Lindner geht beim Strompreis auf Industrie zu – SPD und Grüne mauern

Christian Lindner

Der Bundesfinanzminister ist gegen einen Industriestrompreis.

(Foto: dpa)

Berlin In der Debatte über einen staatlich subventionierten Industriestrompreis schlägt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) als Alternative eine Verlängerung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer vor. Ursprünglich sollte die Option für Unternehmen des produzierenden Gewerbes, sich ihre Stromsteuer auf Antrag erstatten zu lassen, Ende 2023 auslaufen.

Lindner ist nun unter einer Bedingung bereit, an dieser Subvention festzuhalten. Der Bundestag könne beraten, den Spitzenausgleich „ein weiteres Jahr zu verlängern, wenn man woanders Mittel zur Gegenfinanzierung findet“, sagte der FDP-Politiker der „Welt am Sonntag“.

Von dem Spitzenausgleich profitieren derzeit 9000 Unternehmen aus energieintensiven Branchen. Sie bekommen bis zu 90 Prozent der Energie- und Stromsteuer zurück. Im Haushaltsentwurf für 2024, den das Bundeskabinett Anfang Juli beschlossen hat, ist der Posten in Höhe von 1,7 Milliarden Euro nicht mehr enthalten.

Eine Beibehaltung der Subvention käme der Wirtschaft sehr entgegen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte jüngst mit Blick auf einer möglichen Abschaffung des Spitzenausgleichs vor einer Verzehnfachung der Stromsteuerlast für die betroffenen Betriebe gewarnt. Gerade in der aktuellen Krise müsse der Industriestandort Deutschland gestärkt werden, statt Unternehmen Belastungen aufzubürden, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.

Innerhalb der Ampelkoalition sind SPD und Grüne allerdings wenig geneigt, den Spitzenausgleich noch einmal zu verlängern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte ohnehin angesichts der hohen Energiekosten für eine Übergangsphase einen staatlich subventionierten Industriestrompreis vorgeschlagen – das wollen parteiübergreifend auch alle Bundesländer, ebenso die SPD-Fraktion sowie Gewerkschaften und viele Wirtschaftsverbände.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bisher skeptisch gezeigt. Lindner ist dagegen.

Wirtschaftsweise Grimm will generell die hohen Energiepreise dauerhaft senken

„Ich bin nicht davon überzeugt, für einige wenige Konzerne den Strompreis auf Kosten von allen Steuerzahlern zu subventionieren“, sagte der Minister. „Eine Lösung, die Schulden auf die Gemeinheit abwälzt und den Wettbewerb zulasten des Mittelstands verzerrt, ist keine.“ Bestimmte Verbraucher könnten dann weiter günstig Energie nutzen und würden damit das knappe Angebot für andere potenziell verteuern, gab Lindner zu bedenken.

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Der SPD-Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff ist indes davon überzeugt, dass ein Industriestrompreis dabei helfe, „dass energieintensive Industrien, die in der Wertschöpfungskette von unschätzbarer Relevanz sind, nicht zumachen müssen und damit den gesamten Industriestandort gefährden würden“. Das könne der Spitzenausgleich nicht leisten, der an ganz anderer Stelle greife.

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Ähnlich sieht es der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. „Der Brückenstrompreis ist zielgenau und sorgt dafür, dass Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien weiter vorangetrieben werden“, sagte Audretsch dem Handelsblatt. Die Senkung der Stromsteuer hält Audretsch dagegen nicht nur für sehr teuer. Die Maßnahme habe auch „keinen Anreiz zum Umstieg auf Erneuerbare“.

Nötig sei nun ein „Weg, der funktioniert, Zukunft schafft und bezahlbar ist“. Das Geld für einen subventionierten Industriestrompreis könne aus dem sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) kommen.

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm lehnt indes wie Lindner einen vergünstigten Stromtarif für die Industrie ab. Grimm warb dafür, die hohen Energiepreise dauerhaft zu senken, etwa indem die Stromsteuer auf das europäische Minimum reduziert werde. „Das würde alle entlasten und Elektrifizierung als einen ganz wesentlichen Baustein der Energiewende attraktiver machen“, sagte Grimm dem Handelsblatt. „Diesen Weg sollte die Bundesregierung gehen.“ 

Der Spitzenausgleich bei der Stromsteuer für energieintensive Unternehmen könne dann verlängert werden, bis die Stromsteuer für alle abgeschafft sei. „Auch bei weiteren Abgaben und Umlagen kann man etwas tun“, fügte die Ökonomin hinzu. „Es macht in einer Energiekrise keinen Sinn, dass der Staat den Strompreis durch hohe staatlich induzierte Komponenten zusätzlich hoch hält.“

Schon jetzt haben Abgaben und Umlagen die Stromkosten zwischen Januar und Juli dieses Jahres um 2,86 Cent je Kilowattstunde erhöht. Das sind elf Prozent des gesamten Strompreises, wie eine Analyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigt.

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