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Saturday, December 7, 2024

Chemie- und Pharmafirmen bremsen bei Forschung in Deutschland

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Düsseldorf Deutsche Chemie- und Pharmaunternehmen deckeln angesichts der trüben Konjunktur ihre Forschungsbudgets. Zwar planen die Firmen aktuell noch keine Einschnitte in diesem Bereich – anders als etwa bei Ausgaben für die Instandhaltung von Anlagen. Doch werden die Innovationsbudgets in diesen sehr forschungsintensiven Branchen 2023 zum zweiten Mal in Folge nur stagnieren. Das ergab eine am Donnerstag vorgestellte Umfrage des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) unter seinen Mitgliedsfirmen.

Auf den ersten Blick erscheint die Entwicklung positiv: Immerhin tasten die Firmen ihre Ausgaben für Forschung & Entwicklung (F&E) trotz der anhaltenden Konjunkturschwäche und der hohen Energiekosten nicht an. Doch aus Sicht des VCI sind die Ergebnisse alarmierend.

Denn die Chemie- und Pharmaunternehmen verschieben ihr Geld für die Suche nach neuen Produkten zunehmend ins Ausland. Ein Viertel der Firmen plant in diesem Jahr mit rückläufigen F&E-Ausgaben im Inland, nahezu genauso viele wollen ihr Engagement im Ausland verstärken, etwa in den USA. Am Standort Deutschland wird gespart.

Dazu kommt: Bei den in der Branche wichtigen externen Forschungsprojekten setzen die deutschen Chemie- und Pharmafirmen immer mehr auf Partner im Ausland. Mittlerweile gehen nahezu 60 Prozent dieser Auftragsforschung an Firmen, Wissenschaftler und Institute außerhalb Deutschlands. Auch hier sind die USA vorneweg, ebenso aber China.

Für den Standort Deutschland ist dies keine gute Nachricht. „Stagnierende Forschungsbudgets sind vor dem Hintergrund gewaltiger Anstrengungen anderer Industrienationen eigentlich heute schon ein Rückschritt“, sagte Thomas Wessel, Vorstand des Chemiekonzerns Evonik und Chef des VCI-Forschungsausschusses.

Deutschland rutscht ab, China holt bei Patenten auf

Besonders Patentanmeldungen gelten als geeigneter Indikator, wie sich Firmen für die Zukunft rüsten. Vor zwölf Jahren noch lag China in dieser Statistik weit hinten. 2021 kamen bereits 17 Prozent aller angemeldeten Chemie- und Pharmapatente aus dem Land, das damit nun weltweit Platz drei hinter den USA und Japan belegt.

Das zeigen Daten von Wipo, der Weltorganisation für geistiges Eigentum. Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie hingegen hat ihren Anteil im selben Zeitraum auf sieben Prozent halbiert und ist auf Platz fünf abgerutscht – nach China und Korea.

Die Gründe dafür sind vielfältig. In China ist in den staatlichen Wachstumsprogrammen quasi vorgeschrieben, die Forschung auszubauen. Heute agiert das Land in der Chemieforschung qualitativ mindestens auf Augenhöhe mit dem Westen.

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In den USA wiederum lockt vor allem im Pharmasegment eine Top-Szene an Wissenschaftlern und Biotechnologiefirmen. Dazu kommen steuerliche Subventionen, etwa im Rahmen des Inflation Reduction Acts.

Fachkräfte in der Forschung fehlen

In Deutschland selbst wird die Forschung aus Sicht der befragten Firmen vor allem von vier Faktoren gebremst: Ganz vorn nennen sie die unsicheren Aussichten über künftige Regulierungsvorhaben. Gemeint ist damit etwa das neue Sicherheitspaket, mit dem die EU den Einsatz bestimmter Chemikalien eindämmen oder verbieten will. Die Details sind noch unklar, werden aber mit Sicherheit die Chemieforschung deutlich beeinflussen.

>> Lesen Sie außerdem: „Wir sind der erste Dominostein, der wackelt“: So ist die Lage in Deutschlands wichtigsten Branchen

Dazu kommen „unzuverlässige politische Rahmenbedingungen“, die 57 Prozent der Befragten monieren. Die Chemiemanager stören sich an der fehlenden Planbarkeit, weil der vorgegebene Rahmen unklar sei oder sich dauernd verändere. Bremsend wirkten auch der Fachkräftemangel und zu komplex ausgestaltete Förderprogramme.

Diese Probleme zeigen sich auch in anderen Industrien. Der deutsche Maschinenbau werde seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung in diesem Jahr noch einmal steigern und setze weiter auf den Standort Deutschland, teilte der Branchenverband VDMA auf Anfrage mit.

Doch bezeichnen die Maschinenbauer den Arbeitskräftemangel mit Abstand als das größte Hindernis für ihre Entwicklungsabteilungen. Jede zweite Firma spricht bereits von einem starken Engpass. „Noch haben wir hierzulande einen herausragenden Innovationsraum“, sagt VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers. „Aber weil Personal fehlt, geht zwangsläufig Innovationspotenzial verloren, gerade auch im industriellen Mittelstand.“

Auszubildende im Maschinenbau

Der Branche fehlen in den kommenden Jahren zahlreiche Fachkräfte.

(Foto: E+/Getty Images)

Die Bundesregierung will gerade den Mittelstand nun mit einer deutlich ausgebauten steuerlichen Forschungsförderung unterstützen, wie das am Mittwoch verabschiedete Programm des Kabinetts zeigt. Danach können Firmen etwa Lohnkosten für Mitarbeiter oder Auftragsforschung steuerlich geltend machen.

Maschinenbauer und Chemiefirmen begrüßen dies. „Die geplante Ausweitung wird in mehr Wettbewerbsfähigkeit und technologische Leistungsfähigkeit einzahlen“, sagt Wiechers. Für den VCI ist es ein längst überfälliger Schritt. Mit dem allein aber lasse sich eine Forschungsflaute in Deutschland nicht verhindern.

Mehr Wachstumspotenzial im Ausland

Der Blick in die Chemie- und Pharmaunternehmen zeigt, woran es oft hapert. Grundsätzlich investieren sie auch an den Heimatstandorten. Doch bei wichtigen Technologien und Projekten bieten sich ihnen im Ausland vielfach bessere Möglichkeiten.

So etwa bei Bayer: Am Mittwoch startete der Konzern im rheinischen Monheim den Bau eines neuen F&E-Komplexes in der Agrarchemie mit einem Volumen von 220 Millionen Euro. Wissenschaftler sollen dort an der Sicherheit neuer Pflanzenschutzmittel für Mensch, Tier und Umwelt forschen.

Wissenschaftlerin von Bayer

Bei wichtigen Technologien und Projekten bieten sich im Ausland vielfach bessere Möglichkeiten.

(Foto: Bayer AG)

Die Entwicklung neuartiger Pflanzen mithilfe moderner Gentechnik hingegen findet in den USA statt. Vorige Woche verkündete Bayer eine mehrere Millionen schwere Partnerschaft mit dem US-Agrarunternehmen Pairwise. Die Firma hat spezielle Tools entwickelt, mit denen sich an jeder Stelle im Genom spezifische Änderungen vornehmen lassen. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung von Kurzhalm-Mais, der robuster gegen Wind- und Wettereinflüsse sein soll.

Weil das Gen-Editing von Pflanzen in Europa bisher verpönt ist, sind die Forschungskompetenzen längst in den USA konzentriert, wo der Gentechnik offen begegnet wird. Pharmaunternehmen wiederum monieren den fehlenden Rahmen in Deutschland, in dem sie entscheidende Studien an Patienten bei der Entwicklung neuer Medikamente erstellen können.

So etwa der Impfstoffhersteller Biontech: Die Firma investiert zwar auch am Heimatstandort Mainz in bedeutende Forschungskapazitäten. Die Entwicklung und Tests neuartiger Impfstoffe gegen Krebs aber wird Biontech in Großbritannien vorantreiben. Im Gegensatz zu Deutschland lockt die Firma dort ein höheres Tempo bei Studien, weil Nationaler Gesundheitsdienst, Forschungseinrichtungen und Aufsichtsbehörden eng zusammenarbeiten.

Mehr: Wie Lauterbach Deutschland für Pharmafirmen wieder attraktiver machen will.

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