Russland-Geschäfte ihres Mannes belasten Estlands Regierungschefin

Kaja Kallas, Ehemann Arvo Hallik

Die Premierministerin beteuert, privat mit ihrem Mann nicht über geschäftliche Themen zu reden.

(Foto: AP)

Stockholm Estlands Regierungschefin Kaja Kallas gilt bisher als eine der entschlossensten Befürworterinnen von Sanktionen gegen Russland. Nun ist sie massiv unter Druck geraten, weil ihr Ehemann Arvo Hallik an einem Transportunternehmen beteiligt ist, das trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bis zuletzt geschäftliche Verbindungen mit Russland unterhielt. Die Opposition spricht von einem Skandal und fordert den Rücktritt der Regierungschefin.

Kallas hat das bislang abgelehnt. Allerdings hat der Druck auf sie in den vergangenen Tagen deutlich zugenommen, da ständig neue Details über die geschäftlichen Verbindungen ihres Mannes mit Russland ans Tageslicht kommen.

Und auch in der Bevölkerung wächst die Kritik an der zuvor sehr beliebten Regierungschefin. Nach zwei in den vergangenen Tagen durchgeführten Meinungsumfragen spricht sich eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für einen Rücktritt von Kallas aus.

Es war der öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender ERR, der den Stein vor einer Woche ins Rollen gebracht hat. Nach einem Bericht des Senders ist der Ehemann von Kallas mit knapp 25 Prozent an dem Logistikunternehmen Stark Logistics AS beteiligt.

Nach Aussagen von Hallik habe Stark Logistics einem anderen estnischen Unternehmen, dem Verpackungshersteller Metaprint, geholfen, seine Aktivitäten in Russland zu beenden. An dieser Aussage gibt es allerdings Zweifel, da Metaprint bislang keine Anstalten für einen Rückzug aus Russland gemacht hat.

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Nach ERR-Recherchen haben sowohl Stark Logistics als auch Metaprint den gleichen Mehrheitsaktionär. Vom Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bis zum vergangenen November soll Metaprint Waren im Wert von rund 17 Millionen Euro nach Russland geliefert haben. Metaprint-Chef Martti Lemendik beteuerte am Montag, dass sein Unternehmen keine Sanktionen verletzt habe.

Halle des Unternehmens „Stark logistics”.

Eine Beteiligung an der Firma bringt Arvo Hallik nun Ärger ein – und seiner prominenten Ehefrau Kaja Kallas gleich mit.

(Foto: IMAGO/Scanpix)

Für Regierungschefin Kallas ist die Affäre um ihren Mann die schwerste Krise in ihrer politischen Laufbahn. Seit vergangener Woche muss sie sich viele unangenehme Fragen stellen lassen. Vor allem interessiert die Öffentlichkeit, ob sie von den geschäftlichen Verbindungen ihres Mannes mit Russland gewusst habe.

„Wir sprechen zu Hause nicht über Geschäftliches“, erklärte sie und fügte hinzu, dass sie erst Anfang von den Russland-Verbindungen ihres Mannes erfahren habe. Gleichzeitig unterstrich sie, dass ihr Mann ihr versichert habe, nicht die Sanktionsregeln gebrochen zu haben.

Arvo Hallik hat sich mittlerweile „für die entstandene Situation und den Schaden, den ich meiner Frau zugefügt habe“, entschuldigt. Gleichzeitig erklärte er, dass er seinen Anteil an Stark Logistics verkaufen werde.

Doch damit ist die Affäre nach Ansicht estnischer Medien nicht aus der Welt. Denn weiterhin ist Kallas’ Ehemann an einer anderen Tochtergesellschaft von Stark Logistics beteiligt. Diese Beteiligung will er nicht abstoßen. Außerdem wirft ein Kredit über 350.000 Euro Fragen auf, den Kallas ihrem Mann gewährt hat. Dieses Geld soll Hallik über die von ihm gegründete Beteiligungsgesellschaft Novaria in verschiedene Unternehmen, unter anderem in eine Tochtergesellschaft von Stark Logistics, investiert haben.

Tiefpunkt ihrer bislang so erfolgreichen Karriere

Die ganze Affäre ist für die 46-jährige Ministerpräsidentin äußerst peinlich. Und sie markiert den bisherigen Tiefpunkt in ihrer bislang erfolgreichen politischen Karriere. Die Tochter des ehemaligen estnischen Ministerpräsidenten und späteren EU-Kommissars Siim Kallas ist Juristin und hätte nach Meinung vieler Kommentatoren in Estland die Brisanz des Engagements ihres Mannes in Russland erkennen müssen. War es doch sie, die in Europa immer wieder eine härtere Gangart gegenüber Moskau gefordert hatte.

Außerdem zählt Estland zu den größten Unterstützern der Ukraine. Gemessen an der Bevölkerungszahl von nur 1,2 Millionen Menschen ist Estland das Land in Europa mit den umfangreichsten Waffenlieferungen an die Ukraine. Nach Meinung estnischer Medien ist Kallas’ Glaubwürdigkeit jetzt beschädigt.

Noch ist nicht klar, ob es im estnischen Parlament zu einem Misstrauensvotum kommen wird. Kallas führt eine Dreierkoalitionsregierung aus ihrer wirtschaftsliberalen Reformpartei, den Sozialdemokraten und der liberalen Partei Eesti 200 an. Die Koalitionspartner unterstützen sie bislang.

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