Ruf nach stärkerem Spionageschutz für deutsche KI-Forschung

Berlin Politiker von SPD, Grünen und Union fordern deutlich schärfere Maßnahmen zum Schutz vor chinesischer Forschungsspionage. „Es braucht individuelle Schutzkonzepte für Universitäten und Forschungseinrichtungen, aber auch eine Gesamtstrategie für Deutschland, wie wir Spionage, Wissensabfluss und illegitime Beeinflussung unserer Demokratie besser abwehren können“, sagte der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestags, Konstantin von Notz (Grüne), dem Handelsblatt.

Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner plädiert dabei für Maßnahmen, die eine internationale Kooperation in der Wissenschaft weiter ermöglichten. „Abschottung ist keine erfolgversprechende Strategie“, sagte Stegner dem Handelsblatt. Gleichwohl sei es offenkundig, dass die Sensibilität für Spionageversuche aus China und anderswo erhöht werden müsse. „Dabei spielen Forschungsgebiete wie die Künstliche Intelligenz sicher eine besondere Rolle.“

Auch der CDU-Forschungspolitiker Thomas Jarzombek sieht dringenden Handlungsbedarf. Hintergrund sind jüngste Erkenntnisse des deutschen Inlandsgeheimdienstes. Der Verfassungsschutz habe in seinem aktuellen Jahresbericht „so deutlich wie noch nie gewarnt“, sagte Jarzombek dem Handelsblatt.

In seinem im Juni veröffentlichten Bericht hatte der Verfassungsschutz China als „die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage“ bezeichnet. Intensives Interesse besteht demnach an relevanten Zukunftstechnologien wie Biomedizin, Luft- und Raumfahrttechnik, neuen Werkstoffen und Materialien, Robotertechnologie und Künstlicher Intelligenz, maritimen Technologien, E-Mobilität, Informationstechnologie und Halbleitern.

Jarzombek forderte die Bundesregierung zu mehr Anstrengungen beim Schutz deutscher Universitäten vor chinesischer Spionage auf – gerade im Hinblick auf KI und Quantentechnologien.

Union: Kooperation mit chinesischen Konfuzius-Instituten kritisch hinterfragen

Wie groß das potenzielle Einfallstor ist, macht ein Hinweis des Innenministeriums deutlich. „Alle chinesischen Bürgerinnen und Bürger – so auch Studierende und Forschende – sind über das „Nationale Geheimdienstgesetz“ zur Kooperation mit den chinesischen Sicherheitsorganen verpflichtet“, heißt es in einer Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der Unions-Bundestagsfraktion, die dem Handelsblatt vorliegt.

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Der Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND, Bruno Kahl, machte die Dimension der Herausforderung jüngst durch eine pointierte Zahl deutlich: „Wir haben 40.000 chinesische Studenten im Land, die alle verpflichtet werden können, den Nachrichtendiensten zuzuarbeiten.“

Von Notz betonte, die Bedrohung durch Spionage, insbesondere aus China und Russland, könne nicht ernst genug genommen werden. „Zahlreiche der mit China stattfindenden wissenschaftlichen, aber auch kommunalen Kooperationen muten angesichts der objektiv bestehenden Bedrohungslage sehr naiv an.“ Der Verfassungsschutz sei in diesem Bereich bereits aktiv – „trotzdem sollte man mehr tun“.

Jarzombek forderte von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), bestehende und neue wissenschaftliche Austausch- und Beratungsangebote voranzutreiben und die Förderung von China-Kompetenz in Deutschland weiter zu stärken.

Studierende im Hörsaal

Die deutschen Geheimdienste warnen, weil sie chinesische Studierende als potenzielle Informanten Pekings betrachten.

(Foto: dpa)

Für den in der Union für internationale Wissenschafts- und Forschungskooperationen zuständigen CDU-Bundestagsabgeordneten Alexander Föhr ist es von „zentraler Bedeutung, dass das verfügbare Angebot an Austausch- und Beratungsmöglichkeiten der Nachrichtendienste in Intensität und Umfang weiter ausgebaut wird“.

Der CDU-Politiker Jarzombek hält es zudem für notwendig, dass die Kooperationen deutscher Hochschulen mit den in Deutschland bestehenden Konfuzius-Instituten „kritisch hinterfragt“ werden. Die Institute sind mehrheitlich an Hochschulen angesiedelt. Dort finden Sprachkurse, aber auch Veranstaltungen zu chinesischer Kultur und Geschichte statt.

China kritisiert „hysterisches“ Vorgehen

Nach Angaben des Innenministeriums unterhalten von den ursprünglich 19 existierenden Einrichtungen mindestens fünf keine Kooperationen mehr mit deutschen Universitäten. Hierbei handele es sich um die Institute in München, Hamburg, Düsseldorf, Trier und Hannover.

Die Goethe-Universität Frankfurt, erklärte das Ministerium weiter, habe den bestehenden Kooperationsvertrag mit dem Konfuzius Institut Frankfurt (KIF), der bis Ende Februar 2023 galt, zwar auslaufen lassen. Die Kooperation solle jedoch „anlassbezogen“ fortgesetzt werden, etwa durch die Nutzung chinesischer Sprachkurse.

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Im Forschungsministerium wird die Zusammenarbeit der Hochschulen mit den Konfuzius-Instituten schon seit Längerem als problematisch eingestuft. Auch bei staatlich geförderten Stipendiaten aus China sieht die Ministerin Forschungseinrichtungen und Universitäten beim Schutz vor Spionage in der Pflicht.

Der CDU-Politiker Föhr mahnte zu einer differenzierten Betrachtung der Situation chinesischer Schüler, Studierender und Wissenschaftler in Deutschland. „Ihnen müssen wir einerseits Chancen eröffnen und andererseits den Gefahren von Technologietransfers oder der Verbreitung falscher Narrative entgegenwirken“, sagte er.

Für Aufsehen sorgte zuletzt das Vorgehen der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg. Die Uni forscht und lehrt bereits seit 1975 auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Seit 1. Juni gilt dort der Beschluss, Personen auszuschließen, die vom Chinese Scholarship Council (CSC) allein finanziert werden.

Das Stipendienprogramm CSC vergibt Stipendien an den wissenschaftlichen Nachwuchs und untersteht dem Pekinger Bildungsministerium. Es sei ein strategisches Instrument Chinas, mit dessen Hilfe technologische Lücken geschlossen werden sollen, indem Wissen aus dem Ausland gewonnen werde, warnte Stark-Watzinger.

Der chinesische Botschafter in Deutschland, Wu Ken, wies die Befürchtungen indes zurück und sprach von einem „hysterischen“ Vorgehen. Auch zu der unlängst vorgelegten China-Strategie der Bundesregierung äußerte er sich kritisch. In ihrer Strategie kündigt die Regierung einen harten Kurs gegen chinesische Spionage an.

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