Biogas-Großhändler BMP Greengas: Stadtwerken drohen Millionenbelastungen

Berlin Die Schieflage des Biogas-Großhändlers BMP Greengas bringt Dutzende Stadtwerke in Schwierigkeiten. Sie laufen Gefahr, auf Kosten in Höhe von mindestens 150 Millionen Euro sitzen zu bleiben. Das belegt eine Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) aus der letzten Juliwoche, deren Ergebnisse dem Handelsblatt vorliegen.

Unter den Stadtwerken, die an der Umfrage teilgenommen haben, gaben 34 an, eine Vertragsbeziehung mit BMP Greengas zu haben. Nach Einschätzung des VKU sind das alle relevanten Stadtwerke, die von den Schwierigkeiten des Biogas-Großhändlers betroffen sind.

Der Schaden dürfte allerdings noch deutlich darüber hinausgehen. Denn das Unternehmen hat nicht nur die Stadtwerke als Kunden. Insgesamt beläuft sich die Zahl der BMP-Kunden früheren Angaben zufolge auf rund 100.

14 Prozent der betroffenen Stadtwerke gaben an, die Mehrkosten an ihre Kunden weitergeben zu wollen, 27 Prozent sagten, sie planten dies nicht. In 59 Prozent der Fälle war über diese Frage noch keine Entscheidung getroffen worden.

81 Prozent der Stadtwerke sehen sich wegen der Unsicherheiten, die aus der BMP-Schieflage resultieren, bei der Umstellung auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung behindert. 65 Prozent gehen davon aus, dass die Situation die Akzeptanz der Wärmewende insgesamt negativ beeinflusst.

Biogas spielt tragende Rolle für die Wärmewende

BMP Greengas gehört in Deutschland zu den relevanten Akteuren im Großhandel mit Biogas. Dieses spielt eine Schlüsselrolle für die politisch gewollte Wärmewende, also für den Wechsel von fossilen Energieträgern wie Erdgas hin zu nachhaltigen, erneuerbaren Quellen. Viele Stadtwerke nutzen Biogas in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Solche Anlagen liefern Wärme und Strom und sind besonders effizient. Ihr Betrieb wird staatlich gefördert.

Energie vom Bauernhof

Biogas-Erzeugung im Südwesten Deutschlands: Was früher einfach nur auf dem Feld gelandet wäre, kann genauso zur Stromerzeugung genutzt werden.

(Foto: dpa)

Auch im umstrittenen Heizungsgesetz taucht das grüne Gas als Lösungsweg auf: Demnach dürfen auch künftig Gasheizungen in Bestandsgebäude eingebaut werden, wenn sie zu mindestens 65 Prozent mit Biogas laufen. Einzelne Stadtwerke nutzen Biogas auch für den Betrieb von Gastankstellen oder für den Betrieb von Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs.

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BMP Greengas hatte vor einigen Wochen angekündigt, ein Insolvenzverfahren in Eigenregie, ein sogenanntes Schutzschirmverfahren, anzustreben. Mittlerweile wurde dem Antrag stattgegeben.

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing hatte am Mittwoch kritisiert, mit der Eröffnung des Verfahrens erhalte BMP Greengas die Möglichkeit, sich zulasten vieler Stadtwerke zu sanieren. „Die Vorreiter werden ausgebremst“, sagt er. Es komme zu „veritablen Lieferausfällen“, der gesamte Markt werde „nachhaltig gestört“.

Nicht nur die Ersatzbeschaffung stellt Stadtwerke vor Probleme

Gebhard Gentner, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, verweist darauf, dass die Folgen weit über die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung hinausgehen können. „Der Schaden unseres Unternehmens beläuft sich auf mindestens 30 Millionen Euro. Das ist allerdings nur der Wert, der sich rein rechnerisch aus der Ersatzbeschaffung zu heutigen Preisen ergeben würde“, sagte Gentner dem Handelsblatt.

Er wisse aber noch gar nicht, ob diese Mengen auch tatsächlich verfügbar seien. „Die Folgeschäden könnten daher noch viel größer sein. Es kann sein, dass wir unsere Wärmeversorgungsstrategie komplett umstellen müssen, weil wir die Klimaziele im Wärmesektor mit Biogas nicht mehr erreichen können“, so Gentner.

Als Grund für die Schieflage hatte BMP Greengas angegeben, von seinen eigenen Lieferanten nicht mehr ausreichend Biogas geliefert zu bekommen und darum den Verpflichtungen gegenüber seinen Vertragspartnern nicht mehr nachkommen zu können. BMP schickte seinen Kunden neue Verträge. Danach sollen sie auf einen Teil der vereinbarten Biogaslieferungen verzichten und für den Rest deutlich mehr bezahlen.

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In der Branche wird der Verdacht geäußert, BMP habe so wenig Biogas für die Stadtwerke übrig, weil man das Gas lieber am lukrativeren Kraftstoffmarkt verkaufe. Dort bezahlen Unternehmen viel Geld für Biokraftstoffe, um Strafen wegen zu hoher CO2-Emissionen zu entgehen. BMP-Sanierungsgeschäftsführer Jochen Sedlitz widerspricht solchen Vermutungen: Sie träfen „definitiv nicht zu“.

Biogasanlage

Hemmingen in Baden-Württemberg: Der Mitarbeiter einer Biogasanlage von Naturenergie Glemstal wartet einen Gasmotor zur Strom und Wärmeerzeugung.

(Foto: dpa)

87 Prozent der betroffenen Stadtwerke geben in der Umfrage an, BMP habe ihnen ein neues Vertragsangebot mit schlechteren Vertragsbedingungen unterbreitet. Dieses beinhalte höhere Preise oder geringere Liefermengen. In einigen Fällen gab es der Umfrage zufolge auch eine Kombination aus höheren Preisen und geringerer Liefermenge. Im Durchschnitt lagen die Mengenkürzungen demnach bei rund 40 Prozent, die Preiserhöhungen bei 35 Prozent.

Eigentümerstruktur macht den Fall zum Politikum

Die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, das neue Vertragsangebot von BMP nicht angenommen zu haben. Jeweils 25 Prozent waren noch in Verhandlung oder haben akzeptiert.

Die Eigentümerstruktur von BMP Greengas macht die Entwicklung zu einem Politikum: Der Biogashändler ist ein Tochterunternehmen des Energiekonzerns EnBW, der zu 47 Prozent dem Land Baden-Württemberg gehört.

Aus Sicht von VKU-Hauptgeschäftsführer Liebing muss sich daher die Landesregierung der Sache annehmen. „Wir erwarten, dass die Eigentümer Verantwortung übernehmen: Gerade von einem öffentlichen Unternehmen und seinem Mehrheitseigner kann man dies zu Recht erwarten.“ Liebing sprach von einem „verheerenden Signal“ für die Energiewende. „Die betroffenen Stadtwerke müssen ein Desaster ausbaden, das sie nicht zu verantworten haben.“

Doch die Landesregierung in Stuttgart erklärt sich in Sachen BMP Greengas für unzuständig: Die Situation betreffe das operative Geschäft von EnBW. „Darin sind wir als Gesellschafter nicht eingebunden und äußern uns deshalb auch nicht dazu“, teilte ein Sprecher des für die Beteiligungen zuständigen Finanzministeriums auf Anfrage mit.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Frank Bonath kritisierte diese Antwort als unbefriedigend. Es sei sehr viel Vertrauen verspielt worden. „Man hat den Eindruck, dass man sich bei der Landesregierung und EnBW einen schlanken Fuß gemacht hat, als man das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ausgerufen hat“, sagte Bonath dem Handelsblatt. Das rieche nach „Wildwestmethoden“.

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