Baukasten vom Zulieferer: Bosch ändert Softwarestrategie

Autonomes Fahren

Bosch bietet Sensoren, Software und Zentralrechner für die Autos der Zukunft jetzt auch einzeln an – auf Druck der Autohersteller.

(Foto: Bosch)

Stuttgart Bisher verstand Bosch sich als Systemzulieferer der Automobilindustrie. Hochwertige Elektronikkomponenten wie Fahrassistenzsysteme stets zusammen mit den nötigen Steuerelementen und der Software anzubieten, brachte dem Unternehmen hohe Margen. Doch kurz vor der Automobil-Messe IAA in München bietet Bosch die eigene Software zur Video-Umfeldwahrnehmung mithilfe intelligenter Kamerasysteme erstmals auch ohne die Hardware an. Diese Systeme sind die „Augen“ von (teilweise) autonom fahrenden Fahrzeugen und fortgeschrittenen Fahrassistenzsystemen.

Eine klares Umsteuern in der Softwarestrategie des deutschen Zulieferers. „Die Zukunft der Mobilität ist software-definiert“, sagt Christoph Hartung, Chef des Geschäftsbereichs Cross-Domain Computin Solutions, der unter anderem das assistierte und automatisierte Fahren verantwortet. „Hardware und Software Komponenten kommen zukünftig auch losgelöst voneinander auf den Markt.“

Die Bosch-Konkurrenten ZF und Continental vermarkten ihre Software bereits eigenständig. So bietet ZF die Fahrwerksystemsteuerung Cubix auch einzeln an, ohne die dazugehörigen Bremsen, Lenkung und Dämpfung aus eigener Produktion.

Autobauer wollen Software und Hardware einzeln einkaufen

Am liebsten würde Bosch weiter margenträchtige Gesamtpakete verkaufen, doch der Druck auf den Zulieferer ist hoch. Um im Geschäft zu bleiben, muss Bosch den Forderungen der Autobauer nachkommen, Software und Hardware getrennt einkaufen zu können. „Wir sehen einen Trend, in dem Kunden nicht mehr auf ein Komplettpaket eines Zulieferers zurückgreifen, sondern mehr und mehr nach wettbewerbskompatiblen Einzelkomponenten fragen“, sagt Sven Lanwer, der zuständige Bereichsleiter für Fahrerassistenzsysteme bei Bosch. Die Branche will Hardware und Software frei und betreiberunabhängig kombinieren können.

Aktuell sind in vielen Fahrzeugen noch eigene Steuergeräte für die einzelnen Fahrassistenzsysteme verbaut, teils mehr als zwei Dutzend. Die einzelnen Systeme werden zumeist von einem Zulieferer entwickelt und gebaut. Doch der Trend geht absehbar zu nur noch einem oder zwei leistungsstarken Zentralrechnern, auf denen die Softwaresysteme laufen. Kameras, Radar und andere Sensoren liefern dann nur noch die Daten zu. Der amerikanische Elektroauto-Pionier Tesla macht es vor.

Die Margen der Autozulieferer sinken

Das bedroht das bisherige Geschäftsmodell von Bosch. Bei den Zulieferern wird weniger Entwicklungskapazität vor Ort benötigt, die Margen für reine Hardware ohne eigene Steuerungseinheit sind niedriger. Zudem sind die Lieferanten der Sensorik dadurch viel leichter austauschbar. Bosch hat bei der Video-Hardware zur Umfeldüberwachung bereits reagiert und bietet neben komplexeren Varianten auch eine abgespeckte Einstiegskamera an.

Christoph Hartung

„Die Zukunft der Mobilität ist software-definiert“, sagt der Vorsitzende des Geschäftsbereichs Cross-Domain Computing Solutions bei Bosch.

(Foto: Bosch)

Damit die zentrale Steuerungseinheit des Autos die Daten verarbeiten kann, müssen sie zuerst per Software aufbereitet werden. Die Entwicklung der notwendigen Algorithmen ist zwar aufwendig, doch liegt in der Software eine hohe Wertschöpfung. Eine Möglichkeit für die Zulieferer, wieder Marge gutzumachen.

Bosch baut dabei wie andere große Zulieferer auf sein Wissen um die Prozesse im Auto. Das Unternehmen stellt sich schon seit längerem auf die wachsende Bedeutung von Software ein. Vor drei Jahren entstand die Sparte Cross-Domain Computing Solutions mit 17.000 Beschäftigten. Heute arbeiten hier an gut 40 Standorten weltweit mehr als 20.000 Spezialisten – darunter 7200 reine Softwareentwickler.

Nvidia, Qualcomm: Neue Konkurrenz für die Zulieferer

Doch ein Autoexperte aus der Chipindustrie warnt: „Das ist eine extrem komplexe Aufgabe für nicht-originäre Softwareunternehmen.“ Denn Bosch baut zwar auch die neuen Zentralrechner, die die Steuerung des Autonomen Fahrens übernehmen sollen. Doch die Chips dafür müssen sie bei Chip-Herstellern wie Nvidia oder Qualcomm einkaufen. Und diese Chipkonzerne arbeiten mit enormer Finanzkraft und großen Entwicklungskapazitäten daran, die zugehörige Auto-Software künftig selbst anzubieten. „Wenn diese Konzerne ernst machen, ist das für die Autozulieferer eine erhebliche Gefahr“, sagt ein Branchenkenner.

Bosch-Manager Hartung sieht die Konkurrenz als positive Herausforderung auch für die eigenen Bemühungen. „Unsere Software ist kompatibel mit allen Hochleistungschips für Zentralrechner. Wir versuchen nicht unsere Kunden in eine Situation zu bringen, in der sie an einen Anbieter gefesselt sind.“

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