Die Folgen der Jahrhundertflut in Griechenland sind enorm

Starke Unwetter in Griechenland

Die Wetterstation der Ortschaft Zagora registrierte innerhalb von 20 Stunden eine Niederschlagsmenge von 754 Litern pro Quadratmeter.

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Athen Eigentlich wollte der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis am vergangenen Wochenende bei der Internationalen Handelsmesse in Thessaloniki die Erfolge seiner Wirtschaftspolitik erläutern. Er hätte ein Ass aus dem Ärmel ziehen können: Am Freitagabend nahm die kanadische DBRS Morningstar als erste der vier großen, von der Europäischen Zentralbank zertifizierten Ratingagenturen Griechenland nach 13 Jahren wieder in die Liste der investitionswürdigen Schuldner auf.

Mitsotakis hatte das Upgrade schon im vergangenen Jahr zum „nationalen Ziel“ erklärt. Doch die Flutkatastrophe in Mittelgriechenland droht einen Teil des wirtschaftlichen Fortschritts zunichtezumachen.

729 Quadratkilometer Land haben die Wolkenbrüche des Sturmtiefs „Daniel“ überflutet, eine Fläche fast so groß wie Hamburg. Meteorologen sprechen von einer Jahrhundertflut. Was einmal Griechenlands Kornkammer war, ist jetzt ein endloser See.

Die Wetterstation der Ortschaft Zagora registrierte innerhalb von 20 Stunden eine Niederschlagsmenge von 754 Liter pro Quadratmeter. Das war doppelt so viel Regen, wie er in Athen in einem ganzen Jahr fällt. Zur Einordnung: Bei der Ahrtal-Flut im Juli 2021 lagen die Niederschlagsmengen zwischen 100 und 200 Liter pro Quadratmeter.

Mancherorts steht das Wasser bis zu vier Meter hoch. Von einigen Dörfern ragen nur noch Hausdächer und Baumwipfel aus der Flut. 4200 Menschen wurden bisher aus den überfluteten Ortschaften gerettet. Mindestens 14 sind ertrunken, vier werden nach offiziellen Angaben noch vermisst. Doch die Opferzahlen könnten steigen, wenn sich das Wasser zurückzieht und die Dörfer wieder zugänglich werden. Zudem erhöht sich wegen des stehenden Wassers Tag für Tag die Gefahr von Seuchen.

Rettungsmaßnahme

Die Zahl der Ertrunkenen liegt mittlerweile bei 14.

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Regierung und Zivilschutz unterschätzten offenbar das Ausmaß des Unwetters lange. Kritiker fragen, warum das Militär, das über Hubschrauber, Schlauchboote und Gerät zum Bau von Behelfsbrücken verfügt, so spät eingesetzt wurde. Erst nach vier Tagen richtete die Regierung ein Krisenzentrum vor Ort ein. Unverständlich ist für viele Beobachter auch, dass Griechenland keine Hilfe aus dem Ausland anforderte.

Gewaltige Schäden an Straßen und Brücken

Seit dem Wochenende hat der Regen aufgehört, aber noch immer strömen Wassermassen aus den umliegenden Bergen in die thessalische Ebene. Der Fluss Pinios trat an vielen Stellen über die Ufer. Sein steigender Pegel bedrohte zeitweilig die 160.000 Einwohner zählende Stadt Larisa. In einigen Stadtteilen stand das Wasser einen halben Meter hoch. In den umliegenden Dörfern suchten am Sonntag Rettungsmannschaften der Feuerwehren, des Zivilschutzes und der Armee weiter nach Lebenszeichen.

Die Schäden an der Infrastruktur sind noch gar nicht abzuschätzen. Die Wassermassen haben Straßen, Brücken und Versorgungsleitungen zerstört. Hinzu kommen Ernteausfälle. Auf die Ebene von Thessalien entfällt mehr als ein Fünftel der landwirtschaftlichen Produktion Griechenlands. Die betroffene Region erwirtschaftet nach Berechnungen der Ratingagentur Moody’s etwa 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und stellt knapp elf Prozent aller Arbeitsplätze.

Der Geowissenschaftler Efthymios Lekkas von der Universität Athen befürchtet, dass es bis zu fünf Jahre dauern wird, bis auf den überschwemmten und meterhoch mit Schlamm bedeckten Feldern wieder ein Anbau möglich ist. Und langfristig werden weiter Katastrophen erwartet: Nach einer Studie der griechischen Zentralbank wird der Klimawandel in Griechenland bis zum Jahr 2100 Kosten von 701 Milliarden Euro verursachen. Das entspricht pro Jahr durchschnittlich vier Prozent des letztjährigen Bruttoinlandsprodukts.

Überflutetes Gebiet

Infolge der Flut wird es zu schwerwiegenden Ernteausfällen kommen.

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Gravierend könnten auch die politischen Folgen sein. In der Öffentlichkeit wächst die Wut. Erst erschütterte im Februar das schwerste Zugunglück in der Geschichte des Landes Griechenland, dann im Juli der größte Waldbrand Europas, jetzt die Flut. Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr erleben viele Menschen einen Staat, der schlecht organisiert ist und sie nicht schützen kann. „Der Staat ist abgesoffen“, kommentierte die Wirtschaftszeitung „Kefalaio“ (Kapital).

Die wachsende Staatsverdrossenheit stärkt Populisten und Rechtsextremisten. Gruppen wie die Neonazi-Partei „Spartaner“ und die ultraorthodoxe „Siegespartei“ haben bei den Wahlen im Juni bereits knapp zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinigt. Mit Sorge fragt man sich jetzt in Regierungskreisen, wie diese rechtsradikalen Parteien bei den bevorstehenden Kommunalwahlen im Oktober abschneiden werden.

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