Die zehn kuriosesten Ärgernisse für Steuerzahler

Berlin Angesichts hoher Schulden und voraussichtlich knapp gefüllter Kassen in den nächsten Jahrzehnten kritisiert der „Bund der Steuerzahler“ Fälle von Steuergeldverschwendung. „Dazu gehören skandalöse Fälle, bei denen Milliarden Euro in den Sand gesetzt wurden, aber auch kleinere und skurrile Fälle direkt vor der Haustür der Bürger“, sagte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, am Dienstag im Berlin. Steuergeld werde immer wieder zu sorglos eingesetzt und verschwendet.

Hier sind einige der kuriosen und für den Steuerzahler ärgerlichen Fälle aus dem aktuellen „Schwarzbuch“ der öffentlichen Verschwendung.

Trotz Hektik zu Beginn der Coronapandemie hätte der Bund an seine Verpflichtung denken müssen, sorgsam mit Steuergeld umzugehen, meint der Steuerzahlerbund. Stein des Anstoßes: die Eil-Beschaffungen des Bundesgesundheitsministeriums.

Das Ressort von Jens Spahn (CDU) habe im vergangenen Jahr für 6,2 Milliarden Euro Masken, Einmalhandschuhe und Beatmungsgeräte gekauft. Dafür seien 1.050 Verträge abgeschlossen worden. Allerdings seien die gewählten Einkaufsverfahren – ob Direktkäufe bei Unternehmen oder sogenannte Open-House-Verfahren, bei denen alle interessierten Unternehmen zu festen Konditionen liefern können – allzu oft zu teuer. Das Ministerium scheine es aber nicht zu interessieren, ob die Kaufpreise für Schutzausrüstung wirklich marktüblich und damit gerechtfertigt waren, so die Kritik.

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Denn: Kein einziger Vertragsabschluss sei den Preisüberwachungsstellen der Länder vorgelegt worden. Diese Stellen dürfen Verträge über Lieferungen und Leistungen zwischen der öffentlichen Hand und den Unternehmen unter die Lupe nehmen und auf Basis des staatlichen Preisrechts zu hohe Rechnungen korrigieren –„in der Regel zugunsten der Steuerzahler und viele Jahre rückwirkend“, wie der Steuerzahlerbund betont. Auch aktuell wehre sich das Gesundheitsministerium gegen solche Kontrollen, „weil es felsenfest davon überzeugt ist, alle Verträge zu marktüblichen Preisen abgeschlossen zu haben“.

Jens Spahn

Der Bundesgesundheitsminister habe zu Pandemiebeginn zu viel Geld für Masken, Desinfektionsmittel und andere Hygieneartikel ausgegeben, meint der Bund der Steuerzahler.

(Foto: dpa)

Der Steuerzahlerbund fordert indes eine Experten-Nachprüfung der coronabedingten Beschaffungen durch Spahn. So könnten überteuerte Verträge aufgedeckt und kann Steuergeld noch zurückgefordert werden.

2. Corona-Ausgleichszahlungen für die Krankenhäuser

Mit Blick auf eine Bremerhavener Kinderklinik kritisiert der Steuerzahlerbund unzulängliche Bestimmungen beim „Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz“. Das Gesetz regelte, dass Kapazitäten für die Behandlung von Corona-Patienten freigehalten werden. Dafür erhielten Krankenhäuser einen finanziellen Ausgleich für das Verschieben planbarer Eingriffe.

Die Höhe der Ausgleichszahlungen orientierte sich an den durchschnittlichen Belegungszahlen des „Vor-Corona-Jahres“ 2019. Behandelte eine Klinik also weniger Patienten als im Jahresschnitt 2019, erhielt sie als Ausgleich Geld vom Bund. Doch dieses „stark vereinfachte Verfahren“, das später auch der Stadtstaat für Kompensationen nutzte, habe zu „kostspieligen Verwerfungen“ geführt, so der Steuerzahlerbund.

Intensivstation

Ungenaue Bestimmung bei Erstattungen für Krankenhäuser hätten zu „kostspieligen Verwerfungen“ geführt, so der Steuerzahlerbund.

(Foto: dpa)

Der konkrete Fall: In Bremerhaven habe ein ortsansässiges privates Klinikunternehmen zum Jahresbeginn seine pädiatrische Abteilung an das städtische Klinikum abgegeben, konnte die Betten aber trotzdem noch bei den Ausgleichszahlungen geltend machen. Unterm Strich seien zwischen März 2020 bis Ende Januar 2021 mindestens 3,2 Millionen Euro an den „falschen“ Klinikträger geflossen. Plus 2,1 Millionen Euro für den neuen städtischen Betreiber der Kinderklinik.

Fazit des Steuerzahlerbundes: Werden Hilfsprogramme mit „heißer Nadel gestrickt“, müssen Bestimmungen bei offensichtlichen Unzulänglichkeiten frühzeitig korrigiert werden.

3. Autobahn-App der Autobahn GmbH des Bundes

Die Autobahn GmbH des Bundes hat nach Meinung des Steuerzahlerbundes rund 1,2 Millionen Euro in die unnötige Entwicklung einer App versenkt – plus 11.000 Euro für Öffentlichkeitsarbeit. Die Gesellschaft, die seit Anfang des Jahres als Zentralverwaltung für die Autobahnen zuständig ist, präsentierte im Juli die Anwendung, mit der Autofahrer ihr Ziel schnellstmöglich erreichen sollen und zudem Verkehrsmeldungen, E-Ladestationen, Webcam-Bilder sowie Rast- und Parkplätze angezeigt bekommen.

Autobahn GmbH

Die Autobahn-App sei schlicht unnötig, da die abgebildeten Daten Autofahrern auch auf anderem Wege zur Verfügung stünden, so die Autoren.


(Foto: imago images/Jochen Tack)

Doch die Daten für die App stünden der Autobahngesellschaft gar nicht exklusiv zur Verfügung, bemängelt der Steuerzahlerbund. Darum sei fraglich, ob es dann noch einen Mehrwert zu den bereits etablierten Apps privater Anbieter gebe.

Fazit: Eine zusätzliche staatliche Autobahn-App mit Steuergeld brauche es nicht. Hinzu komme, dass der Betrieb der App weitere Kosten in bislang unbekannter Höhe verursacht. Und das, obwohl das Angebot bei den Nutzern offenbar nicht gut ankommt: Bis zum September sei die Zahl der täglichen aktiven Nutzer von rund 130.000 auf rund 14.000 eingebrochen.

4. Regierungsviertel mit Bundeskanzleramt und Erweiterungsbauten

Das Bundeskanzleramt in Berlin ist mit mehr als 25.000 Quadratmeter Nutzfläche größer als das Weiße Haus in Washington oder der Élysée-Palast in Paris, stellt der Bund der Steuerzahler fest. Doch während der vergangenen 20 Jahre sei die Zahl der Beschäftigten derart gewachsen, dass der Platz nicht mehr ausreiche.

Nun müsse ein Neubau mit bis zu 400 zusätzlichen Büros her. „Mit genehmigten Ausgaben von 485 Millionen Euro wäre der Bau bereits außergewöhnlich teuer“, befindet die Interessenvertretung der Steuerzahler. „Doch längst zeichnen sich Kostensteigerungen ab.“ Denn die Kostenermittlung beruhe auf dem Preisstand von 2019. Seitdem seien insbesondere die Baupreise teils kräftig gestiegen.

Bundeskanzleramt

Die Erweiterungsbauten des Bundeskanzleramtes und des Bundestags kosten erheblich mehr als ursprünglich geplant.

(Foto: dpa)

Das für Bau zuständige Bundesinnenministerium prognostiziere die Gesamtkosten unter Berücksichtigung möglicher Risiken auf 600 Millionen Euro. Dazu könnten noch 39 Millionen Euro für einen Tunnel kommen, da der Bezirk Berlin-Mitte eine oberirdische Zufahrt ablehne. Der Steuerzahlerbund fordert darum, die Pläne dringend zu überdenken.

Gleiches gelte für den Erweiterungsbau des Deutschen Bundestages. Die Übergabe des Gebäudes mit Büros und Veranstaltungsräumen sei ursprünglich für den Sommer 2014 geplant gewesen und nun erst für 2022 angedacht. Der Steuerzahlerbund rechnet vor: Die genehmigten Kosten sind von 190 auf 332 Millionen Euro gestiegen. Allein, dass bereits installierte Anlagen wegen neuer gesetzlicher Anforderungen umgerüstet werden mussten, schlage mit rund vier Millionen Euro zu Buche.

5. Fußgängerbrücke über die Essel

In Eslohe im Hochsauerlandkreis wird die Essel von einer Straßenbrücke überquert. Der Gehweg hat eine Breite von 1,75 Meter, kann also nur eingeschränkt barrierefrei genutzt werden, wenn sich Fußgänger begegnen. Also wird direkt neben der vorhandenen Brücke eine zwei Meter breite neue Fußgängerbrücke gebaut.

Der Steuerzahlerbund rechnet vor, dass die Ersparnis „weniger Meter und einiger Sekunden“ für die Fußgänger rund 95.000 Euro kostet. 38.000 Euro davon zahlt die Gemeinde, der Rest stammt aus Städtebaumitteln des Bundes und des Landes. Fazit der Interessenvertretung der Steuerzahler: „Eine Brücke neben einer Brücke – das ist Steuergeldverschwendung par excellence!“

6. Park-Sanduhren von Wittenberg

Ende 2020 diskutierte der Stadtrat von Wittenberg laut Steuerzahlerbund eine neue Parkgebührenordnung. In diesem Zusammenhang sei entschieden worden, eine Brötchentaste an den Parkscheinautomaten zu ergänzen – als Übergangslösung in Form einer Sanduhr mit einer Laufzeit von 15 Minuten. 11.000 Euro habe die Stadt für 2.500 Parksanduhren bezahlt. Diese seien zum Einzelpreis von 4,50 Euro angeboten worden.

Rathaus Wittenberg

Die Stadt Wittenberg gab Geld für Park-Sanduhren aus.


(Foto: imago stock&people)

Doch die Sanduhren seien zu schnell gelaufen und hätten wieder zurückgerufen und repariert werden müssen. „Ob der angestrebte vollständige Verkauf der Park-Sanduhren gelingt und damit wenigstens der Kaufpreis von fast 11.000 Euro refinanziert werden kann, ist noch offen“, kritisiert der Steuerzahlerbund.

In jedem Fall bliebe die Stadt auf ihrem Aufwand sitzen: Personalkosten durch das Einholen der Angebote, die Nachverhandlung zur Stückzahl und den Verkauf beziehungsweise die Rücknahme an der Infotheke des Bürgerbüros. Auch die Durchsetzung des Nacherfüllungsanspruchs gegenüber dem Lieferanten habe zu zusätzlichem Aufwand geführt.

Es sei wenig nachvollziehbar, warum im digitalen Zeitalter und trotz der ohnehin geplanten Installation der „Brötchentaste“ noch getestet werde, ob Sanduhren richtig rieseln und ob sie von Autofahrern angenommen werden, rügt der Steuerzahlerbund.

7. Teure IT für Bundesbehörden

Schon seit 2015 arbeitet die Bundesregierung daran, sich selbst und ihren Behörden eine moderne, sichere und vor allem einheitliche IT zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen Computer und Drucker, aber auch Software wie Datenbanken und Mailsysteme.

Zu Beginn hieß es vom Bund, dass die Generalüberholung seiner IT einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ kosten solle – bis 2025 wollte man das Projekt abschließen. Doch mit jedem Jahr wurde klarer, dass die Fortschritte ausblieben.

IT

Erst 2028 rechnet der Bund damit, eine einheitliche IT für alle Behörden und Ministerien eingerichtet zu haben.


(Foto: Bloomberg)

Im letzten Jahr zog die Bundesregierung schließlich die Reißleine und strukturierte das gesamte Projekt neu. Seitdem überwacht das Bundeskanzleramt das Vorgehen des Finanz- und Innenministeriums, die zuständig sind. Doch die verlorenen Jahre haben ihren Preis: 3,4 Milliarden Euro soll die Modernisierung jetzt kosten. Außerdem wurde die Frist für das Projekt um drei Jahre nach hinten verschoben.

Frühestens für 2028 rechnet das Kanzleramt jetzt damit, die IT-Konsolidierung komplett abgeschlossen zu haben. Der Steuerzahlerbund titelt deshalb: „IT-Chaos Bund“ und rechnet mit weiteren Verzögerungen und Kostensteigerungen.

8. VfB Lübeck: Sportlicher Aufstieg, finanzieller Abstieg

Auch der Volkssport Fußball kann unnütz Steuergelder verschlingen. So geschehen in Lübeck, wo sich der ortsansässige VfB in der Saison 2019/2020 über den Aufstieg in die dritte Männer-Bundesliga freuen durfte.

Doch die Rückkehr in den Profifußball kam Lübeck teuer zu stehen, denn laut dem Deutschen Fußball-Bund müssen die Vereine ab der Dritten Liga Fans und Spielern eine gewisse Infrastruktur zur Verfügung stellen. Dazu zählen etwa ein neuer, beheizter Rollrasen und eine Bewässerungsanlage. Kostenpunkt: knapp 2,5 Millionen Euro.

Geld, das der klamme Verein nicht aufbringen konnte. 2008 und 2012 hatte der VfB Lübeck bereits Insolvenzanträge stellen müssen. Doch ohne Rasenheizung keine Lizenz und ohne Lizenz kein Lübecker Profifußball.

VfB Lübeck

Der VfB Lübeck hat nun ein Drittliga-Stadion, spielt aber gar nicht mehr in der Dritten Liga.


(Foto: imago images/Hübner)

Deshalb finanzierten Land und Kommune die Investition mit 1,5 Millionen Euro mit. Nach dem letzten Heimspiel rollten schließlich die Bagger an, um die Bauarbeiten auszuführen. Dabei stand zu diesem Zeitpunkt schon fest, dass der VfB Lübeck nach nur einer Saison in der Dritten Liga wieder abgestiegen war.

9. Greensill: Pleite mit Folgen

Das Versprechen der Bremer Greensill Bank schien zu schön, um wahr zu sein: sichere Einlage plus attraktiver Rendite in Zeiten von Negativzinsen. Eine Verheißung, auf die nicht nur Privatanleger, sondern auch Kommunen hereinfielen.

Insgesamt 350 Millionen Euro vertrauten deutsche Städte und Gemeinden in verschiedenen Bundesländern der Greensill Bank an. Und das, obwohl staatliche Stellen nicht von der gesetzlichen Einlagensicherung geschützt sind.

Als dann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Bremer Bank wegen drohender Insolvenz schloss, standen die Kommunen vor einem finanziellen Desaster. Die niedersächsische Stadt Nordenham beispielsweise hatte mit 13,5 Millionen Euro ein Viertel des gesamten Haushalts bei Greensill angelegt – Geld, das eigentlich in das städtische Kanalnetz hätte investiert werden sollen. Der Bürgermeister zog nach der Pleite persönliche Konsequenzen und trat im September 2021 nicht mehr zur Wiederwahl an.

Greensill Bank

Die skandalumwobene Greensill Bank hat Steuerzahler Millionen gekostet, weil Kommunen dort ihr Geld anlegten – trotz wiederholter Warnungen.

(Foto: Reuters)

Warnungen hätte es genug gegeben. Der Ruf der Bank war schon vor der Pleite fragwürdig, und das Bundesland Hessen hatte seine Kommunen ausdrücklich davor gewarnt, bei kleinen Privatbanken anzulegen, weil hier das Risiko sehr hoch sei. Die Mahnung verhallte allerdings auch dort: Insgesamt 82 Millionen Euro hatten hessische Kommunen bei Greensill investiert.

10. Doppelter Spatenstich an der B5

Es sind gerade einmal 20 Kilometer Bundesstraße, die zwischen Husum und Tönning in Schleswig-Holstein dreispurig ausgebaut werden sollen. Das Verkehrsprojekt ist vor allem für den Tourismus wichtig, um beide Ferienorte besser miteinander zu verbinden und den Anschluss an die Autobahn 23 Richtung Hamburg zu verbessern.

So wichtig schien der Ausbau den Verkehrsministerien in Kiel und Berlin, dass sie den ersten Spatenstich des Projekts gleich zweimal feierten. Im Oktober 2020 und im Juni 2021 reisten Landesverkehrsminister Bernd Buchholz und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, dafür an. Die Rechtfertigung für den doppelten Spatenstich lautete, dass der Beginn des Bauprojektes ja an beiden Enden der Strecke hätte signalisiert werden müssen.

Die betroffenen Anwohner konnten der Veranstaltung allerdings wegen der Corona-Schutzmaßnahmen gar nicht beiwohnen. Ein „erster Spatenstich“ kostet laut dem Bund der Steuerzahler ohne Personal- und Reisekosten rund 5.000 Euro. Das Kurioseste dabei: Der Baubeginn ist erst für den Sommer 2022 geplant – vielleicht ein Anlass für einen dritten Spatenstich.

Mehr: Die Regierung sollte nicht nur neue Prioritäten setzen, sondern auch alte Ideen streichen.

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