Thyssen-Krupp erhält Milliardenförderung für grüne Stahlproduktion

Duisburg, Berlin Erneut Duisburg, erneut Robert Habeck: Wie schon Mitte Juni ist der Bundeswirtschaftsminister am Mittwoch ins Ruhrgebiet zu Thyssen-Krupp gekommen. Und er hat gute Nachrichten mitgebracht: Der Stahlkonzern wird mit insgesamt zwei Milliarden Euro gefördert.

„Heute ist ein guter Tag für das Klima, für die grüne Industrie in Deutschland, für den Standort Duisburg und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagte Habeck. Thyssen-Krupp zeige, dass es durch den Einsatz von Wasserstoff möglich sei, auch den Stahlsektor als größten industriellen CO2-Verursacher in Deutschland zu dekarbonisieren.

„Der heutige Tag markiert einen Meilenstein,“ erklärte Thyssen-Krupp-Chef Miguel López. Nun habe man Gewissheit, dass der Standort Deutschland und auch Duisburg eine Vorreiterrolle bei der grünen Stahlproduktion einnehmen könne. „Dieser anspruchsvolle Transformationsprozess kann nur durch das Zusammenspiel von Wirtschaftspolitik und Unternehmen funktionieren,“ erklärte López.

Da das Wirtschaftsministerium einem vorzeitigen Beginn des Projekts zugestimmt hatte, konnte Thyssen-Krupp bereits mit den Arbeiten am Standort Duisburg beginnen. Ende 2026 soll die Anlage in Betrieb gehen und jährlich 2,5 Millionen Tonnen Stahl produzieren – zuerst mit Erdgas, dann mit grünem, also durch Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugtem Wasserstoff.

Direktreduktionsanlage soll mehr als, 3,5 Millionen CO2 pro Jahr vermeiden

So kann der Konzern laut eigener Angabe künftig mehr als 3,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr vermeiden. Allein der Standort Duisburg verursacht pro Jahr 20 Millionen Tonnen CO2 bei der Roheisenproduktion. Bis 2030 will Thyssen-Krupp hier jedoch sechs Millionen Tonnen einsparen. Weitere Projekte für den Ersatz von Hochöfen seien dementsprechend geplant, erklärte Osburg. Auch hier signalisierte Habeck Unterstützung.

Habeck hatte am Vormittag vertretungsweise für Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch die Sitzung des Bundeskabinetts geleitet. Darin hatte die Regierung ihre neue Wasserstoffstrategie verabschiedet. Die Industrie spielt dabei eine wichtige Rolle. „Die Stahlindustrie in Deutschland hat mit dieser zentralen Weichenstellung eine Zukunft“, erklärte Habeck. Das sichere auch langfristig zahlreiche Arbeitsplätze.

Thyssen-Krupp-Chef Miguel Lopez in Duisburg

Die neue Anlage benötigt zur nachhaltigen Stahlherstellung vier Mal so viel Wasserstoff, wie aktuell in Europa produziert wird. Habeck interpretiert dies als „Anreiz für den Wasserstoffhochlauf.“ „Wir sorgen für einen massiven Push beim Aufbau eines europäischen und deutschen Wasserstoffnetzes,“ schloss sich Spartenchef Osburg dem Minister an.

Insgesamt betragen die Kosten des Projekts rund 2,7 Milliarden Euro, heißt es aus Konzernkreisen. Bei der geplanten Förderung von bis zu zwei Milliarden Euro soll der Bund eine Beihilfe von etwa 1,3 Milliarden leisten, das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt den Industriekonzern mit bis zu 700 Millionen Euro. Thyssen-Krupp selbst muss knapp eine Milliarde Euro an Investitionen aufwenden.

Genehmigungsverfahren verzögerte sich um Jahre

Es sei ein langer Weg gewesen, erklärte Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol. Fast zwei Jahre habe es gebraucht, um den Förderbescheid zu erhalten. „Das ist eindeutig zu lange“, so Nasikkol und appellierte an die Politik, den Konzern bei der weiteren Transformation des Stahlstandortes zu unterstützen. ls Dankeschön für den Förderbescheid überreichte Nasikkol dem Bundeswirtschaftsminister ein Herz aus Stahl, gefertigt im Stahlwerk in Duisburg.

Das Verfahren gestaltete sich schwierig: Bürokratische Unklarheiten zwischen der Bundesregierung, der EU-Kommission und Thyssen-Krupp hatten die Genehmigung der EU und damit den Förderbescheid seit 2021 verzögert. Während es etwa beim Stahlkonkurrenten Salzgitter AG keine Änderungen von Konzern- oder Bundesseite mehr an den Anträgen gab, habe es bei Thyssen-Krupp jedoch im Nachhinein noch mehrmals Diskussionspotenzial zu der Förderung gegeben, wie das Handelsblatt aus Unternehmenskreisen erfuhr.

Arbeiter am Hochofen bei Thyssen-Krupp in Duisburg

In Zukunft soll der Stahl mit Wasserstoff produziert werden.

(Foto: imago images/simme)

Im Umfeld der EU-Kommission hießt es, fehlende Unterlagen beim Antrag hätten den Prozess verzögert. Im Wirtschaftsministerium sah man dagegen Kreisen zufolge die Schuld in Brüssel.

Vor allem die Tatsache, dass die von Thyssen-Krupp geplante Direktreduktionsanlage im Vergleich teurer ist als die Anlagen anderer Stahlhersteller, hatte wettbewerbsrechtliche Fragen aufgeworfen. Anders als im Fall von Salzgitter werden zu der Anlage in Duisburg noch zwei sogenannte Einschmelzer gebaut, die die Kosten in die Höhe getrieben haben.

Zwar soll bei beiden Anlagen mithilfe von Wasserstoff Roheisen hergestellt werden. Bei der weiteren Verarbeitung setzt Thyssen-Krupp jedoch auf die Einschmelzer statt auf einen Elektroofen wie bei Salzgitter, da in Duisburg kein vergleichbares Elektrostahlwerk vorhanden ist.

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Darüber hinaus ist die europäische Autoindustrie für den Konzern der wichtigste Abnehmer. Dabei ist Thyssen-Krupp aber an bestimmte Gütekriterien gebunden, die sich nur mit den Einschmelzern gewährleisten lassen.

Für Thyssen-Krupp bedeutet die Überreichung des Förderbescheids Planungssicherheit in schwierigen Zeiten. Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs war der Industriekonzern mit einem Verlust von 223 Millionen Euro tief in die roten Zahlen gerutscht.

Zudem gestaltet sich auch die Suche nach einem Partner für die Stahlsparte des Unternehmens laut Informationen des Handelsblatts aus Unternehmens- und Finanzkreisen seit Jahren schwierig. Doch für die grüne Transformation benötigt Thyssen-Krupp dringend Partner: Die für die grüne Stahlproduktion nötigen Investitionen kann der Konzern nicht allein decken.

Neben Thyssen-Krupp warten auch Arcelor-Mittal und Saarstahl auf eine Förderfreigabe der EU. Insgesamt geht es um eine staatliche Förderung von sechs Milliarden Euro für die drei Stahlkonzerne sowie Salzgitter.

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