Chipindustrie schrumpft – aber die europäischen Wettbewerber stehen gut da

Intel-Produktion in den USA

Der Umsatz des US-Konzerns ist auch im zweiten Quartal gefallen, allerdings nicht mehr ganz so stark wie zu Jahresbeginn.

(Foto: Intel)

München Zwischen Boom und Flaute liegen genau 24 Monate: Während der Pandemie mussten die Kunden zum Teil monatelang auf Chips warten. Inzwischen stapeln sich die Halbleiter in den Lagern, die Nachfrage ist eingebrochen. So ist der Umsatz des Branchenriesen Intel im zweiten Quartal um 15 Prozent zurückgegangen, wie der US-Konzern am späten Donnerstagabend mitteilte.

Die Investoren verbuchten das am Freitag allerdings bereits als Erfolg, im vorbörslichen Handel lagen die Aktien kräftig im Plus. In den ersten drei Monaten des Jahres waren die Erlöse noch um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Der lange Jahre umsatzstärkste Chipkonzern der Welt schrumpft also nicht mehr ganz so dramatisch.

Die Anleger hoffen also auf die Trendwende. Die jüngsten Zahlen aber sind noch düster. So wie bei Intel geht es derzeit bei den meisten führenden Chipherstellern bergab. Denn die Verbraucher weltweit kaufen kaum noch Elektronik. Deren Hersteller sind die wichtigsten Kunden der Chipindustrie.

So haben die Produzenten den Marktforschern von Canalys zufolge im zweiten Quartal zehn Prozent weniger Smartphones abgesetzt als im Vorjahr. Der PC-Markt ist um zwölf Prozent zurückgegangen.

Da die Elektronikproduzenten auf Bergen von Halbleitern sitzen, bestellen sie sehr zurückhaltend. So ist der Umsatz des koreanischen Speicherchipspezialisten SK Hynix im zweiten Quartal um rund die Hälfte abgestürzt. Beim Marktführer Samsung Electronics ging der Gewinn mehr als 80 Prozent zurück. Gleichzeitig sind die Erlöse des koreanischen Konzerns so stark gefallen wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Samsung kündigte an, die Chipproduktion weiter zu kürzen.

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TSMC warnte derweil, der Umsatz werde dieses Jahr um zehn Prozent fallen. Das ist besorgniserregend, denn das Unternehmen spiegelt den Zustand weiter Teile der Branche wider. Der Konzern aus Taiwan ist der weltgrößte Auftragsfertiger der Chipindustrie und bedient Hunderte Kunden, darunter Tech-Schwergewichte wie Apple, Nvidia und Qualcomm.

Die Autobranche hilft den Europäern

Doch nicht alle Halbleiterhersteller schrumpfen: Die europäischen Anbieter entziehen sich weitgehend der Flaute. So ist der Umsatz von STMicroelectronics zwischen April und Ende Juni um 13 Prozent geklettert.

Das liege vor allem am boomenden Geschäft mit der Autoindustrie, sagte Vorstandschef Jean-Marc Chery in dieser Woche. Die Erlöse dieser Sparte seien um gut ein Drittel gestiegen. Unterm Strich verdiente das französisch-italienische Unternehmen fast 16 Prozent mehr als im Vorjahr.

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Derzeit zahlt sich aus, dass sich die großen europäischen Chiphersteller auf spezielle Märkte konzentrieren, nicht zuletzt die Autoindustrie. Die Hersteller benötigen für das automatisierte Fahren sowie für die Elektroantriebe immer mehr Halbleiter.

So hat ein florierendes Geschäft mit der Autobranche dafür gesorgt, dass der Umsatz bei NXP zumindest nicht zurückgegangen ist. Der Gewinn legte sogar um rund drei Prozent zu. Die Niederländer erzielen rund 60 Prozent ihrer Erlöse mit Autochips.

Infineon-Fertigung in Dresden

Deutschlands größter Chiphersteller verspricht ein kräftiges Wachstum im laufenden Geschäftsjahr. Nicht allen Halbleiterproduzenten geht es derzeit so gut.

(Foto: Getty Images; Per-Anders Pettersson)

Deutschlands größter Chiphersteller Infineon präsentiert seine neuesten Zahlen erst am kommenden Donnerstag. Der Münchener Dax-Konzern hat die Prognose für das laufende Geschäftsjahr, es endet am 30. September, bereits zwei Mal erhöht und versprach zuletzt ein Umsatzplus von 14 Prozent. Er rechne dank der Geschäfte mit der Autoindustrie mit einem guten Quartal für Infineon, urteilte zuletzt Barclays-Analyst Simon Coles.

Keine roten Zahlen mehr bei Intel

Der robuste Geschäftsverlauf der drei führenden europäischen Wettbewerber ist bemerkenswert. So hat der Branchenverband World Semiconductor Trade Statistics für das laufende Jahr ein industrieweites Umsatzminus von zehn Prozent vorhergesagt. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr sind die Erlöse gut drei Prozent gewachsen.

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Intel hat derweil die Erwartungen der Analysten mit seiner Prognose für das dritte Quartal deutlich übertroffen. Vorstandschef Pat Gelsinger rechnet mit einem Umsatz von bis zu 13,9 Milliarden Dollar, das sind 600 Millionen mehr, als die Banker vorhergesagt hatten. Im selben Zeitraum vor zwei Jahren lagen die Erlöse indes noch bei gut 19 Milliarden Dollar.

Und während die Wall Street sich jetzt schon darüber freut, dass Intel einen Gewinn von 20 Cent je Aktie in Aussicht stellt, waren es im Herbst 2020 noch 1,02 Dollar. Für die Banker zählt offenbar vor allem, dass die Zeit der roten Zahlen vorbei ist. Zu Jahresbeginn hatte der Konzern einen Verlust von 66 Cent je Aktie und insgesamt von 2,8 Milliarden Dollar ausgewiesen.

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