So teuer ist Gas aktuell und könnte es noch werden

Gaspreise aktuell

Die Gaspreisentwicklung macht Energie in Deutschland zunehmend teurer. 


(Foto: dpa)

Düsseldorf Seit einem Jahr erleben die Gaspreise in Deutschland einen rasanten Anstieg. Die plötzlich steigende Nachfrage nach Gas gegen Ende der weltweiten Coronapandemie im vergangenen Herbst löste die Preisrally aus. Ein Vielfaches weitergetrieben durch die Folgen des Ukrainekriegs, sind die Kosten für eine Megawattstunde (MWh) Erdgas mittlerweile auf einem nie da gewesenen Allzeithoch. 

Die steigenden Gaspreise kommen auch bei immer mehr Verbrauchern und Unternehmen an. Gasrechnungen werden sich erhöhen, wahrscheinlich sogar vervielfachen. Gaskunden stehen schon jetzt oft vor der Frage, wie sie die gestiegenen Energiekosten bewältigen sollen. Dabei wird der größte Preissprung erst 2023 in der Bevölkerung ankommen.

Verbraucher sind entsprechend verunsichert, worauf sie sich in den kommenden Monaten einstellen müssen. Wie hoch sind die Füllstände der Gasspeicher? Was kostet die Kilowattstunde (kWh)? Wie weit könnten die Gaspreise noch steigen?

Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick. 

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Wie hoch sind die Gaspreise aktuell?

Die Megawattstunde Gas kostet derzeit nur noch um die 200 Euro (Stand: September 2022). Auf dem Höhepunkt der bisherigen Preis-Aufwärtsspirale Ende August 2022 kostete eine MWh Erdgas an der niederländischen TTF-Börse 346 Euro. Seitdem fällt der Kurs zum ersten Mal seit einem Jahr merklich. Denn seit Herbst 2021 steigt der Gaspreis nahezu durchgängig. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Kosten für den fossilen Rohstoff zwischenzeitlich um über 1000 Prozent gestiegen.

Wie hoch ist aktuell der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland?

In Deutschland beträgt der Füllstand der Gasspeicher aktuell fast 90 Prozent. Die Bundesregierung hatte nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs die Vorgaben gemacht, die Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu 85 Prozent zu füllen. „Die Speicherziele sind vier bis sechs Wochen früher als geplant erreicht worden. Das ist besser, als viele erwartet haben“, sagt Gasexperte Andreas Schröder vom Marktforschungsunternehmen ICIS. Die unterirdischen Lagerstätten für Gas in der Europäischen Union sind mittlerweile zu knapp 85 Prozent gefüllt.

Kein anderes Land in Europa besitzt so große Speicherkapazitäten wie Deutschland: 47 Anlagen fassen insgesamt bis zu 24 Milliarden Kubikmeter Gas. Das entspricht laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 24 Prozent der EU-Speicherkapazität.

In den kalten Monaten wird das eingelagerte Gas in der Regel ausgespeichert und verteilt. In diesem Winter wird Deutschland wegen ausbleibender Lieferungen aus Russland deutlich stärker als sonst auf die Vorräte in den Gasspeichern angewiesen sein. Sie werden jedoch nicht ausreichen, um Gaslücken komplett auszuschließen.

Was zahlen Verbraucher aktuell für Gas in Deutschland?

Derzeit befinden sich die Gaspreise für Verbraucher auf Rekordniveau. Im September zahlte ein Musterhaushalt (20.000 kWh Nutzenergie pro Jahr) laut dem Vergleichsportal Check24 4371 Euro für Gas. 

Folglich kostet eine Kilowattstunde Gas aktuell 21,9 Cent im Schnitt (Stand: September 2022). Vor einem Jahr lag der Preis für die gleiche Menge gerade mal bei 1316 Euro – ein Plus von 232 Prozent. 

Und obwohl die Preise schon so hoch sind, warnen Experten, dass das erst der Anfang ist: „Wenn die bereits vor der Krise beschafften Energiemengen der Energieversorger verbraucht sind, werden sie zu den aktuellen Rekordpreisen an der Börse einkaufen müssen“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie Check24. Für den Herbst haben bereits mehrere Hundert Grundversorger weitere Preiserhöhungen angekündigt.

Wie setzt sich der Gaspreis für Endverbraucher zusammen?

Der Gaspreis für Haushaltskunden setzt sich aus drei wesentlichen Bestandteilen zusammen:

  1. Kosten für Einkauf und Vertrieb
  2. Entgelte für die Netznutzung
  3. Steuern und Umlagen 

Den ersten Teil können die Gasanbieter selbst bestimmen. Der Anteil liegt in der Regel bei etwas mehr als 60 Prozent des Gesamtpreises. Netzentgelte und Steuern werden dagegen staatlich festgesetzt. 

Für die Netzentgelte werden aktuell elf Prozent des Gaspreises veranschlagt. Mit dem Erlös werden Erdgasnetze betrieben, gewartet und ausgebaut. Auch die Wartung und Messung der einzelnen Gaszähler werden hiermit finanziert. 

Der weitaus größere Teil geht für Steuern und Abgaben drauf. Sie machen mit über 24 Prozent fast ein Viertel des Gesamtgaspreises aus. Darunter fällt unter anderem die CO2-Steuer, die Erdgas- und Umsatzsteuer, eine Konzessionsabgabe und mehrere Umlagen.

Was ist die Gasumlage, und wer muss sie ab Oktober 2022 zahlen?

Ab dem 1. Oktober 2022 wird mit der Gasrechnung die sogenannte Gasumlage erhoben. Ab dem Herbst können Gashändler ihre gestiegenen Einkaufspreise für Gas weitergeben. Die Umlage soll alle drei Monate neu berechnet werden und kann steigen oder fallen, je nachdem, wie sich die aktuellen Gaspreise entwickeln. 

Zunächst startet sie mit einer Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde (kWh) ab Oktober. Mithilfe der Extraabgabe von den Verbrauchern will die Regierung verhindern, dass einzelne systemrelevante Unternehmen wie Uniper ausfallen, was zu einem Zusammenbruch der Energieversorgung führen könnte.

>> Lesen Sie hier: Nach Gashändlern geraten auch Stadtwerke in Schieflage

Für die Verbraucher bedeutet das Mehrkosten zusätzlich zu ohnehin schon horrenden Gaspreisen. Deswegen hat die Bundesregierung fast zeitgleich die Mehrwertsteuer auf Erdgas von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Weil noch andere Umlagepreise steigen, kann auch das die Mehrkosten für Haushalte nicht komplett ausgleichen. 

Ab Oktober muss eine Familie mit einem Verbrauch von 20.000 kWh durch die Gasumlage 484 Euro mehr zahlen, durch die Regelenergieumlage von 114 Euro und durch die Gasspeicherumlage werden noch mal zwölf Euro zusätzlich berechnet. Summa summarum bleiben so trotz Steuersenkung laut Check24 noch 212 Euro beim Verbraucher hängen.

Gasverbrauch: Wie viel Gas verbraucht ein Einfamilienhaus im Jahr?

Bei einem Einfamilienhaus mit drei bis vier Personen liegt der jährliche Gasverbrauch je nach Quadratmeterzahl zwischen 20.000 und 40.000 kWh pro Jahr. Oder 160 kWh (16 Kubikmeter) pro Quadratmeter Wohnfläche für Heizung und Warmwasser. Beim derzeitigen Gaspreis von rund 22 Cent ergibt sich daraus eine Gasrechnung von 4300 bis zu 8800 Euro (Stand: September 2022).

>> Lesen Sie hier: 12.000 Euro im Jahr: So teuer wird es, ein Haus mit Gas zu heizen

Wie hoch die Gasrechnung im Einzelfall genau ausfällt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Unter anderem davon, wie viel Gas man am Ende wirklich verbraucht. Gaszähler messen den Gasverbrauch ausschließlich in Kubikmetern, auf der Rechnung steht aber in der Regel die Einheit Kilowattstunde. Der Umrechnungsfaktor liegt bei eins zu zehn. Ein Kubikmeter Erdgas entspricht also rund zehn Kilowattstunden (kWh).

Gasverbrauch: Wie viel Gas verbraucht ein Singlehaushalt im Jahr?

Ein durchschnittlicher Singlehaushalt hat einen durchschnittlichen Gasverbrauch von 140 kWh auf 14 Kubikmeter im Jahr. Diese Zahl haben die Heizungsexperten von Bosch Thermotechnologie für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus berechnet. Für die Warmwasserbereitung werden demnach pro Jahr anteilig rund 600 bis 1000 kWh Gasverbrauch pro Jahr für eine Person angesetzt.

Hochgerechnet auf eine 50 Quadratmeter große Wohnung läge der Gasverbrauch für Heizung und Warmwasser damit beispielsweise bei 7000 kWh (700 Kubikmeter). Beim derzeitigen Gaspreis von rund 22 Cent resultiert daraus eine Gasrechnung von etwa 1540 Euro (Stand: September 2022).

Da der Gasverbrauch einzelner Wohnungen jedoch nur von dem Gesamtverbrauch des gesamten Gebäudes abgeleitet wird, lassen sich die individuellen Verbräuche in einem Mehrfamilienhaus nur schwer überprüfen.

Gasknappheit: Warum sind die Gaspreise so hoch?

Die Gaspreise steigen aufgrund hoher Nachfrage und des verknappten Angebots bereits seit Herbst 2021 kontinuierlich. Aufgrund des Nachfrageeinbruchs während der Coronakrise war vor einem Jahr weniger Erdgas auf dem Weltmarkt verfügbar als vorher. 

Viele Förderer vor allem in den USA hatten ihre Produktion gedrosselt und konnten so schnell nicht wieder hochfahren, andere hatten komplett aufgegeben. Die Folge war eine weltweite Energiepreiskrise, die dann mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs noch einmal dramatisch verschärft wurde.

Russland war bis dato der größte Gasexporteur für Europa und vor allem Deutschland. Kurz nach Ausbruch des Kriegs drosselte das Land seine Exporte in die Europäische Union und über die größte Pipeline Nord Stream 1. Seit einer Weile kommt nun gar kein Erdgas mehr über die wichtige Ostseeverbindung an. Eine hohe Nachfrage trifft also auf ein knappes Angebot. Das treibt die Preise.

Um sich für den Winter zu wappnen, versuchen alle Länder aktuell, ihre Erdgasspeicher zu füllen, und halten die Preise damit auch weiterhin hoch. Die Heizperiode steht dabei erst noch bevor.

Gaspreisentwicklung: Wird Gas 2022 wieder günstiger? 

In den vergangenen Jahrzehnten pendelte der Gaspreis für eine Megawattstunde in der Regel zwischen zehn und 20 Euro. Abgesehen von kurzen Ausschlägen nach oben war das Niveau der Gaspreise in der Vergangenheit also um ein Vielfaches niedriger als in den vergangenen zwölf Monaten. 

Wie sich der Gaspreis in Zukunft entwickelt, ist nur schwer abzuschätzen. Nicht nur war er vor der Krise deutlich niedriger, sondern die Schwankungen waren auch deutlich kleiner. Heute springt der Gaspreis innerhalb eines Tages teilweise um 80 bis 100 Euro. Die gesamte Situation führe bei Verbrauchern zu erheblichen Mehrkosten, warnte Wirtschaftsminister Robert Habeck vor Kurzem: Allein beim Gas sei mit „vierstelligen Zahlen“ zu rechnen, die die Menschen im Durchschnitt in den kommenden Monaten stemmen müssten, sagte der Grünen-Politiker. 

Experten bezweifeln, dass der Gaspreis in absehbarer Zeit wieder auf das Vorkrisenniveau fällt. Eon erklärte dazu: „Vieles spricht dafür, dass wir weiterhin mit hohen oder noch weiter steigenden Preisen an den Großhandelsplätzen rechnen müssen.“ 

Bis zum Februar 2023 rechnet der Markt laut TTF-Börse erst einmal weiterhin mit Preisen von etwa 200 Euro pro Megawattstunde.

Sollte man jetzt den Gasanbieter wechseln?

Wer einen Gasvertrag mit Preisbindung hat, sollte laut Verbraucherschützern auch darin bleiben. Solche Verträge jetzt aber noch neu abzuschließen wird schwierig, warnt Experte Udo Sieverding von der Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen: „Es gibt zwar noch Preisgarantien, aber bei der Laufzeit werden viele Anbieter jetzt vorsichtiger“, sagt er in dem Podcast Handelsblatt Green & Energy. Oft gibt es nur noch eine eingeschränkte Preisgarantie. 

Ein Blick auf die Vergleichsportale zeigt: Jetzt noch einen günstigen Gasanbieter zu finden ist nahezu unmöglich. Die Angebote schwanken zwischen 35 und 46 Cent pro kWh. Die Angebotsauswahl ist allerdings begrenzt. Für Energieversorger lohnt es sich bei den hohen Preisen kaum noch, neue Kunden aufzunehmen. Viele haben die Akquise deswegen erst einmal eingestellt. 

Etwas Glück hat man teilweise noch bei den örtlichen Stadtwerken. Hier findet sich bei der Rheinenergie für Neukunden immerhin noch ein Preis von 37,9 Cent die Kilowattstunde und damit eher im mittleren Bereich. Eins ist allerdings klar: Wirklich günstige Gasverträge gibt es aktuell nicht. 

Wie kann ich als Privatperson Gas sparen?

Wer am Grundpreis nicht viel ändern kann, sollte deswegen versuchen, seinen Verbrauch zu senken. Das empfiehlt auch die Bundesregierung immer wieder. Schon allein, um Gas da zu sparen, wo es geht, damit es verfügbar ist, wo es wirklich gebraucht wird.

Oft belächelt, aber trotzdem effektiv: kürzer duschen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck duscht laut eigener Aussage nicht länger als drei Minuten. Mit dem Duschrechner der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen lässt sich übrigens überprüfen, wie viel Gas der Grünen-Politiker damit wirklich spart. Und wie viel Geld man selbst sparen könnte.

Noch effektiver ist allerdings das Absenken der Raumtemperatur. Das Umweltbundesamt empfiehlt dazu, nachts die Raumtemperatur in Wohn- und Arbeitsräumen auf bis zu 15 Grad und im Schlafzimmer auf bis zu 17 Grad zu senken. 

Es ist zudem sinnvoll, auch den eigenen Stromverbrauch zu senken, wo es nur geht. Denn Gas wird auch verstromt. Zum Beispiel nur so viel Wasser heiß machen, wie man braucht, mit geschlossenem Deckel kochen und beim Backofen Umluft statt die Einstellung Ober-/Unterhitze verwenden.

Mehr: 40 Prozent weniger in zweieinhalb Wochen: Warum der Gaspreis zuletzt gesunken ist

Handelsblatt Energie Briefing

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