Wie die Bundesregierung Cannabis legalisieren will

Berlin Die Bundesregierung bringt an diesem Mittwoch voraussichtlich ihren umstrittenen Plan einer Cannabis-Legalisierung in Deutschland auf den Weg. Vor allem Grüne und FDP hatten sich schon im Bundestagswahlkampf für das Vorhaben starkgemacht.

Seit Anfang des Sommers liegt ein Gesetzentwurf von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor, der nun vom Bundeskabinett beschlossen und dann dem Bundestag zur Debatte und Verabschiedung zugeleitet werden soll. Das Vorhaben geht zwar nicht so weit wie ursprünglich geplant, krempelt aber dennoch die bisherige deutsche Drogenpolitik radikal um.

Cannabis ist der lateinische Name für Hanf. Das Harz an den Blüten der weiblichen Pflanze enthält laut Deutschem Hanfverband hohe Konzentrationen von Tetrahydrocannabinol (THC), das ist der Stoff mit der Rauschwirkung.

Werden die getrockneten knollenartigen Blüten geraucht oder Produkte mit THC konsumiert, werden Nutzer „high“: Sie geraten je nach Menge und Konzentration in einen heiteren, oft albernen Zustand. Bei manchen Menschen ruft die Droge aber auch Angstzustände und Panik hervor.

Der Rausch-Höhepunkt dauert ungefähr eine halbe Stunde an und ebbt dann langsam ab. Ein typisches Anzeichen dafür, dass jemand „bekifft“ ist, sind stark gerötete Augen.

Wie weit verbreitet ist das eigentlich in Deutschland?

Das Bundesgesundheitsministerium verweist hier auf repräsentative Befragungen aus dem Jahr 2021. Darin gaben 8,8 Prozent aller Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren an, in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben.

Karl Lauterbach

Die ursprünglichen Pläne des Bundesgesundheitsministers für die Legalisierung von Cannabis sind deutlich weiter gegangen.

(Foto: Reuters)

Bei den Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sagten 9,3 Prozent, schon einmal im Leben Cannabis probiert zu haben. 1,6 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe gaben regelmäßigen Konsum an. Bei den jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) hatte die Hälfte schon einmal probiert. 8,6 Prozent gaben regelmäßigen Konsum in den vergangenen zwölf Monaten an.

Was konkret soll nun rechtlich neu geregelt werden? 

Cannabis soll aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werden, wo es bisher neben Heroin und anderen Drogen als verbotene Substanz gelistet und mit entsprechenden Strafvorschriften belegt ist. Ab 18 Jahren soll künftig der Besitz von 25 Gramm erlaubt sein – von Volumen und Gewicht in etwa vergleichbar mit zwei gehäuften Esslöffeln Blumenerde.

Privat sollen maximal drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen. In Vereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, sollen Mitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

Soll Cannabis auch frei verkauft werden können?

Nein, erst einmal nicht, obwohl das der ursprüngliche Plan war – angelehnt an Länder wie Kanada oder einzelne US-Bundesstaaten. Dort gibt es spezielle Läden, in denen von Blüten („Gras“) über fertig gerollte Joints bis hin zu mit Cannabis versetzten Süßigkeiten verschiedenste Produkte frei an Erwachsene verkauft werden. Das soll nun in Deutschland zunächst vereinzelt in Modellprojekten erprobt werden. Allerdings ist dafür auch erst noch ein gesondertes Gesetz nötig, das noch gar nicht vorliegt.

Herstellung von Cannabis-Schokolade in Kanada

Die kanadischen Regeln für Cannabis sind wesentlich liberaler als die Pläne der Ampel.

(Foto: Reuters)

Wie genau soll das in diesen Cannabis-Vereinen laufen? 

Dort sollen die Pflanzen „gemeinschaftlich“ und „nicht-gewerblich“ angebaut und ausschließlich an Vereinsmitglieder abgegeben werden dürfen. Die Finanzierung läuft über den Mitgliedsbeitrag.

Pro Verein sind maximal 500 Mitglieder erlaubt. Pro Tag dürfen maximal 25 und pro Monat höchstens 50 Gramm pro Mitglied ausgegeben werden – bei unter 21-Jährigen nicht mehr als 30 Gramm im Monat mit maximalem THC-Gehalt von zehn Prozent. Die Droge darf nur in einer „neutralen Verpackung“ mit Beipackzettel ausgegeben werden, auf dem Gewicht, Erntedatum, Mindesthaltbarkeitsdatum, Sorte und Wirkstoffgehalt angegeben sind.

Räume und Grundstücke der Cannabis-Clubs müssen umzäunt und einbruchssicher gestaltet werden. Gewächshäuser brauchen einen Sichtschutz. Jeder Verein soll ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept erstellen und einen Sucht- und Präventionsbeauftragten benennen müssen, der sich schulen lassen und regelmäßige Auffrischungsschulungen machen muss.

Welche Regeln sind noch geplant? 

Kiffen in den Cannabis-Clubs und deren Nähe soll verboten sein, genauso wie im Umkreis von 200 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kindergärten oder Spiel- und Sportplätzen und in Fußgängerzonen zwischen 7.00 und 20.00 Uhr.

Ab wann darf in Deutschland legal ein Joint geraucht werden?

Das Bundesgesundheitsministerium schreibt auf seiner Webseite, dass das Cannabis-Gesetz Ende des Jahres in Kraft treten könnte. Bis dahin bleibt die Droge verboten, auch wenn der Besitz kleiner Mengen schon lange vielerorts gar nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird.

Der genaue Zeitpunkt des Inkrafttretens hängt davon ab, wie schnell das Vorhaben nach der Sommerpause im Bundestag beraten und beschlossen wird.

Auch der Bundesrat muss sich wie bei jedem Gesetz formal damit befassen, kann es aber wohl nicht stoppen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist es in der Länderkammer nicht zustimmungspflichtig. Das CSU-regierte Bayern etwa ist strikt gegen eine Legalisierung.

Was spricht für eine Legalisierung von Cannabis? 

Hier tobt eine aufgeladene Debatte: Befürworter und die Bundesregierung argumentieren damit, dass die Verbotspolitik gescheitert sei, da trotzdem immer mehr gekifft wird. Dann lieber qualitativ korrekte Produkte begrenzt freigeben, ohne möglicherweise giftige Beimischungen und mit Klarheit über den THC-Gehalt, so das Argument. Außerdem könnten so der Schwarzmarkt und die organisierte Drogenkriminalität eingedämmt werden.

Tüten mit Hanfblatt in einem Berliner Park

Befürworter einer Legalisierung glauben, dass so der Schwarzmarkt eingedämmt werden könnte.

(Foto: dpa)

Die rechtspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Carmen Wegge, erhofft sich zudem, dass durch eine Legalisierung der Kinder- und Jugendschutz gestärkt wird. „Wir stellen fest, dass das Cannabis-Verbot dazu geführt hat, dass eigentlich gar keine Aufklärungsarbeit an Schulen stattfindet.“ Jugendliche unter 18 Jahren, die mit Cannabis aufgegriffen werden, sollen nach den Gesetzesplänen zu Präventionskursen verpflichtet werden können.

Was sagen die Kritiker einer Legalisierung?

Gegner befürchten dagegen eine „Normalisierung“ der Droge, sinkende Hemmschwellen auch bei Jugendlichen und verweisen auf Gefahren des Cannabis-Konsums für das noch nicht ausgereifte Gehirn bei Heranwachsenden.

Zudem gibt es mit Blick auf die konkreten Pläne der Ampel Warnungen vor mehr Arbeit für die Justiz und die Polizei. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht massiven Nachbesserungsbedarf bei den Plänen. Trotz breiter Kritik habe Lauterbach lediglich kleine Änderungen vorgenommen, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke der Deutschen Presse-Agentur.

>> Lesen Sie hier: Cannabis-Firmen sind stark enttäuscht von Ampelplänen

Es fehle eine ausreichend lange Übergangsphase, was „zwangsläufig zu massiven Unsicherheiten, wenn nicht Konflikten zwischen Behörden und Bevölkerung“ führen werde, bemängelte Kopelke. Dem Polizeidienst werde der Entwurf große Probleme bereiten. Es gebe beispielsweise keine klaren Festlegungen, wer ortsbezogene Konsumverbote überwachen solle.

Polizei-Kontrolle

Die Gewerkschaft der Polizei sieht bei den Plänen der Ampel Nachbesserungsbedarf.

(Foto: dpa)

Der Deutsche Richterbund hatte bereits erklärt, die vielen speziellen Regeln zu Cannabis-Clubs und zum Anbau und zur Abgabe der Droge, die mit der Legalisierung kommen sollen, müssten kontrolliert und Verstöße geahndet werden. Der Berufsverband befürchtet daher mehr Arbeit für die Justiz.

Entsprechend scharf ist die Kritik aus der Opposition. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), mit dem Gesetz werde „ein kompletter Kontrollverlust verbunden sein“. Sein nordrheinwestfälischer Amtskollege Herbert Reul (ebenfalls CDU) warnte, die Ampel-Koalition werde damit Polizei und Justiz nicht etwa weniger, sondern stärker belasten.

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