Wie Blockchain Österreichs Energiekrise bewältigen kann

Der Klimawandel ist zu einer der größten globalen Herausforderungen für die Menschheit geworden. Gleichzeitig ist die Abhängigkeit von Kohlenwasserstoff-Energieträgern wie Kohle, Öl und Erdgas nach wie vor stark.

Versorgungsleitungen rund um diese Energiequellen sind zudem anfällig für geopolitische Spannungen. Aufgrund der aktuellen Sanktionen gegen Russland rechnen Experten nun mit steigenden Strompreisen und negativen Auswirkungen auf den Energiemarkt in Europa.

Die österreichische Regierung ist sich der dringenden Notwendigkeit der Energiewende bewusst und hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein. Alternative Lösungen zu fossilen Energien kommen nur langsam voran und sind im großen Maßstab meist noch nicht effizient genug . Doch es gibt vielversprechende Ansätze – insbesondere in Form dezentraler erneuerbarer Energien oder der Blockchain-Technologie im Peer-to-Peer (P2P)-Energiehandel.

In Österreich gibt es bereits Pilotprojekte zum Thema P2P-Handel auf dem Energiemarkt. An der Spitze stehen Blockchain-Scale-up Riddle&Code und Österreichs größter Energieversorger Wien Energie, der 2020 ein Joint Venture namens Riddle&Code Energy Solutions gegründet hat.

Seit dem 1. April dieses Jahres ist Kai Siefert neuer Leiter des Joint Ventures. Er war früher IT-Stratege bei Wien Energie und arbeitete an der Energie-Tokenisierungsplattform MyPower in Wien. Cointelegraph in Deutsch mit Siefert gesprochen, um zu fragen, wie wir die Energiekrise mit Hilfe von Blockchain bekämpfen können.

Vom Pilotprojekt zur Solar-Tokenisierung

Wien Energie und Riddle&Code arbeiten schon lange zusammen. Bereits 2017 starteten die Unternehmen das erste Projekt namens Peer2Peer im Quartier, bei dem sie Photovoltaik-Solarsysteme tokenisierten, damit Verbraucher an der Energieerzeugung teilhaben können.

Später, Ende 2018, als Siefert noch IT-Stratege von Wien Energie war, entwickelte sein Team gemeinsam mit Astrid Schober, IT-Leiterin bei Wien Energie, eine Blockchain-Strategie und widmete sich dem Thema Energy Tokenization mit Security Tokens und Utility Tokens.

Daraus entstand die MyPower-Plattform. Zunächst testeten Wien Energy und Riddle&Code den dezentralen Handel mit selbst erzeugtem Solarstrom per Blockchain in einem Smart-City-Projekt mit 100 Teilnehmern. Alles lief reibungslos und im Jahr 2021 wurde eine Tokenisierungsplattform für Photovoltaikanlagen gestartet. Riddle&Code tokenisierte die größte Solaranlage Österreichs und gewann 1.000 Kunden, die im Rahmen ihrer Werbekampagne von Wien Energie ausgegebene Energiegutscheine in Form von Token kauften, mit denen Stromrechnungen bezahlt werden konnten.

Jetzt tokenisiert MyPower Photovoltaikanlagen in ganz Österreich, sodass Verbraucher von Teileigentum profitieren und in erneuerbare Energiequellen investieren können.

Die Nachfrage nach erneuerbarer Energie ist riesig

Laut Siefert ist das Konzept des Energy Sharing derzeit sehr gefragt. Aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine und der Coronavirus-Krise schießen die Strompreise in die Höhe. Steigende Energiepreise können durch billigere erneuerbare Energien, intelligente Informationstechnologie und Energy Sharing gemildert werden.

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Beim Blockchain-basierten Energy Sharing wird gemeinsam erzeugter Strom ins Netz eingespeist, verteilt und direkt an die Wohnungen verkauft – alles ohne Zwischenhändler. Nicht verbrauchte Kilowattstunden können auch an andere Energiegemeinschaften verkauft werden und Verbraucher verdienen oder sparen so Geld.

Energy Sharing kann den direkten Energiehandel zwischen Energieverbrauchern (Energieproduzenten und Endverbrauchern) ermöglichen, die mit diesem Ansatz die Kontrolle über ihre Erzeugung und Nachfrage übernehmen können. Wer sein Zuhause mietet statt zu besitzen, kann die Energiewende aktiv mitgestalten und von den Erlösen profitieren. Das bindet Verbraucher stärker in die eigene Erzeugung ein und stellt die lokale Wertschöpfung in den Mittelpunkt.

„Man muss kein Erdgas aus Russland oder Öl aus Saudi-Arabien kaufen, um hier in Europa Energie zu erzeugen“, sagte Siefert. „Die Sonne kommt quasi umsonst und produziert zuverlässig Strom. Aber viele Menschen können nicht teilnehmen, weil sie kein eigenes Haus haben, sondern in einer Mietwohnung leben oder einfach nicht die Mittel haben, eine große Solaranlage zu kaufen. Allerdings können wir diese Anlagen in kleine Digital Asset Tokens aufteilen, sodass sich auch Privatanleger mit wenig Kapital beteiligen können.“

Erneuerbare Energien „kommen in den Fokus“

In Österreich gibt es bereits kleine Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften wie Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG). Solche Energiegemeinschaften (in Österreich und nach dem Erneuerbare-Energien-Ausbaugesetz) sind nicht gewinnorientierte juristische Personen mit dem Ziel, die Erzeugung, Verteilung und den Verbrauch erneuerbarer Energie überwiegend zum Wohle der Allgemeinheit zu dezentralisieren. Solche EEGs spielen bei der Erzeugung, der lokalen und regionalen Verteilung und dem Verbrauch erneuerbarer Energien noch eine kleine Rolle und sind oft nicht sehr profitabel.

Die Dinge beginnen sich jedoch zu entwickeln. Laut Siefert ist die Nachfrage nach EEGs aufgrund steigender Energiepreise bereits enorm gestiegen, und Riddle&Code Energy Solutions bietet technische Lösungen für den Aufbau und das Onboarding solcher EEGs. „Wir können sie mit unserem System auch an dezentrale Marktplätze anbinden“, sagt Siefert. Möglich ist dies bereits mit dem seit 2021 geltenden Erneuerbare-Energien-Ausbaugesetz, einer in nationales Recht umgesetzten Richtlinie der Europäischen Union.

Siefert konstatiert ein „steigendes Interesse an Interessenten für erneuerbare Energien“ – in Österreich, Europa und weltweit. Unternehmen, die im Bereich der Erneuerbaren Energien tätig sind, „rücken jetzt in den Fokus“, da sie „von den großen Investitionen profitieren, die die Klimapolitik weltweit begünstigt“, sagte Siefert.

Echtzeitdaten signiert und verschlüsselt auf der Blockchain

Derzeit ist P2P-Energiehandel in Österreich noch nicht erlaubt. Alles funktioniert auf Basis der aktuellen Strommarktinfrastruktur, Abrechnungsdaten werden 24 Stunden nach der Messung von den Netzen zur Verfügung gestellt.

Aber Riddle&Code Energy Solutions kann diese Daten bereits in Echtzeit erfassen. Ein Dongle, der direkt mit dem Smart Meter verbunden werden kann, liest Daten live von der Kundenschnittstelle aus und sendet sie über ein vertrauenswürdiges Gateway – signiert und vollständig verschlüsselt auf der Blockchain. Von dort können diese Daten sofort ausgelesen werden. Kunden können jede Viertelstunde sehen, wie ihr Guthaben in Kilowattstunden-Token wächst.

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Diese Daten können noch nicht für die Abrechnung verwendet werden, aber sie helfen, Anreize für das richtige Konsumverhalten zu schaffen. Dank solcher Daten kann der Kunde sehen, wie viel Ökostrom er von der Gemeinschaftsinstallation am Netz hat und diese Zeit zum Beispiel nutzen, um die Waschmaschine einzuschalten oder ein Elektroauto aufzuladen. Das wiederum wirkt sich indirekt auf die Rechnung aus, denn Kunden zahlen dann weniger, wenn sie mehr Strom aus ihren eigenen Shared Forms verbrauchen.

„Unser Ziel ist, dass jeder am Energy Sharing teilhaben kann“, sagte Siefert. „Aber privater P2P-Handel ist in Österreich derzeit nicht möglich, bis eine gesetzliche Regelung geschaffen ist. Deshalb wünsche ich mir hier mehr Freiheiten von staatlicher Seite und mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren. Österreich kann eine der führenden Nationen in der EU und weltweit werden, wenn es um den P2P-Energiehandel und die Entwicklung von Energiegemeinschaften geht.“

Dies ist eine Kurzfassung des Interviews mit Kai Siefert. Sie finden die Vollversion hier (auf Deutsch).