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Saturday, January 18, 2025

Wie China die Standards fürs Metaverse setzt

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Düsseldorf Xirang, „Land der Hoffnung“, heißt die erste Metaverseplattform Chinas. Der Suchmaschinenkonzern Baidu schaltete sie Ende Dezember live. Bis zu 100.000 Nutzer gleichzeitig können mithilfe spezieller Virtual-Reality-Brillen als Avatare in dem digitalen Universum interagieren.

Die Ära der Mensch-Computer-Symbiose sei damit angebrochen, verkündete Robin Li überschwänglich. Der Chef und Mitgründer von Baidu sieht China als „fruchtbaren Boden für Künstliche Intelligenz“. Die Entwickler würden nun gar „ein goldenes Jahrzehnt einläuten“.

Die Umbenennung des US-Konzerns Facebook in Meta Platforms Ende Oktober hat weltweit einen Metaverse-Hype ausgelöst. Noch muss sich beweisen, ob damit auch das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) anbricht, wie Baidu-Chef Li glaubt. Oder ob es ebenso schnell wieder in der Versenkung verschwindet wie die 3D-Onlinewelt Second Life Anfang des Jahrtausends.

Da das im Moment niemand so genau weiß, überbieten sich Tech-Konzerne und -Start-ups mit kühnen Ankündigungen. Allein in China haben bis Ende Dezember mehr als 1300 Unternehmen Marken in Zusammenhang mit Metaverse eintragen lassen.

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Integraler Bestandteil der nationalen Sicherheit

Reihenweise kündigten börsennotierte Firmen vielversprechende Metaverse-Pläne an und trieben dadurch ihre Aktienkurse in die Höhe. Die Auswüchse hatten derartige Ausmaße angenommen, dass sich die Börsenbetreiber gezwungen sahen, Nachweise einzufordern, wie ernsthaft die entsprechenden Vorhaben sind. Die staatliche Zeitung Securities Times warnte gar, dass diejenigen, die blindlings einem illusorischen Konzept wie dem Metaverse folgten, am Ende Schaden nehmen könnten: „Investieren ist kein Spiel in einer virtuellen Welt.“

Dabei hat China durchaus das Potenzial erkannt: „Das Metaverse wird zum neuen Schlachtfeld des Wettbewerbs um Innovationen“, sagte etwa Yu Jianing vom Branchenverbrand der chinesischen Mobilfunkkonzerne CMCA. Auch wenn das Konzept noch in den Kinderschuhen stecke, sei es das nächste große Ding nach dem mobilen Internet, glaubt Yu, der das neu gegründete Metaverse-Industriekomitee leitet.

Auch im politischen Systemwettbewerb könnte das Metaverse ein neues Schlachtfeld werden. Es werde „ein integraler Bestandteil des politischen Denkens […] und der politischen Sicherheit eines Landes werden“, hielt der staatliche Thinktank China Institutes of Contemporary International Relations (CICIR) in einem Strategiepapier fest, veröffentlicht nur wenige Stunden nach Facebooks angekündigter Metamorphose.

Egal ob Metaverse, Virtual Reality (VR) oder Internet der Dinge (Internet of Things), die rivalisierenden Weltmächte USA und China haben ein elementares Interesse daran, die Regeln der schönen neuen Welt zu schreiben.

Bereits heute sind die beiden Konkurrenten die einzigen Staaten, die über die dazu notwendigen technologischen Kernkompetenzen verfügen. Dazu zählen bei der Software neben KI auch sogenannte Superapps. Bei der Hardware sind eine gut ausgebaute Infrastruktur für das Echtzeitinternet 5G sowie bezahlbare Endgeräte wie 5G-fähige Smartphones und VR-Brillen notwendig.

Bei KI legte China in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Aufholjagd hin. 2018 gaben die staatlichen Wirtschaftsplaner vor, dass die Volksrepublik bis 2025 in dieser Technologie wichtige Durchbrüche erzielen und bis 2030 weltweit führend sein soll. Das Industrie- und IT-Ministerium MIIT folgte Ende 2020 mit einem Entwicklungsplan für die VR-Industrie.

China mit besten Voraussetzungen bei Soft- und Hardware

Diese Dynamik ist dem ehemaligen Softwarechef des US-Verteidigungsministeriums, Nicolas Chaillan, nicht geheuer: Er warnte Anfang Dezember im Handelsblatt davor, dass China „etwa bei der KI, bei Cybersecurity und beim Einsatz innovativer Software nicht nur aufholt, sondern das Feld anführt“.

Bei digitaler Infrastruktur und Verbreitung von Hardware verfügt China bereits heute über einen deutlichen Vorsprung. Insgesamt gibt es dort 1,3 Millionen 5G-Basisstationen, wie das Industrieministerium Ende Dezember mitteilte. Das sind Schätzungen zufolge mehr als drei Viertel aller weltweit installierten Kapazitäten, aufgebaut von den heimischen IT-Ausrüstern Huawei und ZTE. Allein die südchinesische Tech-Metropole Shenzhen verfügt über mehr 5G-Funkmasten als ganz Deutschland. Fast 500 Millionen Chinesen nutzen den modernen Mobilfunkstandard, so das MIIT.

Experten halten die Verfügbarkeit von 5G mit seiner hohen Geschwindigkeit bei der Übertragung von Daten für eine zwingende Voraussetzung für Metaverse-Anwendungen. Zudem brauchen Anwender Endgeräte wie 5G-taugliche Handys und Virtual-Reality-Brillen, um die neuen virtuellen Plattformen zu nutzen.

In China waren zuletzt bereits über 80 Prozent aller verkauften Smartphones 5G-tauglich, wie der Branchenverband CAIC Ende Dezember vermeldete. Das liegt auch daran, dass es inzwischen viele günstige Modelle chinesischer Anbieter wie Oneplus, Oppo und Xiaomi gibt.

Billige Endgeräte erschließen den Massenmarkt

Das gilt auch für VR-Equipment. Dem US-Analysehaus IDC zufolge war China bereits 2020 der größte Einzelmarkt für sogenanntes Augmented- und Virtual-Reality-Equipment. Unter Augmented Reality (AR) versteht man, dass einem Nutzer in der realen Welt etwa mittels einer App oder einer speziellen Brille Informationen eingeblendet werden, etwa eine Wegbeschreibung oder Geschwindigkeitsangaben. Bei Virtual Reality taucht der Nutzer komplett in eine digitale Welt ein.

AR- und VR-Brillen seien „die nächste Generation von mobilen Computerplattformen, die sich bald durchsetzen werden, und das Metaverse ist die Präsentation der Internetindustrie auf dieser neuen Plattform“, sagte Ping Tan, Chef von Alibabas Virtual Reality Lab Damo.

Schöne neue Welt

Besucher einer Metaverse-Kunstausstellung in Hongkong.


(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Insbesondere im unteren Preissegment dominieren chinesische Hersteller. Dadurch können sich mehr Kunden die Geräte leisten. Die bekanntesten Produzenten sind DPVR aus Schanghai und Pico Interactive aus Peking, die auch international signifikante Marktanteile erreichen. Daneben gibt es zahlreiche lokale Billiganbieter. Für die chinesischen Hardwarehersteller eröffnet sich durch den Metaverse-Hype ein Milliardenmarkt.

Auf der Software-Seite hat China nicht zuletzt dank massiver staatlicher Investitionen aufgeholt, die USA vielleicht sogar überholt, wie Ex-Pentagon-Manager Chaillan glaubt. Ein wichtiger Grund für die großen Fortschritte sei die gezwungenermaßen enge Kooperation der Privatwirtschaft mit dem Staat.

Ein weiterer strategischer Vorteil sei, dass chinesische Unternehmen wegen der Bevölkerungsgröße auf riesige Datensätze zugreifen können, um ihre KI zu trainieren. Auch in den USA sammelten jene Unternehmen Daten, etwa durch die weit verbreitete Kurzfilm-App Tiktok. Deren Mutterkonzern ist das chinesische Social-Media-Konglomerat Bytedance.

Dass Bytedance durchaus ambitionierte Pläne für VR-Anwendungen hat, bewies das Unternehmen mit der Übernahme des VR-Brillen-Herstellers Pico Ende August vergangenen Jahres – bereits bevor Facebook mit seiner Umbenennung die Aufmerksamkeit auf das Geschäft lenkte. Auch die großen Internetplattformen Alibaba, Baidu und Tencent wollen das Potenzial des neuen Konzepts nutzen:

  • Alibaba: Der E-Commerce-Konzern experimentiert bereits seit dem vergangenen Jahr mit ersten Metaverse-Angeboten. Auf der Plattform Taobao bietet er seinen Kunden die Möglichkeit, ihre Avatare virtuell mit Designerkleidung von Alexander McQueen, Hugo Boss oder Prada auszustatten.
  • Baidu: Der Suchmaschinen-Riese startete Ende Dezember die erste Metaverse-App Xirang. Geht es nach Baidu, sollen auf der Plattform alle möglichen Bereiche aus der realen Welt gespiegelt werden: Unterhaltung, Bildung, Spiele, Sport, Werbung, Konferenzen, Ausstellungen.
  • Tencent: Das Social-Media-Konglomerat will seine Marktführerschaft im Bereich Onlinespiele und Musik-Streaming auch im Metaverse verteidigen. Durch seine Beteiligungen an Epic Games (Fortnite) und der Spieleplattform Roblox sieht sich das Unternehmen in einer guten Ausgangsposition. Beide Spieleangebote gelten als erste Ausbaustufen von Metaverse-Plattformen, Anwender können hier etwa digital Besitz erwerben oder Konzerte mit Weltstars erleben. Bereits 2020 hat Tencent in Wave, einen US-Anbieter von virtuellen Konzerten, investiert. Das Tochterunternehmen Q Music soll die erste Musikplattform in China werden, die digitale Sammlerstücke als sogenannte Non-fungible Tokens (NFT) herausgibt. Im August vergangenen Jahres startete Tencent die NFT-Trading App „Magic Core“.

Auch andere chinesische Internetkonzerne sehen große Chancen in der neuen virtuellen Welt. „Wenn das Metaverse kommt, werden wir wahrscheinlich der schnellste Läufer sein“, kündigte William Ding Lei, Gründer von Netease, dem zweitgrößten Online-Spieleanbieter nach Tencent, vollmundig an. Die Videostreaming-Plattform iQiyi stellte im Dezember ihr selbst entwickeltes All-in-one Virtual Reality Headset vor, mit dem sie im boomenden VR- und Metaverse-Markt mithalten will.

Die „cyberphysikalische Natur“ des Internets der Dinge (IoT), also die Verquickung von Software und Hardware, „verstärkt Chinas Vorteile als globales Produktionszentrum“, betont John Lee, Direktor des Beratungsunternehmens East-West Futures.

Bereits 2030 könnte China mit einem globalen Marktanteil von 26 Prozent der größte Einzelmarkt für IoT werden, prognostiziert das Beratungsunternehmen McKinsey. Unternehmen wie Alibaba, Baidu und Huawei dehnten dabei die Grenzen von Technologie und Künstlicher Intelligenz immer weiter aus, so die Experten.

Das bedeutet jedoch auch, dass die Grenzen zwischen physischer und virtueller Realität zunehmend verschwimmen. Eine Entwicklung, die die chinesische Staatsführung um Xi Jinping durchaus kritisch sieht.

In den vergangenen Monaten haben Chinas Aufseher mit einer regelrechten Regulierungswelle versucht, Marktmacht und Einfluss von Internetplattformen und sozialen Medien einzugrenzen. Alibaba, Tencent und Co, die in den vergangenen Jahrzehnten praktisch ungebremst wachsen konnten, werden nun an die Kandare genommen. Besonders in den Fokus der Aufseher rückten die Gaming-Unternehmen. Sie seien „Opium fürs Gehirn“, wetterte eine staatliche Zeitung.

Virtuelles Decoupling droht

Es ist deshalb kaum denkbar, dass Chinas Machthabern ein Metaverse als Art gigantisches Onlinespiel vorschwebt, wie es die bisherige Entwicklung in den USA oder Südkorea durch die Vorreiterrolle von Gaming- und Entertainmentbranche suggeriert. Zumal die Staatsführung mit den neuen Regeln für die Tech-Branche auch bewirken will, dass Investitionen aus dem Consumer-Bereich stärker in zukunftsträchtige Hightech-Industrien fließen.

Ein China-typischer Weg wäre es, die Chancen der neuen virtuellen Welt in Pilotzonen zu erproben. So forderte die Stadtregierung der Finanzmetropole Schanghai Ende Dezember Unternehmen dazu auf, die Forschung „an wichtigen Plattformen für die Interaktion zwischen der virtuellen Welt und der realen Gesellschaft“ zu intensivieren. Dies könnte etwa mit Steueranreizen gefördert werden. Schanghai wurde bereits im Juli zur Pilotzone für KI, Biotech und Halbleiter erklärt.

Grenzen zwischen physischer und virtueller Realität verschwimmen

Der chinesische Smartphonehersteller Oppo stellte Ende Dezember seine neue AR-Brille Air Glas vor.


(Foto: PR)

Einen weiteren Hinweis, in welche Richtung China steuern will, gab der stellvertretende Ministerpräsident Liu He, Wirtschaftsexperte im engsten Führungszirkel der Kommunistischen Partei, bei einer Konferenz Ende November: Die Kombination von 5G und industriellem Internet sei „eine historische Chance für die sprunghafte Entwicklung traditioneller Industrien“, betonte er.

Doch der reale Kampf der Systeme spiegelt sich auch im virtuellen Metaverse wider. Dort könnten sich, wie im richtigen Leben, digitale Wirtschaftsmodelle und Wertschöpfungsketten „,gabeln‘ und gegenseitig isolierte Systeme bilden“, schreiben die Strategen der staatlichen Denkfabrik CICIR. In der realen Welt wird dieser Prozess als „Decoupling“ bezeichnet.

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