Regierungsberater stützen Lindners Kurs in der Haushaltspolitik

Christian Lindner (FDP)

Der Finanzminister bekommt Rückendeckung von Regierungsberatern.

(Foto: dpa)

Berlin Seit der Haushalt 2024 vom Kabinett beschlossen wurde, muss sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) viel Kritik anhören. Er spare am falschen Ende. Und verschärfe mit seinem Sparkurs den Wirtschaftsabschwung.

Doch nun bekommt der FDP-Chef Rückendeckung für seine Haushaltspolitik. Der unabhängige Wissenschaftliche Beirat beim Ministerium legt sein lang erwartetes Gutachten vor, wie eine Finanzpolitik in Zeiten hoher Inflation aussehen sollte – und hält Lindners zurückhaltenden Haushaltskurs für goldrichtig.

„Eine Rückkehr zu weitgehend ausgeglichenen Finanzen wäre ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung der Inflation“, heißt es in dem unveröffentlichten Gutachten, das dem Handelsblatt vorliegt. Und zwar „nicht nur in Deutschland, sondern in allen europäischen Ländern“, sagte Jörg Rocholl, Vorsitzender des Gremiums.

Lindner sieht sich durch die Analyse der Ökonomen bestätigt: „Der Beirat gibt uns eine klare Empfehlung mit: Neue staatliche Ausgabenprogramme würden das Inflationsproblem nicht lösen, sondern lediglich private Investitionen verdrängen – und die Inflation weiter befeuern“, sagte er dem Handelsblatt.

Der Minister begrüßte auch die konkreten Vorschläge des Beirats, wie er die Inflation weiter eindämmen könnte. Nur Steuererhöhungen, die im Gutachten auch als Option genannt werden, lehnt Lindner ab.

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Dem Beirat gehören bekannte Ökonomen und Ökonominnen wie Lars Feld, Clemens Fuest oder Nadine Riedel an. Er ist unabhängig, Gefälligkeitsgutachten gibt es nicht. Mitunter hat sich der Beirat schon deutlich gegen die Politik des Finanzministers ausgesprochen. Das neue Gutachten dürfte Lindner allerdings gefallen.

„Inflation ist asozial“

2022 lag die Inflation in Deutschland vor allem infolge hoher Energiepreise im Schnitt bei 6,9 Prozent und damit so hoch wie seit Jahrzehnte nicht. Auch in diesem Juli war der Preisauftrieb mit 6,2 Prozent immer noch stark.

Lindner hatte seine restriktive Haushaltspolitik nicht nur mit der Einhaltung der Schuldenbremse, sondern auch mit der hohen Inflation begründet. Geldentwertung sei „asozial“, sagte Lindner jüngst. Die Inflation zu bekämpfen sei daher erste Priorität.

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Das ist zuallererst Sache der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Notenbank hatte wegen der hohen Inflation die Zinsen zuletzt in Rekordzeit von null auf jetzt 4,25 Prozent erhöht.

Doch auch die Finanzpolitik spielt eine wichtige Rolle bei der Inflationsbekämpfung. Wenn die Finanzminister keine Bereitschaft erkennen ließen, sich bei den Ausgaben zurückzuhalten, „besteht die Gefahr, dass die Geldpolitik das Ziel der Geldwertstabilität nicht erreichen kann“, schreibt der Wissenschaftliche Beirat.

In einem Umfeld hoher Inflation sei daher eine „restriktive Finanzpolitik angezeigt, die den gesamtwirtschaftlichen Nachfragedruck unmittelbar verringert“, schreiben die Ökonominnen und Ökonomen.

Der Staat solle seine „zurückhaltende Finanzpolitik“ durch bestimmte Maßnahmen flankieren: „Steuerliche Sonderabschreibungen und Investitionsprämien sind eine Möglichkeit, Investitionsanreize trotz hoher Steuerbelastung zu schaffen“, heißt es in dem Gutachten.

Mehrarbeit für Geringverdiener attraktiver machen

Ebenso könnte die Politik die sogenannten „Transferentzugsraten“ senken. Das sind die Abgaben, die Geringverdiener, die staatliche Leistungen erhalten, bei höheren Einkommen zahlen müssen. Durch eine Senkung würde Mehrarbeit attraktiver, der Lohn- und damit Inflationsdruck geringer.

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Die vielfach von SPD und Grünen geforderten Ausgabenprogramme hätten dagegen einen „doppelten Nachteil“. Sie würden „nicht nur inflationär wirken“, sondern auch die privaten Investitionen nur geringfügig anschieben, schreibt der Beirat.

Andere Ökonomen wie Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Wirtschaftsinstitut IMK sehen dies anders: In ihren Augen ist die hohe Inflation vor allem hohen Energiepreisen geschuldet, die Inflation werde deshalb bald wieder sinken. Viel wichtiger sei es, dass der Staat sich jetzt gegen die Krise stemme. SPD und Grüne fordern dafür etwa einen Industriestrompreis. Kosten: mindestens 30 Milliarden Euro. Lindner lehnt eine solche Subvention strikt ab.

Doch auch sein Wissenschaftlicher Beirat macht einen Punkt, der dem Finanzminister nicht gefällt: Er fordert für alle steuerlichen Entlastungen eine Gegenfinanzierung, um den Nachfragedruck nicht noch zu steigern. Eine Option seien Kürzungen an anderer Stelle. Da geht Lindner noch mit. Aber auch „Steuererhöhungen in anderen Bereichen“ seien eine Möglichkeit.

„Hier gehe ich als Bundesfinanzminister einen anderen Weg“, versichert Lindner. Deutschland sei bereits ein Hochsteuerland. „Noch höhere Steuern würden Menschen und Betriebe belasten sowie den Aufschwung gefährden. Wir müssen mit dem Geld auskommen, das Steuerzahlerinnen und Steuerzahler uns zur Verfügung stellen. An der Konsolidierung des Bundeshaushalts führt deshalb kein Weg vorbei.“

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