Ampel setzt beim Thema Wasserstoff auf mehr Tempo

Robert Habeck und Bettina Stark-Watzinger

Der Wirtschaftsminister stellte die neue nationale Wasserstoffstrategie am Mittwoch vor.

(Foto: Reuters)

Berlin Die Ampelkoalition erhöht ihre Ambitionen beim Aufbau eines Wasserstoffnetzes. Niedergelegt sind die neuen Ziele in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS), die das Bundeskabinett am Mittwoch beschloss.

Der Beschlussfassung waren monatelange Streitereien unter den Koalitionspartnern vorausgegangen. Dabei ging es vor allem um die Frage, für welche Anwendungen Wasserstoff vordringlich genutzt werden soll. Am Ende rauften sich die Koalitionspartner zusammen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch im Anschluss an die Sitzung des Kabinetts, Wasserstoff sei nach dem Ausbau der Stromnetze und der erneuerbaren Energien die „nächste große Geschichte“, die Deutschland brauche, um bis 2045 klimaneutral zu werden.

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte, mit der Wasserstoffstrategie mache die Bundesregierung noch einmal Tempo. „Wir wollen natürlich die Energiewende schaffen, wir wollen den Klimawandel bekämpfen. Wir brauchen aber auch eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in unserem Land.“ Die Wasserstoffstrategie schaffe Planungssicherheit für die Unternehmen und für die Kommunen.

Nach den Worten von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) spielt Wasserstoff für den Verkehrssektor eine enorme Rolle. Ohne ihn sei klimaneutrale Mobilität und Logistik nicht denkbar. „Wir brauchen Wasserstoff, um insbesondere den Güterverkehr, aber auch den Individualverkehr klima‧neutral zu stellen“, sagte er.

Scherpunkt auf Ausbau der Wasserstoff-Netzinfrastruktur

Die Fortschreibung der Strategie, über die das Handelsblatt bereits vorab berichtet hatte, legt einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Wasserstoff-Netzinfrastruktur. So soll bis 2027/28 ein Wasserstoffstartnetz mit mehr als 1800 Kilometer Länge entstehen.

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Basis sollen überwiegend bestehende und dann umgewidmete Erdgasleitungen sein. Ein Teil der Leitungen soll auch neu gebaut werden. Geplant sind europaweit in etwa 4500 zusätzliche Kilometer. Bis 2030 sollen dann alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit relevanten Abnehmern verbunden sein.

Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung das Energiewirtschaftsrecht ändern, um die Grundlage für ein Wasserstoffkernnetz zu schaffen. Es soll kürzere, einfachere und digitalisierte Genehmigungsverfahren geben. Dafür plant die Regierung 2023 ein Wasserstoffbeschleunigungsgesetz.

Der Bund entwickelt zudem eine Wasserstoffimportstrategie, deren Veröffentlichungszeitpunkt noch unklar ist. Nach Einschätzung der Bundesregierung wird Deutschland rund zwei Drittel seines Wasserstoffbedarfs durch Importe aus entsprechend vielen Quellen decken müssen. Wasserstoffpartnerschaften mit Ländern, die gute Voraussetzungen zur Produktion von grünem Wasserstoff haben, sollen den Weg für Importe ebnen.

Zu Jahresbeginn hatte sich Habeck bereits mit Norwegen auf eine langfristige Versorgung mit Wasserstoff verständigt. Im Fokus wird allerdings zunächst blauer Wasserstoff stehen. Dieser wird auf Erdgasbasis hergestellt.

Wasserstoff

Neben dem Ausbau der Wasserstoff-Netzinfrastruktur arbeitet die Regierung an einer Wasserstoffimportstrategie.

(Foto: dpa)

Das dabei frei werdende CO2 wird abgespalten und unterirdisch gespeichert (Carbon Capture and Storage, kurz CCS). CCS ist nicht unumstritten. Später will Norwegen allerdings mehr und mehr auf die Produktion von grünem Wasserstoff umstellen.

Prognosen nach wird der Gesamtbedarf an Wasserstoff 2030 bei 95 bis 130 Terawattstunden liegen. Das entspricht rund drei Prozent des jährlichen Primärenergieverbrauchs, also des Energiegehalts aller in Deutschland eingesetzten Energieträger. Bis 2045, wenn Deutschland klimaneutral sein soll, sind laut Habeck 500 bis 600 Terawattstunden nötig.

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Klimaneutraler Wasserstoff soll zunächst in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen sowie zunehmend im Luft- und Schiffsverkehr eingesetzt werden. Verkehrsminister Wissing nannte als Ziele auch, ein Grundnetz an Wasserstofftankstellen aufzubauen und erneuerbare Kraftstoffe zu fördern.

Die bisherige Wasserstoffstrategie stammt vom Juni 2020, also noch von der Großen Koalition. Seitdem sei aber viel passiert, sagte Habeck. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 plant die jetzige Regierung aus SPD, Grünen und FDP, die Abhängigkeit von fossilen Energien schneller zu beenden.

Im Koalitionsvertrag war im Bereich Wasserstoff bereits vorgesehen, die heimische Elektrolyseleistung von fünf auf mindestens zehn Gigawatt bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. Das schlägt sich nun in der aktualisierten Wasserstoffstrategie nieder.

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