Wie die Ubisoft-Cloud durch den Deal mit Microsoft gewinnt

Düsseldorf Ubisoft hat ein schlechtes Geschäftsjahr hinter sich. Im Mai musste Yves Guillemot, CEO und Mitgründer von Europas größtem Computer- und Videospielunternehmen, einen operativen Rekordverlust in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro verkünden.

„Wir haben die Streamingrechte für Spiele von Activision-Blizzard gekauft und werden die Möglichkeit haben, sie auf unserer Plattform Ubisoft Plus anzubieten, wo sie in der Cloud gespielt werden können“, erklärte Guillemot im Gespräch mit dem Handelsblatt, ohne einen Preis für den Rechteerwerb zu nennen. Zu Activision-Blizzard gehören erfolgreiche Spielereihen wie Call of Duty, World of Warcraft oder Diablo. Der Deal umfasst einen Zeitraum von 15 Jahren, in dem Ubisoft auch künftig entwickelte Spiele von Activision-Blizzard mitvertreiben kann – sofern die Übernahme wirklich stattfindet.

Möglich gemacht haben die Transaktion Auflagen der britischen Kartellbehörde CMA, die als letzte große Wettbewerbsaufsicht die Übernahme blockiert hatte. Für den französischen Spieleentwickler und Verleger Ubisoft, der auch in Deutschland mit mehreren Standorten vertreten ist, ist es ein Glücksfall – auch für Yves Guillemot.

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Der Franzose hat das Unternehmen 1986 mit seinen vier Brüdern gegründet, seit 1988 steht er als CEO an der Spitze. Heute beschäftigt sein Konzern rund 20.000 Menschen in mehr als 30 Ländern. Viel passiert sei in diesen 35 Jahren, sagt Guillemot. Derzeit befinde sich die Spieleindustrie in einer weiteren Umbruchphase. Damit meint er, ohne es explizit zu benennen, nicht nur die Künstliche Intelligenz (KI), mit der Ubisoft in seinen Skripten experimentiert.

Ubisoft will Gaming-Pass ähnlich Microsoft und Nvidia

Spiele sind mittlerweile nicht mehr so abhängig von der Hardware, auf der sie gespielt werden, wie in der Vergangenheit. PC, Konsole und etwa Smartphones verschmelzen miteinander. Auch weil moderne Mobilgeräte schon jetzt so leistungsfähig sind, dass mobile Gamer keine großen Abstriche in Umgang und Grafik mehr machen müssen. „Ubisofts Ziel ist, dass jedes unserer Spiele von jedem gespielt werden kann, egal wo sie sich befinden und wie sie gerade spielen möchten“, sagt der Guillemot.

Ubisoft Plus liefert dabei nicht nur die Spiele, sondern auch die Technik, um sie zu spielen. Die Games werden nicht lokal gespeichert und berechnet, sondern auf einem leistungsfähigen Server, nur das Bild wird übertragen. „Wir glauben an das, was das Cloud-Angebot mit Games machen wird“, erklärt Guillemot. Computerspiele sollen durch jederzeit verfügbare Online-Bibliotheken zu Festpreisen ein noch breiteres Publikum erreichen. „Wir sehen bereits am Beispiel Netflix, wie es Film und Fernsehen verändert hat.“

Yves Guillemot

Der Mitgründer und CEO von Ubisoft setzt auf die technologische Entwicklung – und einen kompletten Cloud-Service.

(Foto: Ubisoft)

Seine Zuversicht wird in der Branche geteilt. Digitalriese Google hat sich zwar von seinem Game-Streamingdienst Stadia wieder verabschiedet. Doch Softwarekonzern Microsoft und Chiphersteller Nvidia sind mit ihren Abo-Angeboten (Game Pass, Geforce Now) sehr erfolgreich. Abomodelle garantieren monatliche Einnahmen, dadurch sind sie weniger abhängig von Einzelerfolgen.

Cloud Computing sei „die nächste Disruption“, ist sich der Spitzenmanager sicher. Wenn man Spiele anbiete und gleichzeitig mehr und mehr Rechenleistung über Cloud-Dienste zur Verfügung stelle, sei das Ergebnis eine ganz neue, „herausragende“ Erfahrung. Spieler müssen auf diese Weise nicht mehr hohe Summen in moderne PCs oder Konsolen investieren. „Und letztlich werden wir in der Lage sein, ein Angebot zu machen, das nicht zu teuer sein wird“, sagt Guillemot in Bezug auf den Abopreis als Einstiegshürde.

Lob für das Streaming findet auch Deutsche-Bank-Analyst George Brown, gerade mit Blick auf den Deal mit Microsoft: „Diese Rechte werden das Inhaltsangebot von Ubisoft über seinen Abonnementdienst Ubisoft Plus weiter stärken.“ Zudem ermögliche es, den Streaming-Zugang zu Activision-Blizzard-Spielen an Cloud-Gaming-Firmen und Konsolenhersteller zu lizensieren. Da Microsoft den Deal kurzfristig habe abschließen wollen, um die Regulierer zu besänftigen, habe Ubisoft wahrscheinlich „günstige Bedingungen erhalten“, glaubt Brown.

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Für Ubisoft wäre das ein Befreiungsschlag. Die vorhandenen Spitzenspiele wie die Reihen Assassin’s Creed, Anno oder Shooter der Tom-Clancy-Serien funktionieren noch gut. Branchenkenner merken aber kritisch an, dass den Franzosen darüber hinaus wenig Welterfolge gelingen. Das Unternehmen selbst verspricht sich große Erfolge von den neuen Spielen, die auf der Gamescom vorgestellt wurden: The Crew Motorfest und Skull and Bones. Weitere Erfolgsspiele sollen Fortsetzungen bekommen, lässt Guillemot im Gespräch anklingen.

Ubisoft-Aktie weit unter Höchststand

Das dürfte auch dem Aktienkurs guttun. Der pendelte zuletzt um einen Wert von rund 28 Euro, was wieder rund zehn Euro über dem Jahrestief liegt. Dennoch performt die Aktie derzeit mehr als 70 Prozent unter ihren Höchstständen aus dem Jahr 2018. Das liegt auch an Skandalen, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren erschüttert haben. Vor drei Jahren wurden Vorwürfe laut, dass die Unternehmenskultur von Ubisoft sexuelle Belästigung und Missbrauch begünstige. Damals wuchs auch der öffentliche Druck auf die Geschäftsführung. Guillemot entschuldigte sich damals dafür, Mitarbeitende nicht vor dem Verhalten anderer Mitarbeiter geschützt zu haben.

Der Absturz der Aktie hat die Franzosen in der Konsolidierungswelle der Games-Branche sogar zum Übernahmekandidaten gemacht. Bei Ubisoft will man davon aber nichts wissen. Guillemot, der über eine Holding mit seinen Brüdern größter Aktionär des Konzerns ist, will sich nicht aus dem Unternehmen vertreiben lassen: „Wir sind börsennotiert, und das war und ist entscheidend für unsere Entwicklung als unabhängiges Unternehmen.“

Möglich macht das auch der zweitgrößte Aktionär: Tencent. Die Chinesen haben im vergangenen Jahr ihre Anteile auf 9,99 Prozent aufgestockt und gelten damit als eine Art Ankeraktionär. Guillemot möchte die Partnerschaft mit dem Technologiekonzern aber nicht höher bewerten als die etwa mit Nintendo oder Microsoft. Allerdings haben die Chinesen Ubisoft auch für einen hohen Betrag die Lizenzrechte des Assassin’s Creed Franchises für Mobilgeräte abgekauft. Hinzu kommt, wie der CEO erklärt, eine „gute Lizenzgebühr“, die das Unternehmen laufend kassiert. Geld, das Ubisoft wiederum in eigene Spiele und die Cloud investiert.

Hoffnungsträger Assassin’s Creed und Avatar

Guillemot bekräftigte auch im Gespräch mit dem Handelsblatt das Gewinnziel von 400 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr. Man habe im vergangenen Jahr keine sogenannten AAA-Titel, also Spitzenspiele veröffentlichen können, auch als Nachwehen der Covid-Einschränkungen.

Das Gewinnziel sei realistisch, sagt Online-Analyst Cavenagh Research: Allein für die kommenden Spiele der Assassin’s-Creed-Reihe sowie dem Spiel zum Avatar-Film sei binnen eines Jahres je ein Umsatz von einer Milliarde Dollar zu erwarten.

Kein Wunder, dass sich Yves Guillemot auch nach 35 Jahren nicht müde zeigt: „Als Manager kann man sich nicht ausruhen, man muss sein Unternehmen, sein Geschäftsmodell ständig neu erfinden.“ Veränderung sei eine gute Motivation, sagt er: „Ich liebe meinen Job.“

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