Inflationsrate in der Türkei steigt weiter – Neue Geldpolitik verfehlt wichtigstes Ziel

Türkische Flagge

Fachleute erklären die Währungsschwäche mit der Unsicherheit über die zukünftige Geldpolitik.

(Foto: Reuters)

Ankara In der Türkei hat sich die Entwicklung der Inflation weiter beschleunigt. Zwischen August 2022 und August 2023 stiegen die Verbraucherpreise um 58,9 Prozent, wie das Statistikamt am Montag in Ankara mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Anstieg auf 55,9 Prozent gerechnet. Im Juli hatte die Rate im Vergleich zum Vorjahresmonat 47,8 Prozent betragen.

Allein von Juli auf August verteuerten sich Waren und Dienstleistungen um mehr als neun Prozent. Besonders Hotels, Cafés und Restaurants hoben ihre Preise in dem Ferienmonat kräftig an.

Der Abbau der Inflation werde einige Zeit dauern, reagierte Finanzminister Mehmet Simsek auf die Entwicklung. „Wir sind geduldig.“ Vergangenes Jahr lag die Teuerung zwischenzeitlich sogar bei rund 85 Prozent. Ab November 2022 war sie stark rückläufig, seit Juni 2023 steigt sie aber wieder.

Ein entscheidender Grund für die hohe Inflation ist die schwache Landeswährung Lira, die Einfuhren in die Türkei verteuert. Trotz zuletzt deutlicher Zinsanhebungen der türkischen Notenbank liegt ihr Wechselkurs nahe historischen Tiefständen. Die Bekanntgabe der Inflationszahlen am Montagvormittag belastete die Währung erneut. Ein Euro kostete 28,90 Lira, ein US-Dollar 26,77 Lira.

Nach seiner Wiederwahl Ende Mai hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan eine rationale Geldpolitik eingeläutet. Dazu ernannte er den bei internationalen Investoren renommierten Mehmet Simsek zum Finanzminister. Bereits vor 2018 hatte Simsek das Amt bekleidet.

Der Ökonom will vor allem die Staatsfinanzen auf Vordermann bringen, bevor er an die Konjunktur denkt. So stoppte er die milliardenschweren Stützungskäufe der Zentralbank, die in den Monaten vor der Wahl den Lira-Kurs stabilisiert hatten. Zudem lässt er in diesen Tagen ein weiteres Programm auslaufen, mit dem türkische Sparerinnen und Sparer ihre Lira-Einlagen vor Wechselkursverlusten schützen konnten. Schließlich erhöhte die Zentralbank seit Erdogans Wiederwahl den Leitzins in drei Schritten von 8,5 auf 25 Prozent. Das soll internationale Investoren anlocken und weiter Geld ins Land spülen.

Was den Staatsfinanzen nützt, schadet aber der Wirtschaft. Im zweiten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent – zu wenig für ein Schwellenland mit wachsender Bevölkerung.

>> Lesen Sie auch: Der Türkei droht eine Rezession – muss Erdogan erneut umsteuern?

Auch die Stimmung in der Industrie war schon einmal besser: Der PMI-Index sank zuletzt von 49,9 auf 49,0 Punkte – dies ist ein Anzeichen dafür, dass Industrielle mit düsteren Zeiten rechnen. Unternehmenskredite haben sich durch die hohen Leitzinsen verteuert und kosten bis zu 50 Prozent Zinsen pro Jahr.

„Im zweiten Halbjahr wird sich das Wachstum abschwächen“, sagte Volkswirt William Jackson von Capital Economics angesichts der gestiegenen Kreditkosten. Für das gesamte Jahr 2023 sagen Analysten ein Plus von 2,9 Prozent voraus. Gleichzeitig verfehlt Simsek sein wichtigstes Ziel: die Bekämpfung der hohen Inflation.

Mehr: Türkischer Zinsentscheid hebt die Lira aus ihrem Rekordtief

source site-12