Srettha Thavisin wird neuer Regierungschef

Bangkok Eine Einigung zwischen jahrzehntelangen politischen Rivalen macht in Thailand den Weg frei für eine neue Regierung – und die Rückkehr eines einflussreichen Ex-Premiers aus dem Exil. Der unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen verurteilte Milliardär Thaksin Shinawatra kehrte am Dienstag 15 Jahre nach seiner Flucht aus Thailand in seine Heimat zurück.

Wenige Stunden später wurde der Kandidat der von Thaksin unterstützten Partei Pheu Thai, Srettha Thavisin, zum neuen Regierungschef von Südostasiens zweitgrößter Volkswirtschaft gewählt.

Der Thaksin-Verbündete erhielt dabei die Unterstützung mehrerer mit dem Militär verbundener Parteien und von Senatoren, die den Streitkräften nahestehen. Damit endet mehr als drei Monate nach der Wahl in Thailand die Unsicherheit über die politische Zukunft des Landes.

Die Abstimmung markiert einen Wendepunkt in der Auseinandersetzung zwischen dem Militär und Thaksins politischem Lager, das seit der Jahrtausendwende bis zu diesem Jahr jede Wahl gewann, aber stets von den Generälen und deren Vertrauten im Justizapparat wieder von der Macht vertrieben wurde. 

Die tiefe Feindschaft, die mit dem Militärputsch gegen Thaksin im Jahr 2006 ihren Anfang nahm, stürzte Thailand mehrfach in schwere politische Krisen. Doch künftig wollen beide Seiten zusammenarbeiten: Als neuer Regierungschef führt der Pheu-Thai-Politiker Srettha, ein ehemaliger Immobilienunternehmer, eine Elf-Parteien-Koalition an, die auch den politischen Arm der früheren Militärjunta beinhaltet. 

Neuer Regierungschef verteidigt Zusammenarbeit mit dem Militär

Noch im Wahlkampf hatte Pheu Thai eine Zusammenarbeit mit den Militärparteien ausgeschlossen. Umfragen zeigen eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der nun erfolgten Kehrtwende. Srettha verteidigte den Schritt: „Wir belügen niemanden, aber wir müssen realistisch sein“, sagte er mit Blick auf den nach wie vor großen politischen Einfluss, den das Militär in Thailands Politik hat. 

Thailands Ex-Regierungschef Thaksin kehrt aus Exil zurück

Nach dem Putsch gegen die Regierung von Thaksins Schwester, Yingluck Shinawatra, vor neun Jahren hatte das Militär eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, die ihm bei der aktuellen Regierungsbildung ein De-facto-Vetorecht ermöglicht hat: Sie sieht vor, dass von der Junta ausgesuchte Senatoren bei der Wahl der Regierungschefs mitentscheiden. Der eigentliche Wahlsieger – die progressive Partei Move Forward, die bei der Abstimmung im Mai überraschend stärkste Kraft wurde – scheiterte mit ihrem Kandidaten Pita Limjaroenrat an dieser Hürde.

Im Gegenzug für ihre Unterstützung für den als moderat geltenden Pheu-Thai-Kandidaten Srettha erhalten die politischen Vertreter des Militärs nun mehrere Ministerposten – und die Zusicherung, dass die von Move Forward angestrebten tiefgreifenden politischen Reformen ausbleiben.

Die Partei hatte unter anderem versprochen, das Militär politisch zu entmachten. Auf besonders große Ablehnung unter Konservativen stieß ihr Plan, das strikte Majestätsbeleidigungsgesetz zu reformieren – allein die Diskussion darüber galt bei ihnen als Tabubruch.

Pheu Thai macht unterdessen klar, an der Rolle der Monarchie nicht ändern zu wollen. Parteivordenker Thaksin unterstrich dies nach seiner Ankunft in Bangkok mit einer symbolischen Geste: Unmittelbar nach dem Verlassen seines Privatjets kniete er vor einem Porträt von König Maha Vajiralongkorn nieder und verbeugte sich anschließend vor dem Bild. Thailands TV-Sender übertrugen den Moment live – und zeigten, wie Thaksin mit breitem Lächeln seinen Hunderten Anhängern zuwinkte, die sich am Flughafen versammelt hatten.

Dass die Behörden dem 74-Jährigen trotz seiner Verurteilungen eine öffentlichkeitswirksame Inszenierung zur Rückkehr erlaubten, spricht dafür, dass auch sein Schicksal Teil der Vereinbarung zwischen dem konservativen Establishment und seiner Partei ist.

Thaksin wurde zwar nach seinem Fototermin am Flughafen von der Polizei abgeführt – erst zum Obersten Gerichtshof und dann in ein Bangkoker Gefängnis, wo er eine achtjährige Haftstrafe absitzen soll. Aber politische Beobachter rechnen damit, dass er wohl bald wieder freikommen könnte. Eine Möglichkeit dafür wäre eine königliche Begnadigung.

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Offiziell heißt es, dass sich Thaksin aus Thailands Politik künftig heraushalten möchte. Doch über seine Verbündeten bei Pheu Thai wird er weiter zumindest indirekt Einfluss nehmen können.  

Mindestlohn soll fast verdoppelt werden

Der neue Premier Srettha, der noch bis vor Kurzem den Immobilienkonzern Sansiri führte, will Thaksins wirtschaftspolitischen Vorstellungen folgen und untere Einkommensschichten entlasten: Im Wahlkampf versprach Pheu Thai, den Mindestlohn auf knapp 16 Euro am Tag fast zu verdoppeln.

Parlament in Thailand

Das De-facto-Vetorecht ermöglicht, dass von der Junta ausgesuchte Senatoren bei der Wahl der Regierungschefs mitentscheiden.

(Foto: Reuters)

Bauern, die als eine der wichtigsten Wählergruppen gelten, sollen Kreditraten mehrere Jahre lang aussetzen können. Zudem soll jeder Staatsbürger über 16 Jahren einen Konsumgutschein im Wert von mehr als 250 Euro erhalten.

Die Partei verspricht sich davon einen Impuls für die Wirtschaft des Landes, die in den vergangenen Jahren deutlich langsamer gewachsen ist als die meisten anderen Länder der Region. Im zweiten Quartal dieses Jahres hatte sich die Konjunktur nochmals überraschend stark abgekühlt, wie am Montag veröffentlichte Daten zeigten.

Demnach legte das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur noch um 1,8 Prozent zu. Analysten hatten mit mehr als drei Prozent gerechnet. Mitverantwortlich für die wirtschaftliche Schwäche war der Rückgang privater Investitionen – auch als Folge der unklaren Machtverhältnisse. 

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Srettha machte die vom Militär kontrollierte Vorgängerregierung für die Probleme verantwortlich: „Es ist klar, dass in den vergangenen neun Jahren, in denen Pheu Thai nicht an der Regierung war, der Lebensstandard der Menschen gesunken ist“, sagte er. Phai-Thai-Parteichef Cholnan Srikaew versprach unmittelbar vor der Premierministerwahl, dass es „so bald wie möglich Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums“ geben werde.

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