Koalition will KI-Anwendungen in der Verwaltung möglich machen

Berlin Die Bundesregierung will in den kommenden zwei Jahren die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz von KI-Anwendungen in der Verwaltung schaffen. Das geht aus der neuen Datenstrategie der Bundesregierung hervor, die am Mittwoch auf der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg beschlossen werden soll.

„Wir wollen die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz auch für die öffentliche Hand nutzbar machen“, heißt es dazu im 26-seitigen Dokument, das dem Handelsblatt vorliegt. Dabei schließt die Bundesregierung auch die Entwicklung eigener KI-Sprachmodelle nicht aus, die in der Fachsprache als Large Language Models (LLM) bezeichnet werden. „Wir prüfen, ob und inwieweit LLMs in der öffentlichen Hand sinnvoll und unter Wahrung des Datenschutzes zum Einsatz kommen sollten.“

Derzeit laufen die allermeisten Abläufe in Behörden noch analog. Digitalisiert sind nur einzelne Bereiche, etwa die Steuererklärung. Sprachmodelle wiederum ließen sich in der Verwaltung vielfältig einsetzen.

Beamte oder Richter könnten damit in Sekundenschnelle große Aktenberge durchforsten. Dies würde die Verwaltung enorm entlasten. Auch könnten Bürgerinnen und Bürger darüber Auskünfte einholen oder Anträge einreichen, wofür bislang ein Behördengang nötig ist.

Die Datenstrategie wurde erstmals Ende 2022 in Eckpunkten vorgestellt. „Viele Datenschätze in Deutschland bleiben ungenutzt“, heißt es in dem Papier. „Das wollen wir verbessern und das Potenzial von Daten besser nutzen.“

Die Nutzung von Daten trage zu einer besseren Gesundheitsversorgung bei, eröffne der Wissenschaft neue Erkenntnisse und der Bildung neue Möglichkeiten, verbessere Produktionsabläufe und fördere innovatives staatliches Handeln, erwartet die Koalition.

Hürden in der Verwaltung

Die Strategie sieht vor, dass im Bereich der Verwaltung das Beratungszentrum für Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung (BeKI), die Algorithmenbewertungsstelle für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (ABOS) und der Bundesdatenschutzbeauftragte beteiligt werden.

Zusammen mit den Datenlaboren der Bundesministerien sollen die Institutionen auf die Einhaltung der Datensicherheit und des Datenschutzes achten und sich an den Leitlinien der digitalen Souveränität orientieren, um die Potenziale der KI für die öffentliche Hand nutzbar zu machen.

Gleichzeitig machen die Autoren auch auf mögliche Probleme aufmerksam, die Technologie in der Verwaltung einzusetzen. „LLMs lernen im ersten Schritt auf einer sehr großen Menge an Daten“, heißt es. Diese Daten aber würden im Regelfall nur in unstrukturierter Form vorliegen.

„Um LLM intern nutzen oder auf den spezifischen Einsatz bei der öffentlichen Hand trainieren zu können, müssen Datensilos aufgelöst werden“, heißt es. Nötig ist auch, dass alle Akten digitalisiert werden, eine echte Mammutaufgabe.

Bessere Bedingungen für die Wirtschaft

Mit der Datenstrategie will die Bundesregierung auch die Wirtschaft stärken. Für Unternehmen, die Geld in die Datenerzeugung – und Verarbeitung investieren, soll sichergestellt werden, dass sie aus den Investitionen auch eine Rendite erwirtschaften können. Das Geschäft mit den Daten soll sich also auch finanziell lohnen.

Damit das gelingt, soll beispielsweise der Schutz von geistigem Eigentum gestärkt werden, vor allem wenn auf private Daten zugegriffen wird. Ein Anreiz also, die eigenen Daten zugänglich zu machen und so zu monetarisieren. Damit das auch rechtssicher genutzt werden kann, will die Bundesregierung das Wettbewerbsrecht überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

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Ein großer Unsicherheitsfaktor im Umgang mit Daten sind derzeit die strengen rechtlichen Vorgaben etwa durch die Datenschutz-Grundverordnung. Hier will sich die Bundesregierung für „einfache, klare und kohärente Regelungen“ einsetzen.

Außerdem sollen „Musterverträge und Mustervertragsklauseln“ den rechtlichen Umgang mit Daten erleichtern und Unternehmen und Verbraucher unterstützen. Neben diesen Musterverträgen sollen auch Best-Practice-Beispiele im Umgang mit Datenschutz und Datenverarbeitung zugänglich gemacht werden.

Zeitplan für die Vorhaben

Neu in der Datenstrategie des Bundes ist auch, dass in dem Papier nun erstmals ein zeitlicher Rahmen für die Umsetzung der Pläne formuliert wurde. Die Zeitleiste reicht bis Ende 2024.

Damit ist die Erwartung verbunden, dass im Bundestagswahljahr 2025 kaum noch neue Gesetze verabschiedet werden. Bei komplexeren Vorhaben wie dem Forschungsdatengesetz, der Rechtsanspruch auf Open Data und das Bundestransparenzgesetz will sich die Ampelkoalition Zeit bis Ende 2024 lassen, um die Pläne konkret umzusetzen.

Der digitalpolitische Sprecher der FDP, Maximilian Funke-Kaiser, spricht von einem „Wirtschaftsmotor“ durch Daten. „In der öffentlichen Hand, in der Wissenschaft und in der Wirtschaft heben wir durch das Bereitstellen und Verarbeiten von mehr und besseren Daten bislang ungenutzte Potenziale“, sagte er dem Handelsblatt. „Ich bin überzeugt, dass die Datenstrategie eine neue Datenkultur für unser Land bedeutet.“

Branchenverbände hatten sich zuletzt kritisch zur Digitalpolitik der Bundesregierung geäußert: Der Digitalverband Bitkom hatte bemängelt, dass die Bundesregierung nicht weitere Strategiepapiere brauche, sondern sich schnell an die Umsetzung von bereits geplanten Digitalisierungsvorhaben machen müsse.

Der KI-Bundesverband und vier weitere Verbände appellierten an die Bundesregierung, die Digitalisierung in Deutschland entschieden voranzutreiben. „Dazu braucht Deutschland klare Zuständigkeiten in der Digitalpolitik, den Ausbau einer dedizierten Infrastruktur für die Entwicklung von Schlüsseltechnologien und die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele wie das Digitalbudget.“

Mit Agenturmaterial

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