Ipai und Aleph Alpha verkünden Partnerschaft

Heilbronn Deutschlands führendes KI-Start-up Aleph Alpha bekommt massiv Unterstützung in der KI-Forschung: Der Innovation Park Artificial Intelligence (Ipai) in Heilbronn hat am Montag eine umfangreiche Partnerschaft mit dem Start-up verkündet.

Der Ipai soll das größte Ökosystem für Künstliche Intelligenz (KI) in Europa werden. Auf einer 30 Hektar großen Fläche wollen die Initiatoren bis 2027 unter anderem Reallabore, ein Rechenzentrum und ein Start-up-Center mit Gemeinschaftsarbeitsflächen bauen.

Die Kooperation wird es Aleph Alpha ermöglichen, Forschungsaktivitäten gemeinsam mit externen Spitzenforschern voranzutreiben. Indirekt kommen der Firma aus Heidelberg damit Forschungsmittel in dreistelliger Millionenhöhe zugute.

Die Partnerschaft ist auch für den Standort Deutschland von großer Bedeutung. Denn das Land droht bei der rasanten KI-Entwicklung den Anschluss zu verlieren. In den USA und China werden hohe Milliardenbeträge in die Schlüsseltechnologie investiert.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP), kamen am Montag nach Heilbronn, um den Schritt zu würdigen.

Künstliche Intelligenz: Investition in die Wettbewerbsfähigkeit Europas

Wissing sagte, die Zusammenarbeit werde Wachstum und Innovation in der deutschen KI-Landschaft stärken: „Die Partnerschaft unterstreicht unser Potenzial und festigt die Position Deutschlands als aufstrebender Innovationsstandort in der globalen KI-Entwicklung.“

Jonas Andrulis

Der Gründer und CEO von Aleph Alpha will eng mit dem Ipai kooperieren.

(Foto: Getty Images)

Kretschmann betonte, dass viele weitere Unternehmen von der Zusammenarbeit profitieren können. „Durch die Partnerschaft des Ipai mit Aleph Alpha wächst ein international wettbewerbsfähiger KI-Hub heran, der auch den Transfer von KI-Anwendungen in unseren Mittelstand hinein beschleunigen wird“, sagte der Ministerpräsident.

Der Ipai soll viele weitere Unternehmen und Forschungsakteure anziehen. Porsche, Würth und der Robotikspezialist Schunk sind dem Lockruf schon gefolgt und haben sich bereits angesiedelt. Etwa 5000 Menschen könnten in Zukunft auf dem Ipai-Gelände die KI-Forschung und Entwicklung vorantreiben.

Finanziert wird der Ipai maßgeblich von der Dieter-Schwarz-Stiftung, die sich aus Ausschüttungen der Lidl Stiftung und der Kaufland Stiftung finanziert. Wie viel die Stiftung in das teils gemeinnützige, teils kommerzielle Projekt investiert, hält sie geheim.

Laut mit der Sache vertrauten Personen, soll es sich insgesamt um etwa zwei Milliarden Euro handeln. Das Land Baden-Württemberg beteiligt sich mit 50 Millionen Euro.

KI-Park soll Schwerpunkt auf Produktion, Handel und Behörden legen

Fokussieren soll sich der Heilbronner KI-Park auf die Schwerpunkte Digitalisierung der Produktion, Logistik und Handel sowie Anwendungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung.

Dieser letzte Schwerpunkt ist die Schnittstelle zu Aleph Alpha, das vor vier Jahren im nahe gelegenen Heidelberg gegründet wurde und zu Europas bekanntesten KI-Start-ups zählt. Gründer und CEO Jonas Andrulis hat seine Firma von Anfang an als KI-Partner für die öffentliche Verwaltung positioniert.

Mit seinem inzwischen 60-köpfigen Team hat Andrulis das Sprachmodell Luminous entwickelt. Solche Modelle werden mit großen Datensätzen trainiert. Sie können menschliche Sprache verarbeiten und zum Beispiel Fragen zu Dokumenten beantworten.

Damit konkurriert Aleph Alpha auch mit der US-Firma OpenAI, die das derzeit führende Sprachmodell GPT-4 entwickelt und mit ChatGPT große Aufmerksamkeit auf die Fortschritte bei generativer Künstlicher Intelligenz gelenkt hat.

Ort zum Leben und Arbeiten

Auf 23 Hektar sollen Reallabore, ein Start-up-Innovationszentrum, ein Rechenzentrum, Restaurants, eine Kita und Wohnungen entstehen.

Für Experten wie den Computerlinguisten Hinrich Schütze ist Europa auch dank Aleph Alpha in diesem Feld noch nicht abgehängt.

Die Dieter-Schwarz-Stiftung und der Ipai wollen dafür sorgen, dass das so bleibt und Europas Position in der KI-Forschung und -Entwicklung weiter stärken – künftig auch durch die Kooperation mit Aleph Alpha.

So wollen Ipai und Aleph Alpha die KI-Forschung vorantreiben

„Wir haben uns entschlossen, mit Aleph Alpha eine Partnerschaft einzugehen, die der Firma enorme Entwicklungsmöglichkeiten geben wird“, sagt Reinhold Geilsdörfer, der sowohl Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung als auch beim Ipai ist, dem Handelsblatt.

Aleph Alpha soll nicht nur die entstehende Infrastruktur nutzen können. Laut Geilsdörfer wird der Ipai auch eine „hohe zweistellige Zahl“ an KI-Forschern in einer neuen Organisation beschäftigen, die zusammen mit Aleph Alpha an konkreten Fragestellungen forschen können. Sie sollen unabhängig über ihre Forschungsprojekte entscheiden. Laut den beiden Kooperationspartnern bietet eine enge Verzahnung aber Vorteile.

Siegerentwurf aus Rotterdam

Im Wettbewerb um den besten Entwurf hat sich das niederländische Architekturbüro MVRDV durchgesetzt. Nach seinem Plan bekommt der Ipai auch viele Grünflächen.

Jonas Andrulis sagt: „Durch die Kooperation kann sich die Forschung am Ipai und bei Aleph Alpha gegenseitig verstärken.“ Ziel sei es, gemeinsam wissenschaftliche Arbeiten zu schreiben und dafür zu sorgen, dass Promotionen entstehen.

Oft entstünde Forschung im „luftleeren Raum“, weil Promovierende gar keine konkreten Vorstellungen hätten, mit welchen Arbeiten sie einen größeren Beitrag zu echten KI-Entwicklungen leisen könnten. „Durch die Kooperation kann Forschung entstehen, die die Welt tatsächlich verändert“, sagt Jonas Andrulis.

Welchen Wert die Kooperation für Aleph Alpha hat, ist schwer zu beziffern. Die Dieter-Schwarz-Stiftung will sich auch hier nicht zur Summe der geplanten Investitionen äußern.

Mehr als 300 Millionen Euro sollen in die Partnerschaft fließen

Aus dem Kreis der involvierten Personen heißt es, über die nächsten zehn Jahre sollen mehr als 300 Millionen Euro investiert werden, die Aleph Alpha indirekt zugutekommen werden. Aber auch andere Unternehmen können davon profitieren, da alle gemeinsamen Forschungsergebnisse offengelegt werden sollen.

Die Dieter-Schwarz-Stiftung fördert als eine der größten deutschen Stiftungen Bildung und Forschung im großen Stil: Gerade wird in Heilbronn eine Zweigstelle der Technischen Universität München angesiedelt.

Dazu finanziert die Dieter-Schwarz-Stiftung 41 Stiftungsprofessuren im Bereich BWL und Informatik. Außerdem kooperiert die Stiftung unter anderem mit Elitehochschulen in Stanford, Oxford, Paris, Zürich und Jerusalem.

Basis für die Partnerschaft mit Aleph Alpha ist laut den Partnern das gemeinsame Interesse an „vertrauenswürdiger KI“, mit der Aleph Alpha sich im Wettbewerb mit OpenAI und anderen Sprachmodell-Entwicklern abgrenzen will.

Schwerpunkt soll „vertrauenswürdige KI“ sein

Andrulis hat etwa wichtige Bestandteile des Codes offengelegt. Außerdem arbeitet die Firma an verschiedenen Funktionen, mit denen transparent gemacht wird, woher die Software ihre Informationen bezogen hat und ob die Fakten gesichert sind.

>> Lesen Sie jetzt auch: So will Aleph Alpha verhindern, dass KI Blödsinn erzählt – und Menschen ihn glauben

Dazu muss man wissen, dass Sprachmodelle immer wieder „halluzinieren“, also Dinge schreiben, die nicht stimmen. Das passiert vor allem, wenn zu einem Thema wenig Informationen in den Datensätzen waren, mit denen sie trainiert wurden.

Neurowissenschaftler Matthias Bethge von der Universität Tübingen attestierte dem Jungunternehmen jüngst: „Es ist eine kluge Strategie, sich als deutsches Start-up mit Erklärbarkeit zu positionieren.“ Chancen für Aleph Alpha sieht er auch darin, dass das Unternehmen verstanden habe, wie sensibel Datenverarbeitungsfragen für Unternehmenskunden sind.

„Vertrauenswürdige KI ist jetzt das ganz große Thema“, sagt Reinhold Geilsdörfer. „Wenn wir es nicht schaffen, Vertrauen in KI bei den Menschen zu generieren, dann werden wir auch keine Akzeptanz bekommen.“

Zwar sind fehleranfällige KI-Modelle auch für Unternehmen und Behörden ein Hemmnis, die neue Technologie einzusetzen. Doch die Stiftung will mit ihrem Engagement sicherstellen, dass die Weiterentwicklung der KI-Modelle über die nächsten Jahre nicht allein von kommerziellen Interessen getrieben wird, sondern dass auch Funktionen mit vorrangig gesellschaftlichem Wert vorangetrieben werden.

Aleph Alpha soll auch vor einer Finanzierungsrunde stehen

Denn klar ist: Aleph Alpha möchte irgendwann an die Börse gehen. Die Firma muss ihre Entwicklung deshalb im Sinne ihrer Investoren zuallererst darauf ausrichten, den Unternehmenswert zu steigern.

Jonas Andrulis spricht offen über diese Zwänge. Forschung – dazu zählt eine Doktorandenstelle an der Technischen Universität Darmstadt – hätte er zusammen mit anderen Investoren bisher privat bezahlt, sagt der ehemalige Apple-Manager.

„Bisher waren Forschungsprojekte für uns mit gewissen Einschränkungen verbunden“, sagt er. „Wir sind ein kommerzielles Unternehmen und müssen ums kommerzielle Überleben kämpfen.“

Mehr zu Künstlicher Intelligenz

Dabei stehen die Chancen für Aleph Alpha derzeit wohl ganz gut. Das Start-up, das bisher 28 Millionen Euro Wagniskapital bekommen hat, soll kurz vor einer Finanzierungsrunde stehen. In der zweiten großen Finanzierungsrunde für das Start-up (Series B) soll eine neunstellige Summe an das Unternehmen fließen. Das sagten mit der Sache vertraute Personen.

Bereits Ende Juni hatte das Handelsblatt berichtet, dass Aleph Alpha Finanzierungsangebote über mindestens 100 Millionen Euro vorliegen. Offiziell wurde bisher allerdings nur bestätigt, dass der Softwarekonzern SAP bei den Heidelbergern einsteigt.

Mehr: Was Unternehmen bei der Einführung von ChatGPT beachten müssen

source site-12