Anleger in den USA und Deutschland wollen Sommer risikofrei genießen

Bulle und Bär

Laut Sentimenttheorie ist die Anlegerstimmung ein Kontraindikator für die weitere Entwicklung an den Märkten.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Unterschiedlicher kann das Stimmungsbild an den Aktienmärkten in den USA und Deutschland nicht sein. Obwohl die Entwicklung an beiden Märkten weitgehend parallel läuft und die Indizes im Rallymodus sind, sind die Zukunftsaussichten der Anleger an den beiden Märkten völlig konträr.

Hierzulande betrachten die Anleger das neue Allzeithoch beim Dax – der Index stieg am Montag über 16.500 Punkte – mit großer Skepsis und bereiten sich auf schlechte Zeiten vor. In den USA hingegen gehen die Investoren jetzt erst so richtig in die Vollen und spekulieren auf weiter steigende Kurse. Das lässt sich aus der aktuellen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment und weiteren Indikatoren ableiten.

Doch was bedeuten die unterschiedlichen Stimmungsbilder? Laut Sentimenttheorie ist die Anlegerstimmung ein Kontraindikator für die weitere Entwicklung an den Märkten.

Für den Sentimentexperten Stephan Heibel dürfte die große Skepsis in Deutschland, gepaart mit der großen Absicherungsneigung, den Dax vor einem heftigen Ausverkauf bewahren. Laut seiner umfangreicheren AnimusX-Umfrage ist die Kaufabsicht der Anleger derzeit so niedrig wie erst neunmal in den vergangenen sechzehn Jahren. In den sechs Monaten, die jeweils auf eine so niedrige Kaufabsicht folgten, ist der Dax in der Vergangenheit um durchschnittlich 10,3 Prozent angestiegen.

Ganz anders sieht es in den USA aus. Als vor anderthalb Jahren, also im November 2021, vergleichbar bullishe Werte gemessen wurden, begann der Bärenmarkt, der für ein schwaches Börsenjahr 2022 sorgte. „In den USA kann man fast schon von Euphorie sprechen, wenn man sich die Berichterstattung der US-Finanzmedien anschaut“, erläutert Heibel.

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Doch seiner Erfahrung nach sind allein sehr optimistische Sentimentwerte kein ausreichendes Kriterium für einen bevorstehenden Abschwung. Vielmehr kann eine so gute Marktverfassung länger anhalten, als die meisten Anleger sich das vorstellen können. „Natürlich endet jede Rally in Euphorie, doch bevor die Kurse letztlich fallen, kann sich die Euphorie mitunter sehr lange halten“, erläutert der Inhaber des Analysehauses AnimusX.

Denn in den USA gibt es Grund genug für die gute Performance an den Aktienmärkten. Die Geldpolitik scheint dort die Inflation in den Griff zu bekommen, ohne das Konjunkturwachstum zu stark zu belasten. Globale Konzerne verzeichnen zweitstellige Wachstumsraten und heben in diesen Tagen ihren Ausblick an. Die Berichtssaison hat schon eine ganze Reihe positiver Überraschungen hervorgebracht.

Seine Schlussfolgerung: „Es besteht die Möglichkeit, dass die Rally noch eine Weile anhält, während Rücksetzer weiterhin Kaufgelegenheiten sind.“

Aktuelle Umfragedaten

Nach dem neuen Dax-Rekordhoch in der vergangenen Woche ist das Anlegersentiment auf 3,0 Punkte angesprungen und zeigt die zunehmend gute Laune der Anleger in Deutschland. Kein Wunder bei neuen Rekordständen. Wenn überhaupt, dann verwundert es, dass noch keine Euphorie herrscht. Voraussetzung dafür ist ein Wert von 4,0 Punkten.

Über die Gründe der Rally sind sich die Anleger nicht einig. Zumindest deutet die Selbstzufriedenheit mit einem rückläufigen Wert von minus 0,2 (Vorwoche noch plus 0,7) darauf hin, dass Anleger hierzulande von den steigenden Notierungen überrascht wurden.

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Entsprechend macht sich Skepsis breit, die Zukunftserwartung ist auf minus 0,8 gesunken. Auch die Investitionsbereitschaft ist mit einem Wert von minus 1,7 so niedrig wie zuletzt im Juni 2020, also mitten im Corona-Lockdown.

Auch das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist auf minus sieben gesunken und zeigt eine zunehmende Absicherungsneigung gegen fallende Notierungen an. Die Profis, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, haben das Put-Call-Verhältnis auf 1,8 gehoben, was eine moderate Absicherungsneigung signalisiert.

In den USA sinkt das Put-Call-Verhältnis an der Chicagoer Terminbörse auf 0,8, was der niedrigste und somit bullishste Wert seit anderthalb Jahren ist. Je mehr Call-Optionen als Spekulation auf steigende Kurse gekauft werden, desto niedriger ist das Put-Call-Verhältnis.

US-Fondsmanager haben ihre Investitionsquote auf 102 Prozent angehoben, spekulieren inzwischen also sogar gehebelt auf steigende Kurse. Auch das war zuletzt vor anderthalb Jahren der Fall.

Die Bulle-Bär-Differenz steht bei 21. Die Optimisten haben in den USA einen Anteil von 45 Prozent bei den Privatanlegern, Bären nur 24 Prozent.

Der anhand technischer Markdaten berechnete „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Märkte zeigt mit einem Wert von 78 Prozent seit einem Monat kontinuierlich extreme Gier an, was als Warnsignal zu werten ist. Auch andere technische Indikatoren, die kurzfristige Veränderungen anzeigen, stehen an der Grenze zu einer überkauften Marktverfassung, die mindestens ein zwischenzeitliches Ende der Rally anzeigt.

Sie wollen an der Umfrage teilnehmen? Dann lassen Sie sich automatisch über den Start der Sentimentumfrage informieren und melden Sie sich für den Dax-Sentiment-Newsletter an. Die Umfrage startet jeden Freitagmorgen und endet Sonntagmittag.

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