Frankreichs Unternehmen haben strukturell niedrigere Kosten

Paris In der Debatte über den von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplanten Industriestrompreis wird immer wieder auf die Maßnahmen in Frankreich verwiesen. Die Regierung in Paris hatte vergangenes Jahr umfangreiche Hilfen für Unternehmen in der Energiekrise beschlossen. Mit Habecks Vorhaben hat der französische Weg aber wenig zu tun.

Beim in Deutschland debattierten Industriestrompreis geht es darum, den Strompreis für energieintensive Unternehmen auf einer niedrigen und pauschalen Höhe pro Kilowattstunde zu deckeln. Es sei „kein konkretes und aktuelles Konstrukt in Frankreich erkennbar, auf das dieser Verweis passen würde“, schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer Analyse.

Zwar wurden die Preise von Strom und Gas für Privathaushalte im Nachbarland großzügig gedeckelt: Die Versorger durften die Strompreise im Jahr 2022 nur um vier Prozent und im Jahr 2023 um maximal 15 Prozent steigern, die Differenz zahlte ihnen der französische Staat. Für Firmen gilt der „bouclier tarifaire“ jedoch nicht, mit Ausnahme von Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Angestellten und einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro.

Dennoch milderte die Regierung in Paris den Preisschock in der Energiekrise auch für die Wirtschaft ab und stellte dafür mindestens zehn Milliarden Euro bereit. Unter anderem zahlt der Staat energieintensiven Unternehmen Beihilfen. Firmen können sie beantragen, wenn die Kosten für Strom und Gas mehr als drei Prozent ihres Umsatzes entsprechen und ihre Energiekosten im Vergleich zur Vorkrisenzeit um mindestens 50 Prozent gestiegen sind.

Die Höhe der Unterstützung hängt dabei von weiteren Faktoren ab und variiert von Firma zu Firma. Die Hilfen können dabei durchaus ein Drittel der gestiegenen Energiekosten betragen, sind allerdings bei maximal 50 Millionen Euro pro Unternehmen gedeckelt.

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Die Regierung in Paris setzt auch darauf, dass Unternehmen mit langfristigen Stromverträgen ihre Energiekosten senken. Der staatseigene Energiekonzern EDF plant außerdem ein neues Angebot für große Industriekunden mit einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren. Diese lange Vertragsdauer soll nicht nur niedrigere Tarife ermöglichen, sondern Unternehmen auch vor Schwankungen schützen.

Strukturell niedrigere Strompreise – auch wegen Atomkraft

Zur Abfederung der Strompreise in Frankreich trägt zudem ein komplizierter Mechanismus bei, bei dem EDF einen Teil seines günstigen Atomstroms unter Marktpreis an andere Versorger abgeben muss. Dieser Mechanismus geht bereits auf ein Gesetz aus dem Jahr 2010 zurück. Außerdem profitieren davon nicht nur Unternehmen, sondern auch private Stromkunden.

Der Wissenschaftlich Dienst des Bundestages schreibt in seiner Analyse, in Frankreich gebe es „historisch und strukturell bedingt niedrigere Strompreise für die Industrie aufgrund eines anderen Stromnetzaufbaus und geringerer Abgaben und Steuern“. 

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So lag im zweiten Halbjahr 2022 der Strompreis ohne Steuern und Abgaben für energieintensive Unternehmen in Frankreich bei gut 13 Cent pro Kilowattstunden (KWh), in Deutschland dagegen bei rund 17 Cent. Mit Steuern und Abgaben war die Preisdifferenz zwischen beiden Ländern noch größer: gut 15 Cent pro KWh in Frankreich, gut 24 Cent in Deutschland.

Die in der Krise ergriffenen Maßnahmen für Unternehmen sind in Frankreich umstritten. Ökonomen kritisieren, dass damit das eigentliche Problem der teuren Energie keineswegs gelöst werde. „Diese Hilfen wirken kurzfristig“, sagt der Energieexperte Thierry Bros von der Pariser Universität Sciences Po. „Aber wenn man den Kranken nicht wirklich behandelt, wird er am Ende sterben.“

Kritik von Ökonomen an kurzfristigen Hilfen

Nötig seien ein Hochfahren der heimischen Energieproduktion, in Frankreich insbesondere der Atomkraft, und eine Reform des stark vom teuren Gaspreis abhängigen Strommarktes in der Europäischen Union. Sonst nehme man entweder hohe Staatsschulden oder die Abwanderung von Unternehmen in Kauf, sagt Bros.

Jean-Michel Gauthier, Professor an der Pariser Wirtschaftshochschule HEC, hält es ebenfalls für keine gute Idee, mit den Hilfen den französischen Staatshaushalt in gewisser Weise „an die internationalen Energiemärkte zu koppeln“. Er warnt: „Das kann sich als katastrophal für Frankreich herausstellen.“

Die Unternehmen blicken mit Sorge auf den Moment, in dem die Energiehilfen irgendwann auslaufen. „Die Unsicherheit bleibt, was die Zukunft der Energiepreise anbelangt“, sagte der Chef des Arbeitgeberverbandes Medef, Patrick Martin, der Zeitung „Le Figaro“.

Gegenwärtig seien die Preise zwar auf „ein erträglicheres Niveau“ gesunken. Doch für die Unternehmen könnte die Lage wieder schwieriger werden, sobald der Preisdeckel abgeschafft werde. „Und angesichts der Kosten für die Staatsfinanzen wird es keine andere Möglichkeit geben, als die Hilfen schrittweise zurückzufahren“, so der Arbeitgeberpräsident.

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