Fünf Gründe, warum Schweinefleisch teuer bleibt

Düsseldorf Nie war Schweinefleisch in Deutschland so teuer wie in diesem Sommer. Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs haben sich die Schlachtpreise von 1,19 auf 2,40 Euro pro Kilo mehr als verdoppelt.

Doch die höheren Fleischpreise, die die Bauern bekommen, sind noch gar nicht in vollem Umfang bei den Konsumenten angekommen. Die Preise, die Verbraucher im Supermarkt oder beim Metzger zahlen, sind im selben Zeitraum erst um gut ein Viertel gestiegen. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Die Verbraucher müssen sich europaweit auf dauerhaft hohe Preise für Schweinefleisch einstellen, prognostiziert die Rabobank.

Bisher unterlagen die Preise dem klassischen Schweinezyklus. Waren sie hoch, züchteten Bauern mehr Ferkel. Die waren aber erst ein halbes Jahr später schlachtreif. Dann gab es ein Überangebot an Fleisch, weshalb die Preise einbrachen. Die Bauern fuhren daraufhin die Ferkelzucht herunter mit der Folge, dass sechs Monate später zu wenig Schweinefleisch auf dem Markt war und die Preise wieder stiegen.

„Das Gesetz des Schweinezyklus gilt nicht mehr“, konstatiert Branchenexperte Klaus-Martin Fischer, Partner der Beratung Ebner Stolz. „Denn sowohl das Angebot als auch die Nachfrage sind weggebrochen.“ Auf dem Fleischmarkt gibt es immense Verwerfungen, bestätigt Hans-Ewald Reinert, Co-Chef von The Family Butchers. Deutschlands zweitgrößter Wursthersteller leidet wie die ganze Wurstbranche unter den hohen Fleischpreisen.

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands ISN spricht inzwischen statt von Strukturwandel von einem „Strukturbruch“. Der hat folgende Ursachen:

Der Fleischkonsum sinkt

Die Deutschen essen immer weniger Schweinefleisch. Die aktuell hohen Preise haben die Abkehr beschleunigt. Der Pro-Kopf-Verzehr ist allein im vergangenen Jahr um fast zwei Kilo auf 29 Kilogramm gesunken. 2011 aß jeder im Schnitt noch 40 Kilo Schweinefleisch, zeigen Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Die Gründe sind vielschichtig: Immer mehr Menschen in Deutschland verzichten auf Schnitzel, Wurst und Gulasch – aus gesundheitlichen, religiösen oder aus Gründen des Umweltschutzes. Denn die Mast von Schweinen setzt klimaschädliches CO2 frei. Die Bundesregierung will deshalb Tierhaltung und Fleischverbrauch stark herunterfahren.

Auch die Gülle, eigentlich ein guter Naturdünger, ist in Zeiten der Massentierhaltung zum Problem geworden. Vielerorts ist das Grundwasser mit Nitrat belastet.

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Die Massentierhaltung ist es auch, die manchem Verbraucher den Appetit auf Fleisch verdorben hat. Schweine sollen mit Antibiotika gesund gehalten werden – doch so tragen sie auch dazu bei, dass sich gefährliche multiresistente Keime entwickeln. Und nicht zuletzt das Tierwohl wird gerade für die jüngere Generation immer wichtiger.

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Die durchgetaktete Fleischindustrie hat aber auch für niedrige Preise gesorgt. „Der deutsche Verbraucher hat davon profitiert, indem er gute Qualität zu sehr günstigen Preisen bekommen hat“, sagt Fischer.

Asienexport fehlt

Die Preise waren auch deshalb so niedrig, weil Teile wie Pfötchen, Schwänzchen und Öhrchen von Großschlachtern wie Tönnies nach Asien verkauft wurden. Dort gelten sie als Delikatesse, in Deutschland landen sie bestenfalls im Tierfutter. Diese Asienexporte haben damit das günstige Schnitzel in Deutschland quersubventioniert.

Doch mit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland im September 2020 erteilten die meisten asiatischen Länder, allen voran China, ein Importverbot für deutsches Schweinefleisch.

Schlachtung und Zerlegung

Viele Großschlachter haben Schichten gestrichen, weil die Zahl der geschlachteten Schweine so stark gesunken ist wie nie zuvor.

(Foto: dpa)

Zwar hat Südkorea Ende Mai die Einfuhrsperre teilweise wieder aufgehoben. „Das lukrative Asiengeschäft, das vor dem Ausbruch der ASP hierzulande die Schlachtbranche beflügelte, wird aber nicht mehr zurückkommen“, ist Branchenexperte Fischer überzeugt.

Weniger Schweine, weil Höfe aufgeben

Die Preise haben nicht nur wegen höherer Kosten für Futter und Energie angezogen, sondern vor allem auch weil es immer weniger Schweine am Markt gibt. Das gilt für die gesamte EU. Die Schlachtungen in Deutschland sanken 2022 um 9,2 Prozent auf 47 Millionen Tiere. Einen solchen Einbruch hat es seit Beginn der Aufzeichnungen durch das Statistische Bundesamt 1993 nicht annähernd gegeben. 2016 waren noch fast 60 Millionen Schweine in Deutschland geschlachtet worden.

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Parallel dazu hat sich die Zahl der Schweinebetriebe in nur zehn Jahren nahezu halbiert auf derzeit 15.900 Höfe. Allein zwischen 2020 und 2023 hat fast jeder vierte Betrieb aufgegeben. Denn durch die Importverbote wegen der Afrikanischen Schweinepest waren die Preise stark eingebrochen. „Wir Schweinehalter haben fürchterliche Jahre hinter uns, in denen wir viel Geld verloren haben. Derzeit sind die Preise gut und wir können endlich Gewinn erwirtschaften“, sagt Landwirt Hubertus Beringmeier, Bauernpräsident in Westfalen-Lippe. Der ISN beziffert den durchschnittlichen Verdienst auf 20 bis 30 Euro pro Schwein.

Schweine

In Deutschland werden immer weniger Schweine gehalten. Allein seit 2020 hat fast jeder vierte Hof aufgegeben, weil die Zukunftsperspektiven unsicher sind.

(Foto: dpa)

Durch die steigenden Preise machen die Schweinehalter aktuell wieder Gewinn – doch das Risiko steigt, dass sich noch mehr Kunden abwenden. „Treiben sie den Preis noch weiter nach oben, bricht die Nachfrage weg und dann kollabiert der ganze Markt. Das haben wir bereits bei Rindern gesehen“, warnt Fischer.

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Trotz der aktuell so hohen Verkaufspreise geben immer mehr Schweinehalter ihren Betrieb auf. Vielen Höfen fehlen Nachfolger. Kaum einer will sich mehr auf das harte und unwägbare Metier einlassen. „Hauptausstiegsursache ist die nach wie vor fehlende Planungssicherheit und Perspektive für die Betriebe“, sagt ISN-Geschäftsführer Torsten Staack. Tatsache ist: „Ein Schweinemäster, der einmal ausgestiegen ist, fängt nicht wieder an“, betont Beringmeier.

Teure Stallumbauten für mehr Tierwohl

Die Bundesregierung, allen voran Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), will für Schweine größere Ställe mit Frischluftzufuhr oder Auslauf durchsetzen. Was gut für das Tierwohl ist, kostet viel Geld. Bisher steht für 2024 bis 2027 eine Milliarde Euro an Fördermitteln für Stallumbauten zur Verfügung. „Das ist nicht unbedingt viel“, moniert der Schweinehalterverband. Viehhalter tun sich schwer, größere Investitionen anzuschieben und Kredite aufzunehmen, beobachtet Beringmeier.

„Das Baurecht wurde gerade geändert, das begrüßen wir“, sagt der Schweinehalter. Zudem erfordert das Umweltrecht ein Emissionsschutzgutachten vor dem Umbau. In der Nähe der meisten Betriebe liegen allerdings Wohnhäuser, deren Bewohner durch Ammoniak und Gerüche aus offenen Ställen beeinträchtigt werden können.

Ferkel auf einem Biohof

Politik und Handel verlangen Fleisch aus besseren Haltungsstufen. Doch der Umbau der Ställe ist kostspielig und bürokratisch aufwendig.

(Foto: IMAGO/Frank Peter)

Besonders heikel ist die Situation der Sauenhalter. Sie müssen bis Februar 2024 Konzepte für die Umbauten der Deckzentren und der Abferkelställe einreichen. „Viele werden diese Fristen als Anlass nehmen, um genau dann aus der Ferkelerzeugung auszusteigen“, meint Staack vom ISN. Die Landwirte müssten teils mehrere Millionen investieren, und das bei unklarer Finanzierungslage. Es sei Eile geboten, um die Schweineerzeugung im eigenen Land zu halten, mahnt der Verband.

Handel stellt auf bessere Haltungsstufen um

„Deutschland ist schon lange bei Schnitzel und Filet kein Selbstversorger mehr“, stellt Fabian Reinkemeier, Sprecher des größten deutschen Schlachtunternehmens Tönnies, klar. Die Eigenversorgungsquote liegt hier nur bei 70 Prozent. Sinken die Schlachtzahlen weiter, komme noch mehr Fleisch aus Ländern, in denen Tierwohl und Umweltschutz einen geringeren Stellenwert haben.

Der Trend ist bereits ablesbar: Im ersten Halbjahr 2023 importierte Deutschland laut ISN mit 5,48 Millionen Schweinen etwa vier Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die großen Handelsketten wie Aldi und Lidl haben sich allerdings seit 2022 zu Fleisch deutscher Herkunft bekannt – zumindest bei Frischfleisch der Eigenmarken aus konventioneller Aufzucht. Beim sogenannten 5xD-Standard (fünfmal Deutschland) liegt die gesamte Wertschöpfungskette von Geburt über Aufzucht, Mast, Schlachtung bis Verarbeitung in Deutschland.

Die großen Supermarktketten setzen zudem auf mehr Fleisch aus besserer Tierhaltung. Noch habe sich nicht viel verbessert, moniert Greenpeace in einer aktuellen Stichprobe. Lidl will bis 2026 mindestens ein Drittel seines Frischfleischs mit den höheren Haltungsstufen 3 (Außenklima) und 4 (Auslauf nach draußen, oft Bio) anbieten.

Aldi will bis 2030 nur noch Fleisch und Wurst dieser Haltungsformen verkaufen. Das Problem: Vielen Verbrauchern wird Tierwohlfleisch zu teuer. Im Inflationsjahr 2022 ist der Absatz von Bio-Rotfleisch zweistellig eingebrochen, zeigen Zahlen von Marktforscher GfK.

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Hinzu kommt: Es gibt noch viel zu wenige Schweine aus besserer Haltung. Erst drei Prozent der deutschen Schweine kommen aus den Stufen 3 und 4. Dafür müssen Ställe aufwendig umgestaltet werden. Zur Finanzierung der Umbauten für mehr Tierwohl ist seit Langem auch eine staatliche Tierwohlabgabe im Gespräch. Diskutiert wurde ein Aufschlag von etwa 40 Cent pro Kilo.

Klar ist: Bessere Haltungsstufen helfen dem Tierwohl, werden aber Schnitzel und Bratwurst weiter verteuern. Die Zeiten von Billigfleisch sind damit vorbei.

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