden, so Voigt. „In Europa haben wir in den letzten Jahren eher einzelne Verkäufe oder Portfoliobereinigungen gesehen, so zum Beispiel in Italien, Rumänien, England und Tschechien, erklärt Voigt“, erklärt die BCG-Partnerin.

In Deutschland ist die Lage tatsächlich schwieriger: Bei den großen Stahlherstellern Thyssen-Krupp und Salzgitter AG gibt es mit der Krupp-Stiftung und dem Bundesland Niedersachsen Ankeraktionäre, denen Interessenten ein überzeugendes Angebot unterbreiten müssten.

In Deutschland würde eine Konsolidierung nur Sinn ergeben, wenn dadurch kosteneffizienter produziert werden könnte oder um gemeinsame Investitionen im Bereich Direktreduktion durchzuführen, so Voigt. „Investitionen würden dann dort stattfinden, wo Zugang zu günstigem grünen Wasserstoff und grünem Strom bestünde, etwa in Nord- und Südeuropa oder im Mittleren Osten.“

Der Fokus liege erst einmal auf der grünen Transformation – dies sei der Schritt, der den Konzernen aktuell die größte Sicherheit bringe.

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