Wie Tui den Nachtzug profitabel machen will

Osnabrück Die letzten Betten wurden kurz vor Abfahrt in Amsterdam verkauft. Als der Tui City Express am vergangenen Donnerstagabend seine Reise über Osnabrück nach Prag begann, war er ausverkauft. Der Komfort an Bord ist einfach. Die Waggons haben schon viele Jahre auf dem Buckel, auch wenn in die Kabine investiert wurde.

Doch alles erinnert an Jugendherberge. Die Fünf-Personen-Kabine in der Eco-Klasse kostet 140 Euro pro Person, für das komfortablere Zweier-Abteil mit eigenem Waschbecken werden schon 249 Euro fällig. Und doch ist der Nachtzug begehrt. Wer durch den fast 470 Meter langen Zug mit seinen 700 Betten läuft, dem begegnet eine gemischte Gruppe von Fahrgästen.

Seit Juli fährt der Tui City Express. Betrieben wird er vom niederländischen Start-up Green City Trip, mit dem der Reisekonzern die Züge gemeinsam vermarktet. Auftakt war im vergangenen Winter der Tui Ski Express von den Niederlanden nach Österreich – damals noch ohne Halt in Deutschland.

Ab dem 23. Dezember soll der Ski Express dann auch in Köln, Bonn, Koblenz und Frankfurt halten. Dann wird Tui erstmals für den Verkauf aller Betten im Zug verantwortlich sein. Es ist ein langsames Herantasten des Konzerns an ein Geschäftsfeld, das für das Unternehmen jedoch nicht ganz neu ist. Vor vielen Jahren fuhr der Tui Ferienexpress, sogar mit eigenen Fahrzeugen. Doch dann kamen die Billigflieger, Tui gab den Zug Anfang der 90er-Jahre auf – mangels Wirtschaftlichkeit.

Jetzt wagt Konzernchef Sebastian Ebel einen neuen Versuch, dieses Mal ohne eigenen Fuhrpark. „Das ist für uns eine Riesenchance“, sagt er und stellt klar: „Es ist kein Altruismus.“ Soll heißen: Tui will mit den Hotels auf Gleisen Geld verdienen.

Nachtzüge sind bisher nicht profitabel

Dass das kein einfaches Unterfangen ist, zeigt die Konkurrenz. Kein Nachtzug-Anbieter in Europa verdient bisher Geld. Die Schweizer SBB braucht staatliche Unterstützung, die ÖBB in Österreich erwartet im laufenden Jahr maximal eine „schwarze Null“. Ein Problem: Die Züge stehen tagsüber ungenutzt herum. Sie im Regelbetrieb einzusetzen ist schwierig.

Zwar können in den meisten Abteilen die Betten hochgeklappt werden. Doch die komfortableren Kabinen mit Waschbecken, bei einigen Anbietern sogar mit Dusche, lassen sich nicht so einfach umwidmen. Ein zweites Problem: Für den Hotelbetrieb in der Nacht ist mehr und anders geschultes Personal nötig. Alles das treibt die Kosten.

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Nicht nur Tui musterte die Liegewagen deshalb aus, sondern auch die Deutsche Bahn. Sie verlor damit pro Jahr 30 Millionen Euro. „Züge sind ein komplexes System, komplexer als Luftfahrt“, weiß Tui-Chef Ebel. Sein Plan: Im Paket mit Hotelzimmern oder Aktivitäten vor Ort soll die Zugfahrt profitabel sein.

„Wir glauben, dass der Nachtzug zusammen mit der Vermarktung von Hotels wirtschaftlich zu betreiben ist“, so der CEO. Zudem erreiche man neue Kundengruppen. Der Nachtzug spricht typischerweise Menschen an, die beim Reisen streng auf ihr Budget achten – neben jenen, die ihn aus Gründen der Nachhaltigkeit nehmen.

Geht die Rechnung auf, soll das Angebot ausgebaut werden. In den kommenden drei bis fünf Jahren sollen zehn weitere Strecken dazukommen. Länder wie Italien, Frankreich oder die skandinavischen Staaten könnten angebunden werden.

Eine etwas komfortablere Zwei-Personen-Kabine

Großen Luxus dürfen Gäste im Tui City Express nicht erwarten.

Das könne mit dem niederländischen Partner Green City Trip realisiert werden, müsse es aber nicht, so Ebel: „Es gibt in Europa eine ganze Reihe von interessanten Unternehmen in diesem Markt, mit denen wir reden können.“ Man tausche sich bereits aus.

Hessel Winkelmann, Mitgründer und CEO von Green City Trip, stünde für Tui bereit. Mit einem Leasing-Spezialisten sei vereinbart, dass 75 Wagen von der niederländischen Staatsbahn Nederlandse Spoorwegen (NS) gekauft werden. „Die wollen wir zwar für den Tagdienst nutzen, aber wir haben in Summe Optionen für den Erwerb von bis zu 250 Wagen von der NS.“

Einen Teil davon wolle man bei Bedarf zum Nachtzug mit moderner Ausstattung umrüsten, so Winkelmann. Auch Pläne für deutlich luxuriösere Kabinen liegen bereits in der Schublade. Winkelmann und sein Team gehen ähnlich vor, wie Tui-Chef Ebel es plant. Die Betten werden zusammen mit Hotels vermarktet. Man sei damit der Profitabilität schon sehr nahe, so Winkelmann.

Bei aller Begeisterung für den Nachtzug, Ebel bremst allzu hohe Erwartungen. Der Nachtzug sei für Tui eine Ergänzung. „Wir lassen uns dadurch nicht von unserem Kerngeschäft ablenken, der Pauschal- und Paketreise“. Aber sein Ziel sei es, verschiedene Verkehrsträger anzubinden. Auch den Bus könne er sich dabei grundsätzlich vorstellen.

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