Deutscher Paketmarkt schrumpft erstmals seit neun Jahren

Düsseldorf Die Zahl der Paketzustellungen geht in Deutschland drastisch zurück – zum ersten Mal seit 2013. Wie der weltweit tätige Postbearbeiter Pitney Bowes ermittelte, blieben hierzulande die Verteilerfirmen mit 4,2 Milliarden Paketsendungen 6,9 Prozent unter dem Vorjahr. Allerdings brachte die Coronapandemie zuvor teils zweistellige Zuwachsraten bei Paketlieferungen mit sich.

Erhielt jeder Deutsche 2021 im Durchschnitt noch 54 Pakete pro Jahr, ging die Zahl im vergangenen Jahr auf noch 50 Sendungen zurück. In der Rechnung nicht enthalten sind die Zustellungen des Onlinekaufhauses Amazon, das in Deutschland für sein Sortiment wie auch für manche seiner Marktplatzkunden die Auslieferungen teilweise selbst übernommen hat. Pitney Bowes schätzt die Anzahl dieser Zustellungen auf 0,4 Milliarden, was rund neun Prozent des Gesamtmarkts entspräche.

Doch selbst ohne das Zutun des US-Angreifers verliert der mächtige Branchenführer DHL hierzulande an Marktanteilen. Um fast neun Prozent schrumpfte sein Paketvolumen 2022 und damit stärker als der um Amazon bereinigte Gesamtmarkt. „Wir sehen im Markt eine Normalisierung nach dem Boom während der Coronapandemie“, erklärt DHL-Finanzvorständin Melanie Kreis die rückläufigen Ergebnisse.

Zwar büßte die Otto-Tochter Hermes mit 13 Prozent in Deutschland noch mehr ein. Wie Pitney Bowes ermittelte, konnten aber die kleineren Wettbewerber GLS, UPS und DPD bei Rückgängen von lediglich ein bis drei Prozent ihre Marktanteile zwischen Garmisch und Flensburg steigern.

Auch beim Paketumsatz verlor der Bonner Konzern, der aktuell 54 Prozent am deutschen Zustellmarkt hält, ein Stück seines Marktanteils. Während der deutsche Gesamtmarkt in US-Währung gerechnet um 12,9 Prozent auf 25 Milliarden Dollar schrumpfte, wie Pitney Bowes in seiner internationalen Studie errechnete, gab es bei DHL in US-Dollar ein Minus von rund 15 Prozent. Mit einem Umsatzrückgang von 13 Prozent konnte DPD dagegen seinen Anteil halten, Fedex/TNT und GLS bauten ihn mit einem Minus von jeweils sieben Prozent sogar leicht aus.

Größter Verlierer war der Paketdienst Hermes, der im Gegensatz zu allen anderen nur im Zustellgeschäft an Privathaushalte tätig ist – und damit von dem schwächelnden E-Commerce noch stärker betroffen ist. Bei den Hamburgern gab es in Dollar gerechnet ein Minus von 20 Prozent. Auf Euro-Basis sahen die Rückgänge wegen der Stärke der US-Währung im deutschen Gesamtmarkt und bei den Unternehmen zwar nominal geringer aus, die Verschiebung der Marktanteile aber bleibt identisch.

Die Talfahrt scheint keinesfalls beendet. „Die schlechte Konsumstimmung in Deutschland macht sich auch zur Jahresmitte im Onlinehandel bemerkbar“, sagt ein Sprecher beim E-Commerce-Verband BEVH.

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So sanken die Onlineumsätze mit Waren von April bis Juni gegenüber dem Vergleichsquartal 2022 um 12,2 Prozent auf 19,17 Milliarden Euro – und das noch nicht einmal preisbereinigt. Auf das erste Halbjahr 2023 gesehen lagen die aufgelaufenen Erlöse laut BEVH-Berechnungen sogar rund 13,7 Prozent unter dem Vergleichswert von 2022. Verglichen mit dem ersten Halbjahr 2019, also der Zeit vor Ausbruch der Coronapandemie, liege man nur noch mit 14,7 Prozent im Plus.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gibt es Mitte 2023 über alle Branchen hinweg nur Verlierer. So nahm der Onlinehandel mit Unterhaltungsartikeln um 14,7 Prozent ab, Einrichtungsgegenstände wurden um 14,3 Prozent weniger geordert, Bekleidungsartikel nahmen um 14,1 Prozent ab. Bei Handelsbranchen wie Schmuck und Uhren, Computer samt Zubehör und Spielen, Haushaltswaren sowie Auto- und Motorradzubehör waren die Rückgänge sogar noch eklatanter.

Erklärte die Hälfte der im BEVH organisierten Onlinehändler nach dem ersten Quartal 2023 noch, mit den eigenen Umsätzen unter Plan zu liegen, waren es Ende Juni bereits zwei Drittel. Die zu Jahresbeginn erstellte Prognose von 4,8 Prozent Wachstum für den deutschen Onlinehandel nahm der BEVH daher vor wenigen Tagen zurück. „Nach eigenen Schätzungen geht der Verband stattdessen von einer deutlichen Korrektur und einem Rückgang der Umsätze von mehr als fünf Prozent zum Jahr 2022 aus“, erklärte Geschäftsführer Martin Groß-Albenhausen.

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Deutschland koppelt sich damit vom allgemeinen Wachstum im E-Commerce ab. Denn auch 2022 ging es weltweit mit den Paketzustellungen weiter nach oben – wenn auch verhaltener als in den vergangenen Jahren. Mit einem Plus von einem Prozent stiegen die Sendungen global auf 161 Milliarden. Zu den Bremsern zählten allerdings auch die USA, wo 2022 zwei Prozent weniger zugestellt wurde als im Jahr zuvor.

Vor allem Indien hat sich zum weltweit stärksten Treiber entwickelt: Auf dem Subkontinent gingen die Paketlieferungen um 18 Prozent nach oben. Unverhofft bietet dies auch eine Chance für die Deutschen. Denn anders als in der Heimat kann DHL in Indien von dem Boom profitieren.

2006 stiegen die Bonner beim indischen Zusteller Blue Dart ein, der zunächst im Express-Geschäft eingesetzt wurde. Inzwischen nutzt DHL die 75-Prozent-Tochter auch für die Zustellung von E-Commerce-Sendungen. Dass sich dort 2022 das Nachsteuerergebnis auf 62 Millionen Euro nahezu verdoppelte, dürfte kein Zufall sein.

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