Cum-Ex-Ankläger mit schweren Vorwürfen gegen zwei Asset Manager

Am Landgericht Bonn

Der Londoner Bankier Henry Gabay (dritter von rechts) auf der Anklagebank.

(Foto: Handelsblatt, Sönke Iwersen)

Bonn Henry Gabay arbeitete früher für internationale Großbanken wie Merrill Lynch und Credit Suisse. 2002 machte er sich mit der Finanzfirma Duet in London selbstständig und verdiente dort richtig viel Geld, das er unter anderem in Villen in Hollywood steckte. Nun ist der 55-Jährige Angeklagter in Deutschlands größtem Steuerskandal.

Neben ihm auf der Anklagebank im Bonner Landgericht: Osman Semerci, ehemaliger CEO von Duet. Die beiden waren einmal beste Freunde, nun werden sie gemeinsam beschuldigt, den deutschen Staat um gewaltige Summen betrogen zu haben.

Staatsanwältin Susanne Wollmann las am Donnerstag mit der Anklageschrift die Details vor. „Durch das zuständige Finanzamt München beziehungsweise das Bundeszentralamt für Steuern wurde ein Betrag in Höhe von 93.419.743,07 Euro zu Unrecht angerechnet oder erstattet“, sagt Wollmann. Ihrer Meinung nach hätte der Betrug noch umfangreicher ausfallen können: „Insgesamt wurden Steuererstattungen in Höhe von 215.158.527,67 Euro beantragt.“

Duet organisierte die Geschäfte

Duet organisierte sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Dabei wurden Aktien im Kreis gehandelt, um sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt erstatten zu lassen. Duet brachte die Beteiligten zusammen, die für die Deals notwendig waren: Käufer und Verkäufer der Aktien, Anwälte und Berater sowie Banken, die das Kapital beisteuerten.

Außerdem wurden Derivate gehandelt, um die Kursrisiken abzusichern und die Profite zu verteilen. Staatsanwältin Wollmann ließ in ihrer Darstellung keinen Zweifel an der Rolle von Gabay und Semerci. Durch ihre Schlüsselstellung hätten die Duet-Manager genau gewusst, woher bei den Cum-Ex-Deals die Profite stammten: aus der deutschen Steuerkasse.

Staatsanwältin Wollmann spricht von einem „gemeinsamen Tatplan“, den Gabay und Semerci mit anderen Beteiligten gefasst und umgesetzt hätten. Nach diesem Plan sei am 10. Februar 2010 zunächst die Varengold Investment AG gegründet worden. Die Hamburger Varengold Bank hielt 51 Prozent an der Gesellschaft. Die restlichen Anteile lagen bei der Firma DFQ. Dahinter steckten drei Manager der Bank, unter anderem ihr Gründer Yasin Sebastian Qureshi. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft Köln kürzlich ebenfalls eine Anklage vorgelegt.

Unter dem Dach der Varengold Investment AG wurde laut Staatsanwaltschaft am 31. März 2010 der Caerus II Equity Fund aufgelegt. „Tatplanmäßig“, nennen das die Ankläger. Gabay und Semerci seien dabei die finalen Entscheidungsträger gewesen. Als Verwalter des Fonds holten sie die Finanzfirma Universal ins Boot, als Depotbank agierte die französische Caceis.

Vermögende Investoren an Bord

Die Varengold Investment AG sammelte das Geld vermögender Investoren ein. Der Fonds Caerus II entstand aus einer engen Kooperation zwischen Duet und Hanno Berger. Der einst hoch angesehene Steueranwalt gilt als eine der wichtigsten Figuren im Cum-Ex-Skandal. Nach zwei Verurteilungen sitzt der 72-Jährige heute hinter Gittern.

Grafik

Zu den Investoren des Carues II Fonds zählte der Drogerieunternehmer Erwin Müller, der 50 Millionen Euro anlegte. Gabay steuerte über den Liongate Fund rund 20 Millionen Euro bei. Der Steueranwalt Thomas Koblenzer besorgte weiteres Geld über ein Vehikel namens KT Wealth Creation. Insgesamt kamen knapp 88 Millionen Euro zusammen.

Dieser Betrag wurde dann stark gehebelt, wie es in der Finanzbranche heißt. Zu den 88 Millionen Eigenkapital stellte die schwedische Bank SEB eine halbe Milliarde Euro Fremdkapital zur Verfügung, die Institute Maple und Investec jeweils eine Viertel Milliarde Euro. So ausgestattet konnte der Fonds die riesigen Aktienkreisgeschäfte betreiben, die zu den doppelten Steuererstattungen führten.

Grafik

Auch bei der Verteilung der Profite war Henry Gabay laut Anklage in entscheidender Position. Der maßgebliche Vertrag wurde „unmittelbar zwischen Dr. Berger und Gabay ausgehandelt und von Gabay unterschrieben“, heißt es in der Anklageschrift. Im Ergebnis hätten Duet und die von Berger und einem Partner beherrschte Gesellschaft Oak jeweils zu 39 Prozent an den erzielten Profiten partizipiert, die Varengold Bank zu 22 Prozent. Gabay soll 4,7 Millionen Euro verdient haben, Semerci 3,6 Millionen Euro.

Schon im Ermittlungsverfahren zeichnete sich ab, dass die beiden einstigen Duet-Partner heute sehr unterschiedlich auf ihre Tätigkeit bei der Finanzfirma zurückblicken. Semerci räumte in seinen Vernehmungen ein, dass sein Tun Unrecht gewesen sein könnte. Gabay bezeichnet sich als unschuldig.

Gabay sieht sich als Sündenbock

Dem Handelsblatt liegt eine 54-seitige Stellungnahme vor, die Gabay im Januar an das Landgericht Bonn richtete. „Meine Anklage stützt sich auf die Aussagen des eigentlichen Täters, der versucht, von seiner eigenen Verantwortung abzulenken, indem er andere zum Sündenbock macht“, schreibt Gabay über einen ehemaligen Duet-Manager, den er als „angeblichen Whistleblower“ tituliert.

Mit seinen Vorwürfen belastet Gabay auch die Staatsanwaltschaft Köln und seinen Duet-Gründungspartner Alain S. Die Staatsanwaltschaft habe alle Dokumente verworfen, die seine Unschuld beweisen würden, schreibt Gabay. Die Aussagen seines Ex-Partners seien nicht verlässlich.

Ihm selbst sei der genaue Aufbau der Cum-Ex-Geschäfte nicht bekannt gewesen, schreibt Gabay. „Die Struktur der Duet-Gruppe war so, dass die Gesellschafter einfach nicht in das Tagesgeschäft eingebunden waren. Um ihren Verpflichtungen nachzukommen, verließen sich die geschäftsführenden Gesellschafter auf ihre internen Anlageexperten, die internationalen Anwaltskanzleien und andere professionelle Berater.“

Folglich hätte er auch nicht gewusst, dass die dabei erzielten exorbitanten Gewinne aus der deutschen Steuerkasse stammten, schreibt Gabay. Und wenn er auch viel Geld damit verdient habe, so hätten doch andere noch mehr profitiert. Viele Angaben derjenigen, die mit den Behörden kooperierten, seien „reine Lügen“ gewesen.

Gabay ist offenbar kein einfacher Klient für seine Anwälte: Bereits drei Verteidiger hat der Manager verschlissen. Keiner von ihnen wollte sich dazu äußern, warum das Mandat beendet wurde. Der Fall erinnert an Hanno Berger. Auch bei ihm gab es mehrere Verteidigerwechsel – den letzten, als Berger gegen seine Verurteilung Revision einlegen wollte.

Mehr: NRW-Justizminister Benjamin Limbach attackiert eigene Staatsanwaltschaft

source site-12