Scheidender libanesischer Notenbankchef: Staatsanwälte forcieren Ermittlung

Brüssel, Düsseldorf Als Riad Salameh seinen Dienst als Notenbankchef des Libanons antrat, träumte die Bevölkerung des Landes von einer besseren Zukunft. Die Wunden des Bürgerkriegs verheilten, selbst ein Frieden mit Israel schien möglich. 30 Jahre ist das her. Heute herrschen Armut und Perspektivlosigkeit.

Im Oktober 2019 kollabierte das Finanzsystem, die Ersparnisse der meisten Libanesen sind vernichtet, 80 Prozent des Volks leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Weltbank zählt den wirtschaftlichen Absturz des Landes zu den schlimmsten Finanzkrisen seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie sieht eine Ursache in einem über Jahrzehnte aufgebauten Schneeballsystem, das den Reichtum der mit dem Bankensystem eng verbundenen politischen Klasse vermehrte.

Nun geht der heute 73-jährige Salameh, die Spitze dieses Bankensystems und einst als „Finanzmagier“ gefeiert, im August in Ruhestand. Anders als das Gros seiner Landsleute muss der scheidende Notenbankchef sich nicht um sein Auskommen sorgen, auch weil er möglicherweise seine lange Amtszeit systematisch zur Selbstbereicherung genutzt haben könnte.

Nicht nur im Libanon, sondern auch in fünf europäischen Ländern wird gegen ihn und mutmaßliche Komplizen ermittelt. Das macht aus dem Untreueverdacht ein internationales Politikum. Salameh hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Hierzulande hat die Staatsanwaltschaft München I Salameh im Visier. Die Behörde erhöhte ihren Druck in dem Verfahren zuletzt, im Mai erließ sie gar einen Haftbefehl. Doch die Zusammenarbeit mit den libanesischen Behörden gestaltet sich offenbar schwierig.

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Die Münchener Ermittler werfen Salameh gemeinschaftliche gewerbsmäßige bandenmäßige Geldwäsche in vier Fällen vor. Zwischen April 2002 und März 2015 soll er gemeinsam mit seinem Bruder Raja und anderen Mitverschwörern mehr als 330 Millionen US-Dollar zum Nachteil der libanesischen Zentralbank und des Finanzministeriums unter anderem über die Briefkastengesellschaft Forry Associates veruntreut, anschließend gewaschen und sich selbst illegal bereichert haben.

Immobilien in München und Hamburg beschlagnahmt

So steht es in einem Beschluss des Amtsgerichts München vom 21. März 2022, der die Beschlagnahme zweier Immobilien in der bayerischen Hauptstadt anordnet, die Salameh zugeordnet wurden. Beschlagnahmt wurde daneben auch eine Hamburger Immobilie, zudem wurden Anteile an einer Düsseldorfer Immobiliengesellschaft sichergestellt.

Dem Handelsblatt liegen der Beschluss des Münchener Gerichts und weitere Akten vor. Sie werfen ein Licht darauf, wie mutmaßlich korrupte Netzwerke aus dem Nahen Osten offenbar in Deutschland Geld waschen.

Die mutmaßlich veruntreuten Millionen sollen in Hunderten Überweisungen von einem Konto der Banque du Liban auf ein Konto der Forry Associates Ltd. bei der Großbank HSBC in der Schweiz geflossen sein. Angeblich handelte es sich um Provisionszahlungen für Wertpapiergeschäfte, doch eine tatsächliche Leistung soll nach Erkenntnissen der Münchener Justiz zu keiner Zeit erbracht worden sein.

Alleiniger wirtschaftlicher Berechtigter der Forry Associates sei Riads Bruder Raja Salameh, heißt es in dem Gerichtsbeschluss. Das Gericht erhebt den Vorwurf, die Beteiligten hätten in der Absicht gehandelt, sich durch wiederholte Taten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen.

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Vonseiten der Salamehs wurden sämtliche Vorwürfe in der Vergangenheit dagegen wiederholt energisch bestritten. Weder direkt noch indirekt sei Geld von der Zentralbank an Forry geflossen, sagte Riad Salameh erst kürzlich in einem TV-Interview. Und der Verteidiger seines Bruders verwies in der Vergangenheit darauf, dass illegale Übertragungen widerlegt werden könnten. Weder Riad Salamehs Sprecher noch der Anwalt seines Bruders reagierten auf eine aktuelle Nachfrage.

Klar scheint indes: Teile der unter Verdacht stehenden Gelder legten Riad und Raja Salameh in deutsche Immobilien an. Dabei sollen die Beschuldigten unter anderem ein Haus am Münchener Gärtnerplatz für 3,4 Millionen Euro erworben habe.

Die Ermittler sehen darin die Absicht, inkriminierte Mittel durch Immobilieninvestitionen dem legalen Wirtschaftskreislauf in Deutschland zuzuführen. Auch einem weiteren Familienmitglied des Notenbankers halten die Ermittler vor, in diese Immobiliengeschäfte verwickelt zu sein.

Die Immobilien sind mit dem Beschluss des Amtsgerichts München beschlagnahmt, aber nicht enteignet. Der Schritt, schreibt die zuständige Richterin, sei notwendig gewesen, weil zu befürchten sei, dass bis zur endgültigen Entscheidung eine nachteilige Verfügung über die zu sichernden Gegenstände getroffen werde. Mit anderen Worten: Die Immobilien könnten weiterverkauft werden.

Mehrere Rechtshilfeersuchen und Reisen in den Libanon

Im Nachgang der Beschlagnahmungen hakten die deutschen Ermittler immer wieder bei den libanesischen Behörden nach, baten um Rechtshilfe. Nach einem ersten Ersuchen aus dem Januar 2022 ergänzten sie dies bis Anfang 2023 mit fünf weiteren Bitten um Rechtshilfe.

Dann durften Münchener Staatsanwälte und Beamte des Bundeskriminalamts zusammen mit Ermittlern aus anderen Ländern im Januar 2023 endlich in den Libanon reisen. Mehrere Tage waren sie vor Ort, erhielten Einsicht in Ermittlungsakten. Sie identifizierten diverse Bankunterlagen, die für das deutsche Ermittlungsverfahren von Interesse sind, wie sie den Libanesen schriftlich mitteilten. Anschließend baten die Münchener Ermittler die Libanesen, ihnen Umsatzübersichten, Kontoeröffnungsunterlagen, Kopien von Belegen zu übersenden und zu prüfen, ob Salameh über weitere Konten im Libanon verfüge.

Am Ende wiesen sie auf den die Rechtshilfe betreffenden Artikel des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption hin und baten höflich um zeitnahe Erledigung des Rechtshilfeersuchens.

Doch wie Insider aus Beirut berichten, hakt die Zusammenarbeit. Die libanesischen Behörden spielten auf Zeit, heißt es, unternähmen nur das Nötigste, um den Deutschen zu helfen. Die Staatsanwaltschaft München will sich auf Nachfragen nicht dazu äußern, wie die Zusammenarbeit mit den Libanesen läuft und ob die dortigen Behörden den Anfragen nachgekommen sind.

Die libanesischen Behörden waren für Nachfragen nicht zu erreichen. Die deutschen Ermittler bleiben jedenfalls hartnäckig: Erst vor wenigen Wochen reisten sie Handelsblatt-Informationen zufolge erneut in den Libanon.

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