Habeck und Simson werben für europaweite Beschaffung

Berlin Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und EU-Energiekommissarin Kadri Simson wollen alle EU-Staaten dafür gewinnen, die vom Bund initiierte Stiftung „H2 Global“ für den Aufbau von Wasserstoff-Lieferbeziehungen zu nutzen und sich finanziell zu beteiligen. In einem gemeinsamen Schreiben an die Regierungen aller EU-Staaten laden Habeck und Simson die Mitgliedsländer dazu ein, sich an dem Instrument H2 Global zu beteiligen.

Der Brief wurde vor wenigen Tagen an alle Regierungen der EU-Mitgliedstaaten versandt und liegt dem Handelsblatt vor. Ziel ist es, die Nachfragemacht der EU-Staaten zu bündeln und eine noch effizientere Wasserstoffbeschaffung zu organisieren.

Habeck und Simson schreiben, alle EU-Länder könnten von dem Instrument profitieren und die Zusammenarbeit beim Aufbau von Wasserstoff-Lieferbeziehungen ausbauen. In dem Brief heißt es, H2 Global sei ein bereits etabliertes und funktionierendes Modell, mit dem die weltweit ersten internationalen Auktionen für Wasserstoff organisiert worden seien.

Die 2020 noch von der schwarz-roten Bundesregierung initiierte Stiftung H2 Global ist zentrales Instrument für den Aufbau einer Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Die Stiftung kann in den kommenden Jahren auf rund sechs Milliarden Euro zugreifen, um den Einkauf von Wasserstoff und seiner Folgeprodukte anzureizen. Sie beschafft den Wasserstoff dabei über Auktionen.

Den größten Teil des Geldes steuert mit 4,4 Milliarden Euro das Bundeswirtschaftsministerium bei, einen kleineren Teil das Bundesverkehrsministerium. Außerdem engagiert sich die niederländische Regierung mit 300 Millionen Euro. Wenn weitere EU-Staaten mitmachen, würde das die Schlagkraft von H2 Global erhöhen.

Europa muss sich rasch den Zugriff auf Wasserstoff sichern

Die Europäer stehen unter Druck. Sie müssen sich rasch den Zugriff auf Wasserstoff sichern, um die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität zu ermöglichen. Andere Volkswirtschaften arbeiten ebenfalls am Aufbau von Wasserstoff-Wertschöpfungsketten. So haben etwa die USA mit dem Inflation Reduction Act (IRA) attraktive Bedingungen für Investitionen in Transformationstechnologien geschaffen.

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Habeck und Simson schreiben, das H2-Global-Modell sei effizient und lasse sich leicht an die spezifischen nationalen Bedürfnisse und Anforderungen anpassen. Gemeinsame Auktionen seien ein Signal an Wasserstoffhersteller, dass ein starker europäischer Markt für Wasserstoff im Entstehen sei. Damit wollen die Europäer auch leichter Standards für erneuerbaren Wasserstoff setzen und das Auktionsverfahren vereinheitlichen.

Die Stiftung arbeitet mit einem Doppelauktionsmodell, das von ihrer Tochter HINT.CO umgesetzt wird. Auf der einen Seite schließt HINT.CO langfristige Abnahmeverträge mit Wasserstoffproduzenten, die sich in einem Auktionsverfahren als günstigste Anbieter erwiesen haben. Auf der anderen Seite organisiert HINT.CO kürzer laufende Verkaufsverträge mit Abnehmern in Deutschland.

EU-Kommissarin Kadri Simson

Simson will den EU-Staaten eine gute Position auf dem Wasserstoffmarkt sichern und dafür die Marktmacht Europas nutzen.

(Foto: Reuters)

Zumindest anfangs werden die Wasserstofflieferanten höhere Preise fordern, als die Abnehmer zu zahlen bereit sind. Die Differenz wird aus den Mitteln der Stiftung beglichen.

Unternehmen wie BP, Linde und Thyssen-Krupp unterstützen Stiftung

H2 Global bringt öffentliche Hand und Unternehmen zusammen. Die Arbeit der Stiftung wird von mittlerweile 54 Unternehmen unterstützt, dazu zählen beispielsweise Uniper, RWE, Salzgitter, Air Liquide, Air Products, Thyssen-Krupp, Total, Eon, Gasunie, Orsted, Sefe, Arcelor-Mittal, Fortescue, BP und Linde. Die Unternehmen repräsentieren die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette, vom Anlagenbau über die Produktion bis zum Verbrauch.

Ausgangspunkt für die Gründung von H2 Global war die Erkenntnis, dass Deutschland seinen künftigen Bedarf an klimaneutralem Wasserstoff nicht aus eigener Kraft wird decken können. Zur Erreichung der Klimaschutzziele müssen beispielsweise die Stahl- und Chemieindustrie ihre Prozesse auf wasserstoffbasierte Verfahren umstellen. Ihr Bedarf an klimaneutralem Wasserstoff wird in den kommenden Jahren massiv steigen.

Im Fokus der Nachfrage wird dabei grüner Wasserstoff stehen. Er wird hergestellt, indem Wasser durch Elektrolyse in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgeteilt wird. Wenn der Strom, der für die Elektrolyse eingesetzt wird, aus erneuerbaren Quellen stammt, ist der Wasserstoff klimaneutral.

Entscheidender Produktionsfaktor ist dabei der Ökostrom, der in großen Mengen benötigt wird. Wind- und sonnenreiche Länder haben daher gute Chancen, eine starke Marktposition als Produzenten von grünem Wasserstoff zu erlangen. Deutschland dagegen wird nach Einschätzung vieler Fachleute allenfalls 30 Prozent seines Bedarfs selbst decken können. In anderen EU-Staaten ist die Situation ähnlich.

Bundesregierung will auch Australien, Kanada und die VAE einbinden

Die Bundesregierung hat bereits eine Reihe von Wasserstoff-Partnerschaften mit Staaten geschlossen, die über gute Bedingungen für die Wasserstoffproduktion verfügen. Nach Informationen des Handelsblatts aus Branchenkreisen will das Bundeswirtschaftsministerium außerdem potenzielle Lieferländer dazu bewegen, bei H2 Global mitzumachen. Dabei stehen insbesondere Australien, Kanada und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im Fokus.

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Der Stiftung kommt somit eine Schlüsselrolle für die Versorgung der EU mit Wasserstoff zu. Die EU-Kommission verfolgt zwar nach wie vor den Aufbau einer Europäischen Wasserstoffbank, aber in der Praxis ist H2 Global deutlich weiter und entwickelt sich zur tragenden Säule für den Aufbau von Wasserstoff-Lieferbeziehungen.

Die Europäische Wasserstoffbank dürfte sich am Ende darauf fokussieren, Wasserstoffproduktion und -verbrauch innerhalb Europas für ausgewählte Projekte voranzubringen.

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H2 Global begrüßt die Initiative von Habeck und Simson. Dass Importe nach Europa über H2 Global realisiert werden sollten, sei sicherlich auch den praktischen Erwägungen geschuldet: „Wir sind bereits vorhanden, der Mechanismus bewährt sich gerade, und dem IRA muss Europa schnell, geschlossen und kraftvoll etwas entgegensetzen“, sagte H2-Global-Chef Markus Exenberger dem Handelsblatt.

HINT.CO-Chef Timo Bollerhey sagte, im sich abzeichnenden globalen Wettbewerb um nachhaltige Energieressourcen müsse Europa seine Stellung behaupten. H2 Global sei von Anfang an mit einer europäischen Perspektive entwickelt worden. Mit der geplanten Europäisierung ließen sich erhebliche Effizienzgewinne realisieren.

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