Ampel-Politiker und Opposition fordern Aufklärung von Wissing

Berlin Die Hinweise auf private Kontakte bei der Zuteilung von Fördergeld in Millionenhöhe im Bundesverkehrsministerium alarmieren Politiker der Ampelkoalition wie auch der Opposition. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Detlef Müller, forderte, Privates und Dienstliches „strikt“ zu trennen. „Nötigenfalls sind dienstliche Änderungen der Zuständigkeiten erforderlich, schon um jede Gefährdung zu verhindern.“

Transparenz und Compliance gälten überall und hätten „gerade bei Fördervergaben in diesen Größenordnungen oberste Priorität“, sagte Müller. Wenn sich der Verdacht bestätige, müssten „die gleichen Maßstäbe wie bei den Vorgängen um den Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium“ gelten.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) müsse sich erklären, sagte Connemann. Die Vorwürfe beträfen „nicht die Haustechnik des Ministeriums, sondern einen leitenden politischen Beamten“. CDU-Verkehrspolitiker Christoph Ploß forderte ebenfalls Aufklärung „im Sinne der deutschen Steuerzahler“.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, will wissen, „was wann geschehen ist“. Der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli kündigte an, seine Partei werde die Vergabepraxis „im Haushaltsausschuss zum Thema machen. Minister Wissing muss die Vorwürfe vollständig aufklären“. Auch im Verkehrsausschuss soll der Fall thematisiert werden.

Neue Kritik an einem geplanten Wasserstoffzentrum

Die Politiker reagieren auf einen Bericht des Handelsblatts. Es geht um mutmaßliche Freundschaften des Leiters der Grundsatzabteilung, im Ministerium auch „Mr. Wasserstoff“ genannt, zum Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) wie zu einem bayerischen Unternehmer.

Der Verband als auch Gesellschaften des Unternehmers erhielten nach Recherchen des Handelsblatts insgesamt rund 28 Millionen Euro aus dem „Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“. Das Programm liegt in der Verantwortung der Abteilung.

Der Abteilungsleiter reagierte nicht auf eine Anfrage zu möglichen Freundschaften. Der Unternehmer erklärte auf Nachfrage, er gebe „grundsätzlich keine Auskunft“ zu seinen „persönlichen Bekanntschaften und Freundschaften“.

Auch der Verbandschef betonte, im Rahmen der Förderung habe „kein direkter inhaltlicher Austausch“ zwischen ihm und dem Abteilungsleiter oder dem Verband und dem Abteilungsleiter stattgefunden. Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums wollte die mutmaßlichen privaten Kontakte zwischen dem Abteilungsleiter, dem Verbandschef und dem Unternehmer weder bestätigen noch dementieren. „Interessenkonflikte“ seien „nicht bekannt“.

Der Unternehmer war einst bei BMW in der Tankentwicklung tätig, hat sich mit Patenten seines alten Arbeitgebers selbstständig gemacht und inzwischen mehrere Gesellschaften gegründet. Diese haben nach Recherchen des Handelsblatts insgesamt rund 26 Millionen Euro Fördergeld vom Bundesverkehrsministerium zugesagt bekommen.

Hinzu kommen sollen 72,5 Millionen Euro für den Bau eines Wasserstoffzentrums (ITZ) im niederbayerischen Pfeffenhausen. Das Projekt koordiniert der bayerische Unternehmer über eine seiner Gesellschaften. Er hat nach eigenem Bekunden die „süddeutsche Bewerbung für einen ITZ-Standort initiiert“.

SPD-Politiker Müller kritisierte vor allem die mutmaßlichen Verbindungen in Zusammenhang mit der Entscheidung des Ministeriums, ein Wasserstoffzentrum ins Leben zu rufen. Die Idee kam 2021 aus dem Verkehrsministerium. Kurz vor der letzten Bundestagswahl wurde dann verkündet, statt eines Standorts vier zu benennen – einen davon im bayerischen Pfeffenhausen, wo mit 100 Millionen Euro auch das meiste Geld hinfließen sollte.

Nach Angaben einer Sprecherin des Ministeriums hat der Abteilungsleiter der Entscheidung für die vier Standorte „im Rahmen einer Mitzeichnung zugestimmt“.

Müller kritisierte die Entscheidung bereits damals, da der Standort seiner Heimatstadt Chemnitz in Voruntersuchungen am besten abgeschnitten hatte und diese sich Hoffnung gemacht hatte, einziger Standort zu werden. „Im Nachgang erscheint die schon damals hochumstrittene Entscheidung für das Wasserstoffzentrum Pfeffenhausen in einem anderen Licht“, sagte Müller nun.

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Kritik an der Entscheidung übt jetzt auch die für den Verkehrsetat zuständige Haushaltspolitikerin der Grünen, Paula Piechotta. Die Menschen in Deutschland müssten sich „sicher sein können, dass Fördergelder an die am besten geeigneten Standorte fließen – und nicht an die mit den besten politischen Verbindungen“, sagte sie dem Handelsblatt.

Compliance-Regeln sind „löchrig wie ein Schweizer Käse“

Der Bund investiert vor allem im Verkehrsbereich etliche Milliarden, nicht nur im Bereich Wasserstoff, sondern auch im Bereich der Infrastruktur bis hin zur bundeseigenen Deutschen Bahn AG. Linken-Haushälter Perli sagte, die Compliance-Regeln seien „löchrig wie ein Schweizer Käse“ und müssten dringend verschärft werden. „Private Kontakte und wirtschaftliche Netzwerke dürfen keinen Einfluss auf staatliche Förderentscheidungen haben, da muss bereits der Anschein vermieden werden.“

Entsprechend fordert auch der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, „Antworten auf gestellte Fragen und die selbstkritische Überprüfung von Vergabestrukturen“. Es brauche Transparenz und Sensibilität, um bereits den Anschein unsauberer Vorgehensweisen zu vermeiden. Dies gelte im Übrigen „für alle Ministerien“.

Auch der ehemalige parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister (CDU), übte scharfe Kritik. „Die Bundesregierung mag legitime inhaltliche Zielsetzungen verfolgen. Bei deren Durchsetzung hat sie dem Staat zu dienen und nicht sich den Staat zu eigen zu machen“, sagte er. Das Problem bestehe „in der fehlenden oder falschen Haltung hierzu“.

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