Wie die Wasserkrise unsere Existenz bedroht

Düsseldorf Wasser wird in absehbarer Zeit zum Flaschenhals unserer Gesellschaft, mahnen Wissenschaftler. Grund ist der anhaltende Klimawandel: „Der neue Normalzustand der Erde ist die Erwärmung“, sagte der US-amerikanischen Klimaforscher Matthew Cappucci jüngst im Interview mit dem Handelsblatt.

Wasser hat die Anfänge des globalen Handels und der Industrie ermöglicht, indem es Energiequelle, Verkehrsweg und Rohstoff zugleich ist. Wo das Wasser fehlt, da fehlt es den Menschen oft an allem.

Vor diesem Hintergrund ist es beispielsweise kein Zufall, dass viele Metropolen der Erde an Flüssen liegen – London, Berlin, Paris, Neu-Delhi – oder aus Hafensiedlungen am Meer entstanden sind – so etwa Tokio, Kapstadt, Hongkong.

Wasser ist das Fundament, auf dem alles Leben aufbaut. Doch wie eng unser Alltag wirklich mit diesem unscheinbaren, farb- und geruchlosen Fluid verwoben ist, das können wir kaum erahnen. Denn Wasser ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden, zumindest für die Menschen in den Industriestaaten des Westens.

WHO: Wasserkrise könnte Millionen Menschen zur Flucht zwingen

Laut Daten der Weltbank lag die verfügbare Menge des Frischwassers 1973 noch bei 10,6 Kubikmeter pro Kopf; heute sind es nur noch 5,5 Kubikmeter, also etwas mehr als die Hälfte.

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Die Europäische Kommission sprach 2022 für fast die Hälfte Europas eine Dürrewarnung aus: 47 Prozent der Fläche des Kontinents sind bedroht, darunter vor allem Italien, Spanien, Portugal und Frankreich.

Im Rest der Welt sieht das nicht anders aus, im Gegenteil: „40 Prozent der Weltbevölkerung sind von Wasserknappheit betroffen“ schreibt die Weltgesundheitsorganisation. Die Folge: „Bis zum Jahr 2030 droht bis zu 700 Millionen Menschen die Vertreibung aufgrund von Dürre.“ Das zeigt, dass die Wasserkrise auch eine politische Krise ist, denn sie verschiebt das Ungleichgewicht der Lebensqualität auf der Erde immer weiter.

Korallenriffe schützen Menschen – doch sie sterben aus

Doch etwas, zu dem man keine Beziehung hat, kann man nicht schützen, glaubt die österreichische Biologin und Arktisforscherin Birgit Sattler. Zwei jüngst erschienene Bücher wollen nun die Beziehung der Menschen zum Wasser auffrischen, ja, erneuern: der reichlich illustrierte Sammelband „Wasserwelten“ und das Buch „Durstiges Land“, in dem Susanne Götze und Annika Joeres anhand von sechs Beispielen schildern, wie wir leben werden, wenn das Wasser knapp wird.

Die Wasserkrise ist eine reale Krise. Sie ist unmittelbar verknüpft mit dem menschengemachten Klimawandel und wird, wenn nicht genügend Gegenmaßnahmen ergriffen werden, das Leben auf der Erde spürbar erschweren. „Die Prognose für die Zukunft ist alles andere als erfreulich“, schreibt Rachel Taylor, Herausgeberin des Buches „Wasserwelten“.

Susanne Götze und Annika Joeres: Durstiges Land
dtv. Verlag
München 2023
288 Seiten
20 Euro

Wie diese Prognose aussieht, das erzählt Taylors Sammelband entlang von zwölf individuellen Geschichten – Menschen, deren Existenz vom Wasser abhängig ist oder die ihre Arbeit dem Schutz der Gewässer widmen.

Einer dieser Menschen ist der Unterwasserfotograf Richard Vevers. Er hat die NGO Ocean Agency gegründet und will das Bewusstsein für die Folgen der Meereserwärmung und der Versauerung der Ozeane durch CO2 stärken. Seine Leidenschaft sind die Korallenriffe, die besonders empfindlich auf Veränderungen der Umwelt reagieren.

Der Weltklimarat geht davon aus, dass bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur noch ein Prozent der weltweiten Korallenriffe existieren wird, sollte die Erderwärmung die 2-Grad-Marke überschreiten. Welche Gefahr diese Entwicklung birgt, zeigt sich bereits an einer einfachen Zahl: „400 Millionen Menschen verdanken bisher intakten Korallenriffen ihre Nahrung und den Schutz vor Sturmwellen“, schreibt das Alfred-Wegner-Institut.

Die „Lachs-Menschen“: Wasserkrise bedroht Traditionen indigener Völker

Viele indigene Völker auf der Erde haben ihre Lebensweise und Traditionen am oder auf dem Wasser, beispielsweise in der Nähe von Riffen, aufgebaut. Sie leben noch heute vom Fischfang oder von Pflanzen, die nur in diesen einzigartigen Biotopen wachsen.

Rachel Taylor (Hrsg.): Wasserwelten
Benevento
Elisbethen 2023
320 Seiten
78 Euro

Aja Decoteau gehört zum Volk der Yakama, einer indigenen Gruppe, die am Columbia River im Norden der USA lebt. Die Aktivisten setzt sich dafür ein, dass die Lebensgrundlage der Yakama, die Neunaugen, Störe und Lachse des Columbia River und des Klickitak River, geschützt werden.

Decoteau erzählt in „Wasserwelten“, wie ihr Volk im 19. Jahrhundert von europäischen Siedlern aus seinen ursprünglichen Heimatgebieten vertrieben wurde. Die Siedler begannen mit dem Massenfischfang und dem Bau von Dämmen. Schon bald führte das dazu, dass die Ausbeute der Fischer der Yakama, die sich selbst „Salmon People“ – „Lachs-Menschen“ – nennen, schrumpfte.

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Heute setzt sich Decoteau als Geschäftsführerin der Columbia River Inter-Tribal Fish Commission dafür ein, dass die Fischbestände sich erholen. „Seit ihrer Gründung hat die Kommission mehr als 1500 Kilometer Flusslauf für den Lachs wieder zugänglich gemacht und konnte mehr als 40.000 Hektar Wassereinzugsgebiet sowie fast 800 Kilometer Flussufer durch veränderte landwirtschaftliche Anbaumethoden schützen.“

Sogar im „Best Case“ wird das Wasser knapp

Die Beispiele in Susanne Götzes und Annika Joeres’ „Durstiges Land“ sind fiktiv, doch das macht sie nicht weniger greifbar. Die Autorinnen erzählen entlang von sechs Schicksalen, „was uns erwartet, wenn wir die Warnungen der Wissenschaft ignorieren und weiter ein Lebens- und Wirtschaftsmodell aufrechterhalten, das die Natur und damit zwangsläufig uns selbst zerstört.“ Dabei schildern sie jeweils ein „Best Case“- und ein „Worst Case“-Szenario. Das Problem: Selbst im optimalen Szenario ist das Wasser noch immer knapp. Es besteht dann jedoch noch die Möglichkeit, es optimal und gerecht zu verteilen – und zu schonen.

Im „Worst Case“ ist das nicht mehr gegeben. In diesem Szenario sitzen Milliardäre auf den Wasserressourcen des Allgäus, wo sie sich ein Exil-Monaco aufgebaut haben, weil das Original unter dem Meeresspiegel versunken ist. Im „Worst Case“ brennen auch in Deutschland immer häufiger Wälder nieder, weil die Bevölkerung die Warnungen vor der drohenden Trockenheit zu lange ignoriert hat. Viele hörten auf die Worte populistischer Parteien, die behaupteten, „dass die Klimakrise nicht menschengemacht sei, man also auch nichts dagegen tun könne“.

Ob man die Zukunftsgeschichten in „Durstiges Land“ nun für fantasierte Dystopien hält oder nicht, ist letztendlich egal. Klar ist: In einer Welt, in der es jederzeit und überall an Wasser fehlt, kann und möchte sicherlich niemand leben.

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