Das sind die Alternativen zur Lithium-Batterie

Zürich Der Maschinenbauer Wipotec aus Kaiserslautern hatte ein Problem, das viele Industrieunternehmen derzeit umtreibt: Um weniger abhängig von hohen Strompreisen zu sein, hat der Mittelständler Solarzellen auf den Dächern der Werkshallen installiert. Doch ein Teil der Produktion läuft rund um die Uhr. „Wir waren seit Jahren auf der Suche nach einer Möglichkeit, unseren selbst produzierten Solarstrom auch in der Nacht nutzen zu können“, sagt Stefan Pfeiffer, Leiter der Elektronikfertigung bei Wipotec.

Gemeinsam mit Liva Power Management Systems aus Frankfurt hat Pfeiffer dieses Problem gelöst. Liva plant und baut hybride Energiespeichersysteme, deren Hauptbestandteil eine sogenannte Vanadium-Redox-Flow-Batterie ist. Diese Batterien brauchen kein Lithium, sondern das Metall Vanadium. „Das Konzept geht für uns sehr gut auf“, sagt Pfeiffer. Sobald die Anlage in Betrieb gehe, könne Wipotec den Anteil des selbst genutzten Solarstroms von derzeit 30 auf 65 Prozent steigern.

Die Vanadium-Batterie ist dabei nur eine Alternative zur Lithium-Ionen-Batterie. Die Lithium-Technologie ist zwar sehr ausgereift und hocheffizient, doch auch wegen zuletzt stark gestiegener Rohstoffkosten entwickeln viele Forscher und Start-ups alternative Stromspeicher. Insbesondere bei stationären Batterien zum Speichern von Wind- und Sonnenenergie kommen verstärkt Batterien ohne Lithium zum Einsatz. Antoine Koen, Analyst beim Thinktank Future Cleantech Architects (FCA) und Experte für Energiespeicherlösungen, sagt: „Die große Herausforderung wird es sein, Batterien zu entwickeln, die sehr viel Energie speichern und über einen längeren Zeitraum abgeben können.“

Die Nachfrage nach solchen Großspeichern dürfte wachsen: Den Experten von McKinsey zufolge könnten die installierten Energiekapazitäten von einer Terawattstunde im Jahr 2025 auf 85 bis 140 Terawattstunden im Jahr 2040 steigen. „Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wächst der Bedarf an Speichern exponentiell“, ergänzt Koen.

Welche Technologie sich durchsetzen wird, ist längst nicht ausgemacht. Doch FCA-Analyst Koen sagt: „Für die netzgebundenen Speicher sind Redox-Flow-Batterien starke Wettbewerber.“ Dieser Batterietyp basiert auf einem anderen chemischen Verfahren als der Lithium-Ionen-Akku und benötigt deutlich mehr Platz. Den Experten der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge zeichnet sich die Technologie jedoch durch eine lange Lebensdauer aus. „Es werden verschiedene Batteriechemien eingesetzt, doch die am meisten ausgereifte ist die Vanadium-Redox-Batterie“, so das Fazit der IEA-Experten.

Vanadium: Wertvolles Abfallprodukt der Ölindustrie

Doch die Technologie habe auch Nachteile, sagt Volker Kölln, Chef des Batteriespeicherspezialisten Liva, der sich auf den Bau und die Planung entsprechender Systeme spezialisiert hat. „Berechnet man den Preis der Installation pro Kilowattstunde ist eine Vanadium-Batterie zwischen 50 und 100 Prozent teurer“, sagt Kölln. Doch über die gesamte Nutzungsdauer spiele eine Vanadium-Batterie die hohen Anfangsinvestitionen schnell wieder ein. „Die Batterie hält praktisch endlos. Sie ist nicht brennbar und sie lässt sich problemlos mit anderen Speichertechnologien kombinieren“, fasst Kölln die Vorteile zusammen.

In der Industrie sowie als Netzspeicher ist sie daher dem reinen Lithium-Akku überlegen: „Für viele Schwerlastanwendungen ist die Lithium-Ionen-Batterie die falsche Wahl“, ist Kölln überzeugt. Die Kapazität nehme mit jedem Ladevorgang ab. „Nach zwei Jahren sind Lithium-Akkus meist abgenutzt.“ Allerdings braucht eine Redox-Flow-Batterie eine kurze Zeit zum Hochfahren, bevor sie Strom liefern kann. Daher kombiniert Liva ihr Vanadium-Redox-Flow-System stets mit einer kleinen Lithium-Ionen-Batterie, die in Sekundenschnelle Strom bereitstellt.

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Den Mittelständler Wipotec hat das Konzept überzeugt: „Die Vanadium-Batterie wird ausreichen, um unsere gesamte Produktion, die nachts läuft, mit Strom zu versorgen“, sagt Manager Pfeiffer.

Ein weiterer Nachteil der Vanadium-Batterie: Das Metall ist in vielen Erzvorkommen nur in geringen Konzentrationen enthalten und daher sehr teuer. Nur vier Länder weltweit dominieren den Vanadium-Bergbau, wie Daten des US Geological Surveys zeigen. Der größte Produzent ist China, der zweitgrößte: Russland.

Batteriespezialist Liva ist sich trotzdem sicher, dass der zentrale Rohstoff nicht knapp werden wird. Denn das Unternehmen gehört zum Bergbau- und Recyclingkonzern AMG des deutschen Unternehmers Heinz Schimmelbusch. AMG gewinnt Vanadium aus der Wiederaufbereitung von Katalysatoren aus der Ölindustrie. Erdöl enthalte Spuren von Vanadium und anderen Schwermetallen, die sich bei der Raffination an den Katalysatoren ablagern, erklärt Liva-Chef Kölln. „Die alten Katalysatoren wurden früher einfach in Afrika vergraben. Doch wir haben einen Weg gefunden, die Wertstoffe zu gewinnen und als Aktivmaterialien für unsere Batterien zu verwenden.“

AMG hat unter anderem eine Recycling-Kooperation mit Saudi Aramco abgeschlossen, dem größten Ölkonzern der Welt. Das Vanadium wird AMG daher vorerst nicht ausgehen.

Eisen: Neuer Nutzen eines jahrtausendealten Werkstoffs

Die Verfügbarkeit von Vanadium mag für AMG und Liva kein Problem sein – doch die starke Konzentration der Minenproduktion in China und Russland bleibt ein limitierender Faktor für die Technologie. Daher forschen Firmen und Unternehmen weltweit an einer Batteriechemie, bei der ein möglichst häufiges Metall zum Einsatz kommt. Ein Kandidat: Eisen, einer der ältesten Werkstoffe der Menschheit und auf jedem Erdteil in großen Mengen zu finden.

Die erste Redox-Flow-Batterie auf Eisenbasis hat die US-Weltraumagentur Nasa bereits in den 70er-Jahren entwickelt. Doch obwohl die Technologie seit Jahrzehnten bekannt ist, fehlen bislang kommerzielle Produkte. Das deutsche Start-up Voltstorage forscht beispielsweise an einer Batterie mit Eisensulfat.

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„Die Eisen-Redox-Flow-Technologie ist eine Schlüsseltechnologie für die Stromspeicherbranche, da die zur Herstellung der Batterie benötigten Materialien umweltfreundlich, extrem kostengünstig und weltweit verfügbar sind“, sagt Jakob Bitner, CEO von Voltstorage. „Das Interesse bei Versorgern ist groß, wir sprechen mit großen Playern auch in Europa“, sagte Bitner kürzlich dem Handelsblatt.

Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) listen in ihrem Report „The Future of Energy Storage“ eine Reihe von Faktoren auf, die den kommerziellen Erfolg von eisenbasierten Redox-Flow-Batterie bislang verhindert haben. Ein wichtiger: Das Eisen muss für den Einsatz in der Batterie hochrein vorliegen. Eine aufwendige Raffination des Eisens macht den Kostenvorteil des günstigen Ursprungmaterials zunichte.

Natrium: Lithium-Alternative aus dem Meer

Bei der Geschwindigkeit, Energie bereitzustellen, ist der Lithium-Ionen-Akku bislang unschlagbar. Auch deshalb kommen viele Redox-Flow-Batterien im Alltag in Kombination mit einer Lithiumbatterie zum Einsatz. Ein Teil der Forschung fokussiert sich daher darauf, Lithium durch ein verwandtes Metall zu ersetzen – Natrium. Bereits seit den 80er-Jahren experimentierten Unternehmen wie Daimler oder General Electric mit Batterien, deren Hauptbestandteil Natriumchlorid – Kochsalz – ist. Von allen erprobten Batteriemetallen kommt Natrium am häufigsten vor. Es lässt sich zudem einfach aus Meerwasser gewinnen und muss nicht in Minen abgebaut werden.

Für den Einsatz im Auto stellte sich die Natrium-Batterie schnell als zu schwer heraus. Doch aufgrund der wachsenden Bedeutung stationärer Energiespeicher ist das Interesse an der Natrium-Batterie wiedererwacht. Den MIT-Forschern zufolge ist ein Vorteil, dass Natrium-Batterien zwischen 3000 und 5000 Ladezyklen überstehen, ohne stark an Kapazität zu verlieren. Doch noch sei die Technologie nicht ausgereift genug, um der Lithium-Batterie ernsthaft Konkurrenz zu machen. „Die Kosten sind heute der größte Wettbewerbsnachteil“, so die MIT-Forscher. Pro installierter Kilowattsunde sei die Natrium-Batterie noch etwa doppelt so teuer wie der Lithium-Akku.

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Unter anderem das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) arbeitet daran, das zu ändern. Das Institut hat die jahrzehntealte Forschung zur Natriumchlorid-Batterie weiter vorangetrieben. Alexander Michaelis, Leiter des Fraunhofer-IKTS, erläutert: „Das Design war ursprünglich sehr komplex, weil es auf Elektroautos ausgelegt war. Das haben wir vereinfacht und auf der Größe so optimiert, dass eine extrem günstige Batterie rauskommt.“ Eine Pilotanlage in Dresden steht bereits. Nun will das Institut gemeinsam mit der australischen Batteriefirma Altech eine Anlage im industriellen Maßstab im sächsischen Ort Schwarze Pumpe aufbauen.

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Konsens herrscht bei Forschern darüber, dass mehr Speicher gebaut werden müssen, damit die Energiewende gelingen kann. Koen von Future Cleantech Architects rechnet vor: Um den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix wie von der Bundesregierung geplant von derzeit rund 45 Prozent auf 80 Prozent im Jahr 2030 zu steigern, muss sich die Kapazität der installierten Speicher verzehnfachen.

Serie „Diese grünen Ideen könnten die Welt verändern“: Von Wellenkraftwerken, CO2-freiem Zement und Solaranlagen im Weltraum bis zu energiespendenden Algenarten – überall gibt es Ideen mit dem Potenzial, die Welt zu verändern. Nur wenige schaffen den Durchbruch. Wir stellen einige der interessantesten Innovationen vor. Wissenschaftlich begleitet wird die Serie von dem unabhängigen Thinktank Future Cleantech Architects.

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